Mülheim. Mülheimer Kinderärzte impfen Kinder ab zwölf Jahre gegen Covid-19. Es könnten mehr Kinder geimpft werden. Ärzte blicken mit Sorge auf den Herbst.
Bei Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren gibt die Ständige Impfkommission (Stiko) weiterhin keine allgemeine Impfempfehlung. In Mülheimer Kinderarzt-Praxen wird längst geimpft. Angesichts der ansteckenden Delta-Variante werden für die Zeit nach den Ferien mehr Infektionen in den Schulen befürchtet. Was raten die Mediziner den Eltern?
Die Stiko, ein unabhängiges Expertengremium, dessen Einsatz vom Robert-Koch-Institut (RKI) koordiniert wird, legt eine Corona-Impfung bei Kindern ab zwölf Jahren nur bei bestimmten Vorerkrankungen nahe. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat den Impfstoff Biontech für diese Altersgruppe zugelassen. Der Praxisverbund Kids 4.0 besteht aus vier Kinderarztpraxen in Mülheim mit acht Ärztinnen und Ärzten in Heißen, Dümpten, Speldorf und Saarn. Kinderarzt Dr. Sven Hower impft in seiner Saarner Praxis, und die Nachfrage ist gerade jetzt in den Ferien auch da.
Mülheimer Kinderarzt hat die eigenen Kinder längst geimpft
Derzeit habe man einen Vorlauf von rund zwei Wochen, sagt er, um die Termine zu schaffen. „Viele Eltern“, so seine Erfahrung, „wollen ihre Kinder jetzt geimpft haben.“ Und jeder, der das möchte, kann in seiner Praxis in Saarn Kinder (ab zwölf) impfen lassen. Es sei aber eine Entscheidung der Eltern. Viele hätten kein gutes Gefühl, in andere Länder zu reisen, und alle außer den Kindern seien geimpft, hat er erfahren. Natürlich wollten die Eltern wissen, wie er die Sache sehe. „Meine drei Kinder - 14, 16 und 18 Jahre alt - sind geimpft. Damit ist im ja Grunde alles gesagt“, so Hower.
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Sein Kollege Dr. Martin Knorr aus der Dümptener Kinderarztpraxis hat kleine Kinder unter zwölf Jahren, aber auch er würde sich für deren Impfung entscheiden, so sie schon älter wären. Er erinnert verunsicherte Eltern daran, dass auch Kinder schwer an Covid-19 erkranken könnten. „Es gibt schon gute Daten, dass sich der Impfstoff auch für Kinder und Jugendliche eignet“, sagt Knorr. Er schätze im Vergleich das Risiko einer Erkrankung mit Komplikationen höher ein. Ihn treibt eher die Sorge um, wie sich das Virus im Herbst an den Schulen unter den ungeimpften Kinder ausbreiten könnte.
Laut Krisenstab könnten rund 8000 Kinder und Jugendliche in Mülheim geimpft werden
Die Nachfrage nach Schutzimpfungen kann die Dümptener Praxis derzeit gut bedienen. „Es gibt keine langen Wartezeiten“, so Knorr. Laut Mülheimer Krisenstab dürften in Mülheim rund 8000 Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren geimpft werden, doch davon, schätzt Knorr, sei man noch weit entfernt. „Gäbe es eine allgemeine Impfempfehlung der Stiko, dann wären es wohl mehr.“ Zu den Vorerkrankungen, bei denen die Stiko Kindern ab zwölf zu einer Impfung rät, gehören etwa Diabetes, Asthma, Adipositas und psychische Erkrankungen. Das träfe auf rund zehn Prozent der Mülheimer Kinder zu schätzt Knorr. Mehr als zehn Prozent der Kinder über zwölf in Mülheim würden wohl geimpft, „aber doch noch nicht so richtig viele“.
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Unter einer nächsten Infektionswelle, prognostiziert Dr. Hower, werden die Ungeimpften und die (ungeimpften) Kinder am meisten leiden. Kollege Knorr: „Die Ungeimpften werden durchseucht werden und teils auch im großen Stil erkranken.“ Mit Sorge blickt er auf den Herbst und die Schulen. „Dort wird es viele Ansteckungen geben, wenn die Kinder nicht geschützt sind.“ Man sollte den Sommer dafür nutzen, denn der Impfstoff sei ja nun da.
Auch infizierte Kinder können an Long Covid leiden
Kinderärzte warten auf Studienergebnisse
Jüngere Kinder unter zwölf Jahren haben seltener Probleme mit Covid-19, so Dr. Martin Knorr. Studien untersuchen gerade Impfstoffe für die Kleinsten, da gehe es vor allem um die Dosierung.
Die Daten aus den Studien erwartet er nicht vor dem Herbst.
In seiner Saarner Praxis habe es noch keinen Fall von PIMS gegeben, sagt Dr. Sven Hower. PIMS steht für „Pädiatrisches Inflammatorische Multiorgan-Syndrom“, eine mögliche schwere Spätfolge einer Covid-19-Infektion bei Kindern und Jugendlichen. „Auch Kinder können an Long Covid leiden, das ist gar nicht so selten“, weiß der Kinderarzt. Dr. Martin Knorr kennt PIMS aus seiner Dümptener Praxis, auch Kinder mit Verdacht auf Long Covid hat er schon behandelt. Und er verweist darauf, dass eine Herzmuskelentzündung, wie sie als seltene Impfkomplikation bei Kindern vorkomme, auch als Folge einer eine Covid-19-Infektion auftreten kann.