Mülheim. Immer mehr Jugendliche sind geimpft. Mülheimer Schulleiter hoffen, dass es nicht zu Konflikten mit Ungeimpften kommt – etwa bei Klassenfahrten.
Mehr als eine Million Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren haben bundesweit die erste Corona-Impfung erhalten. Das teilte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn kürzlich mit. Auch in Mülheim ist eine Nachfrage da: etwa an den vier Standorten der Praxis Kids 4.0, wo wöchentlich rund 150 Erstimpfungen vorgenommen werden. Für Kinderarzt Dr. Martin Knorr ist auffallend, dass viele Jugendliche den Wunsch nach der Spritze klar formulieren – „und zwar unabhängig davon, ob die Eltern überzeugt sind“.
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Den jungen Menschen sei es wichtig, beim alles beherrschenden Thema ähnliche Chancen zu haben wie andere auch. „Sie möchten sich schützen, aber auch die Menschen in ihrer Umgebung. Sie möchten, dass das Theater endlich vorbei ist.“
Bund und Land haben den Druck auf Ungeimpfte jüngst erhöht
Die einen geimpft, die anderen nicht: So wird der Alltag an den weiterführenden Schulen ab Mittwoch aussehen. Gerade erst haben Bund und Länder den Druck auf Ungeimpfte erhöht; sie werden künftig häufiger aktuelle Tests vorlegen müssen. Und diese Tests sollen nicht mehr kostenlos sein. In den Schulen könnte es Konflikte geben, wenn Geimpfte bei Ausflügen oder Abifeiern mehr Rechte haben als Ungeimpfte. Und was passiert, wenn es einen positiven Corona-Fall gibt? Dürfen die doppelt Geimpften dann im Präsenzunterricht bleiben – und die anderen müssen in Quarantäne?
Ob sich die Gemengelage auf den Unterricht auswirkt, und wenn ja wie, fragen sich derzeit viele. Dr. Sigrun Leistritz, Chefin des Heißener Gymnasiums, fürchtet etwa Diskussionen rund um die Klassenfahrten, die immer kurz vor den Herbstferien stattfanden und hoffentlich wieder erlaubt sind. Man könne ja schlecht nur die Geimpften fahren lassen, sagt sie und hofft auf Toleranz. Man müsse akzeptieren, dass sich nicht jeder eine Spritze setzen lassen wolle. „Es wäre eine Katastrophe, ungeimpfte Kinder zu diskriminieren.“
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Alle Lehrer des Gymnasiums Mülheim-Heißen sind geimpft
Leistritz spricht von einer „schwierigen Lage“; sie ist froh, dass zumindest alle Lehrer ihrer Schule schon geschützt sind. Man werde nach den Ferien starten wie gehabt: An zwei Tagen der Woche müssen sich die Jugendlichen selbst testen. Nur jene, die schon beide Impfungen und die 14-Tage-Frist hinter sich haben, seien von der Pflicht befreit. „Das muss aber nachgewiesen werden“, betont die Schulleiterin. Wie viele Schützlinge zwischenzeitlich einen Piks oder vielleicht zwei bekommen haben, weiß sie nicht. „Es gab noch keine Rückmeldungen.“ Vor den Ferien seien es „ganz wenige“ gewesen.
Der erste Schulalltag für die 150 Fünftklässler – logischerweise alle unter zwölf – findet mit angezogener Handbremse statt. „Die Kinder sollen sich nicht gleich alle auf einmal begegnen.“ Also gibt’s den Gottesdienst dreimal, ebenso den Empfang in der Schule. Leistritz und das Kollegium wollen in den kommenden Wochen „so viel Normalität wie möglich schaffen“. Das sei für die Heranwachsenden das A und O. „Mein innigster Wunsch ist, dass wir nicht wieder zumachen müssen.“
„Es wäre schön, wenn die Stiko ihre Entscheidung anpasst“, so der Arzt
Kinderarzt Knorr hofft das ebenfalls und ist schon von daher Befürworter der Covid 19-Impfung. Er setzt darauf, dass die Ständige Impfkommission (Stiko) diese bald für alle 12- bis 17-Jährigen empfiehlt und nicht nur für jene, die wegen Vorerkrankungen ein erhöhtes Risiko haben. „Es wäre schön, wenn die Stiko ihre Entscheidung den aktuellen Daten anpasst“, so der Mediziner. Studien aus Amerika, Frankreich, den Niederlanden legten nahe, „dass diese Altersgruppe sich impfen lassen sollte“.
Arzt hält Lollitests für alle unter zwölf für eine gute Idee
Dass es an den Mülheimer Grund- und Förderschulen seit Mai Lollitests gibt, die in Labors nach PCR-Methoden ausgewertet werden, begrüßt der Dümptener Kinderarzt Martin Knorr. Das gebe Sicherheit, sagt er. Er findet es „beeindruckend“, wie Land und Kommune das aufwendige Verfahren stemmen.
Die Stadt als Schulträger ist dabei für die Transportfahrten von Schule zu Schule und zu den Laboren in Mönchengladbach und Leverkusen zuständig. Die Feuerwehr hat mit Hilfsorganisationen einen Plan erstellt, übernimmt eine der Routen. Um eine zweite kümmert sich die DLRG, um eine dritte das THW.
Laut Knorr wäre es gut, wenn auch die jüngeren Jahrgänge auf den weiterführenden Schulen – die sich ja noch nicht impfen lassen dürfen – in den Vorzug der zuverlässigeren Lollitests kämen. Das werde aber wohl am logistischen Aufwand scheitern.
Alle Mülheimer Kinderärzte bieten den Service an, sagt Knorr. Bei ihm in der Praxis müsse man zurzeit ein bis zwei Wochen auf einen Termin warten. Ob das so bleibt, ist unklar. „Es werden sich gewiss mehr Jugendliche impfen lassen, wenn die Schule wieder läuft.“ Aus der Praxis wisse er, dass die meisten erkrankten Kinder einen sehr milden Verlauf erleben. Doch es gebe vereinzelt auch dramatische Fälle; Knorr erwähnt Herzmuskelentzündungen und das Pims-Syndrom.
Schulleiterin weiß, dass für viele die Stiko-Empfehlung maßgeblich ist
Dass Eltern trotzdem Angst haben können, ihr Kind impfen zu lassen, versteht Angela Huestegge, Leiterin des Gymnasiums Broich. „Es ist schwierig, wenn man nicht weiß, ob auch das Impfen negative Folgen haben kann.“ Sie höre immer wieder, dass für viele die Stiko-Empfehlung maßgeblich ist. Die Lehrkräfte an ihrer Schule seien nun größtenteils geimpft, von den Schülern wisse sie das nicht.
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Für das neue Schuljahr ist laut Huestegge Flexibilität gefragt. Falls die Kinder und Jugendlichen tatsächlich wieder zu Hause bleiben müssen, sei man „für den Digitalunterricht gerüstet“. Das Gebot der Stunde aber sei es, die Infrastruktur schnell und effizient auszubauen: Glasfaseranschluss, WLAN, die Ausstattung in den Klassenräumen, all das zählt Huestegge auf.
„Politik muss rasch und klug auf Veränderungen reagieren“
Über mögliche Konflikte zwischen den Schülern mag sie noch nicht groß nachdenken. Bislang hätten sich die Jugendlichen im Umgang mit Corona vernünftig verhalten. Falls es schwierig werde, setzt sie auf gute Kommunikation zwischen Schülern, Eltern und Lehrern. „Reden hilft.“ Hilfreich sei zudem, wenn die Politik rasch auf Veränderungen reagiert – „und Regeln aufstellt, mit denen wir Schulen gut arbeiten können“.