Mülheim. Am Rand der denkmalgeschützten Siedlung auf Mülheims Heimaterde erlebt ein Bauherr einen Proteststurm gegen seine Baupläne. Das steckt dahinter.
Eine Anwohner-Initiative stemmt sich auf der Heimaterde gegen ein wuchtiges Bauprojekt – auch mit einer Online-Petition. Mülheims Baubehörde aber sagt: Protest zwecklos. Die Fehler seien schon vor Jahrzehnten gemacht worden.
Es geht um ein Projekt an der Kleiststraße 161-163. Auf diesem Areal plant ein Investor den Abriss eines alten Wohnhauses, das vor Jahren deutschlandweit Schlagzeilen gemacht hatte, weil einem Mieter dort eine hochgiftige Monokelkobra entwichen war, nach der Einsatzkräfte tagelang suchen mussten. Neu entstehen soll ein Gebäude, das elf Wohnungen beherbergt. Zur Straße hin sind in Entwürfen drei plus ein zurückversetztes Staffelgeschoss sichtbar. Wegen der Hanglage ragen hinterrücks noch dazu das Kellergeschoss und eine Parkgarage aus dem Boden heraus.
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„Eine Bausünde“: Anwohner haben eine Online-Petition gestartet
Von einer „Bausünde“ sprechen Anwohner wie Andreas und Nicole Urbantat, die unter avaaz.org/community_petitions auch eine Online-Petition gegen das Bauprojekt gestartet haben, das im Zuge einer Bauvoranfrage von Mülheims Baubehörde bereits grundsätzlich grünes Licht bekommen hat. Eine Baugenehmigung gibt es indes noch nicht. Rund 400 Menschen unterstützen die Petition bereits.
„Bauspekulanten verdichten mit Groß-Projekten zunehmend die Siedlung, ohne Rücksicht auf Klima, Umwelt und Auswirkungen auf die Nachbarschaft zu nehmen“, klagen die Urbantats. Sie hätten nichts gegen einen Neubau an dieser Stelle, sagen sie. Aber bitte nur „in vergleichbarer Größe wie bisher“. Jetzt solle dort, oberhalb des Siepentals, ein „Betonklotz hingesetzt werden, der komplett die Fläche versiegelt und die Frischluft-Zufuhr verhindert“.
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„Die letzte verbliebene Luftzufuhr-Schneise würde verschlossen“
Die Urbantats bringen im Namen der Anwohner-Initiative „Gutes Klima auf der Heimaterde“ allerlei Kritikpunkte vor. Die Verwaltung habe die Bauvoranfrage trotz ausstehender Artenschutzprüfung und Prüfung des möglicherweise erhaltenswerten Baumbestandes positiv beschieden. Es sei, blicke man auf die Gebäude in der Nachbarschaft, auch überdimensioniert. „Keines der im Umfeld liegenden Gebäude ist von der Bautiefe mit dem geplanten Bauvorhaben vergleichbar“, wird von der Initiative Helga Frohn-Heinl zitiert.
Die Aktivisten von der Heimaterde sehen vor allem schädliche Auswirkungen auf das lokale Klima. „Die letzte verbliebene Luftzufuhr-Schneise für das erste Siepental würde unwiderruflich verschlossen“, so Nicole Urbantat. „Dadurch würden die sommerlichen Temperaturen in diesem Bereich weiter steigen.“
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Anwohnerin sieht Widerspruch zur städtischen Klimapolitik
Alles in allem sieht Helga Frohn-Heinl einen Widerspruch in der Vorgehensweise der Stadt: „Auf der einen Seite erklärt die Politik die Klimanotlage für Mülheim und auf der anderen Seite bleibt hier kein Grün mehr übrig.“
In der vergangenen Sitzung des Planungsausschusses hatte Dietmar Berg (MBI) schon von der „großen Welle“ des Protestes auf der Heimaterde gesprochen und für sich deutlich gemacht, dass auch er eine Baugenehmigung für ausgeschlossen halte, weil sich der geplante Neubau nicht in die Umgebung einfüge.
Chef des Bauordnungsamtes: In der Nachbarschaft gibt es ähnliche Bauten
Booß: Artenschutzprüfung kommt noch
Die Klage der Anwohner-Initiative, die Stadt habe die Bauvoranfrage positiv beschieden, ohne eine Artenschutzprüfung vorzunehmen, weist Axel Booß, Leiter des Bauordnungsamtes, zurück. Es werde sie im Genehmigungsverfahren noch geben.
Booß sieht auch keine Beeinträchtigung des nahen Siepentals durch den skizzierten Neubau: „Es wird nur eine Baulücke geschlossen.“ Kritisch sieht er aber den Plan des Investors, Pkw-Stellplätze auf dem Grundstück quer zur Straße anzuordnen. Das erhöhe noch den Parkdruck vor Ort, weil Parkflächen am Straßenrand wegfielen. Das Amt für Verkehrswesen und Tiefbau sei deshalb eingeschaltet, so Booß.
Im nicht-öffentlichen Teil zeigte die Bauverwaltung Berg auf, warum dies aus ihrer Sicht nicht der Fall ist. Der Leiter des Bauordnungsamtes, Axel Booß, gab auf Anfrage auch gegenüber dieser Redaktion seine Bewertung ab für das Bauprojekt, dass außerhalb des Bebauungsplangebietes der denkmalgeschützten ehemaligen Arbeitersiedlung liege.
Dabei zeigte er anhand von Luftbildern, dass es im unmittelbaren Umfeld sehr wohl Gebäude gibt, die ebenso wuchtig wie der geplante Neubau in die Höhe und Grundstückstiefe ragen. Dies sei nach geltendem Recht der Bewertungsmaßstab, an dem sich die Stadt als Genehmigungsbehörde orientieren müsse. Wenn, wie hier, eben kein Bebauungsplan die Maßstäbe festsetze, greife der Paragraf 34 des Baugesetzbuches. Der schreibt für Neubauvorhaben vor, dass sie sich in die Bebauung in der unmittelbaren Nachbarschaft einzufügen haben.
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„Das könnten wir auch nicht mehr einfangen mit einem Bebauungsplan“
Allein schon direkt gegenüber des anvisierten Baugrundstücks gibt es ein langgezogenes, dreieinhalbstöckiges Bestandsgebäude, am nahen Kreisverkehr steht ein ebenso hohes Gebäude, dessen Anbau dazu noch weit ins Hinterland hineingebaut ist. Noch dazu gebe es im Umfeld auch rückwärtige Garagenanlagen, so Booß. „Da kann ich als Baubehörde nicht sagen, das neue Bauprojekt passt mir nicht. Hier besteht Baurecht. Das könnten wir auch nicht mehr einfangen mit einem neuen Bebauungsplan.“
Das Problem, das die Anwohner nun beklagen, ist laut Booß heute nicht mehr zu lösen. Es sei entstanden, als die Stadt vor Jahrzehnten die wuchtigen Gebäude in der Nachbarschaft zugelassen habe.
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