Mülheim. Auf 14 Hektar Fläche der alten Tengelmann-Zentrale soll die Parkstadt Mülheim entstehen. Wir sprachen exklusiv mit dem Investor Erwin Soravia.

Der städtebauliche Wettbewerb zur Entwicklung des ehemaligen Tengelmann-Areals startet. Wir sprachen mit Investor Erwin Soravia über seine Visionen – auch für das „Jokerfeld“ inmitten des 14 Hektar großen Areals.

Sie wollen das Gelände auf sechs Baufeldern zur Parkstadt Mülheim wachküssen. Ihre offizielle Presseverlautbarung liest sich so: Alles ist möglich. Alles wird prächtig. Tatsächlich?

So oft bekommt man nicht so ein cooles Gelände zum Entwickeln. Das ist schon ein Luxus, dass man hier seine Träume und Visionen umsetzen darf. Das gehört ordentlich gemacht. Wir sind ein Familienunternehmen und schon sehr lange aktiv. Die nächste Generation muss stolz sein, dass wir hier aktiv waren. Sie soll sich nicht genieren und sagen: Der Vater hat da einen Blödsinn gebaut. . . Es muss cool werden.

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Der Wunsch vieler Bürger nach mehr Freifläche und Grün, nach weniger Verdichtung ist da. Sie versprechen da viel.

Nehmen Sie das erste Baufeld, das wir „Zaubergarten“ nennen. Hier, wo er gewohnt hat, hat der alte Haub in den 50er-Jahren einen sehr charmanten Rosengarten mit Teich und Spaliergängen angelegt. Das ist zum Beispiel ein Baufeld, das wir nicht zu sehr verdichten wollen. Da kann man eine Randbebauung machen. Auch dem „Teichfeld“, heute Fußball- und Parkplatz, wollen wir eine eigene Thematik geben mit dem Schwerpunkt Wasser, mit Wohnbebauung, Cafés, Fitnessbereiche, Lebensqualität pur ringsum. Unsere Schwerpunkte sind Wasser und Grün. Wenn man schon so viel Platz hat, kann man diese Themen ruhig großzügiger angehen.

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Erwin Soravia: Täuschen und Tarnen ist nicht zielführend

Da haben die Investoren am Ruhrufer auch einiges versprochen.

Täuschen und Tarnen ist nicht zielführend. Es ist alles sichtbar am Ende.

Sie sprechen viel über Wohnen. In der Stadt wird viel darüber diskutiert, dass Platz für modernes Gewerbe fehlt. Wo verorten Sie das denn auf dem Gelände, wenn man mal absieht von den Bestandsgebäuden?

An der Liebigstraße gibt es genug Möglichkeiten dafür.

Geben Sie eine Mischung aus Wohnen und Gewerbe, etwa 60 zu 40 Prozent, für den Wettbewerb vor?

Nein.

„Unter Charme verstehen wir soziale Durchmischung“

Was soll im Osten des Geländes passieren?

Da gibt es ja einen ordentlichen Bestand mit der Villa der Polizei und anderen. Die wollen wir belassen, ebenso den Park mit Brunnen. Im Nordosten wollen wir aber eine gewisse Verdichtung mit gemischter Nutzung.

Sie sprechen von einer schrittweisen Entwicklung über die nächsten zehn bis 15 Jahre. Warum diese Unterteilung?

Investor Erwin Soravia im Spiegelsaal der ehemaligen Tengelmann-Zentrale: „Im dritten, vierten Quartal wird man schon merken, wo die Reise hingeht.“
Investor Erwin Soravia im Spiegelsaal der ehemaligen Tengelmann-Zentrale: „Im dritten, vierten Quartal wird man schon merken, wo die Reise hingeht.“ © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Weil wir überzeugt sind, dass eine Null-auf-100-Bebauung keinen Sinn macht. Phase 1 ist, den Bestand zu aktivieren und zu attraktivieren. Es war eine verschlossene Stadt mit einem Nutzer. Wir wollen in den Bestand einen spannenden Mietermix bringen, der nicht nur uns gerecht wird, sondern mittelfristig dem Projekt einen gewissen Charme gibt.

Was soll den Charme ausmachen?

Unter Charme verstehen wir soziale Durchmischung. Wir haben jetzt den Industriebetrieb von Standardkessel, sehr weit fortgeschritten sind wir in den Verhandlungen mit der Hochschule Ruhr-West für eine Erweiterung ihrer Flächen. Studenten bringen Leben, bringen Jugend dort hin. Uns gelingt die Durchmischung auch mit einem Fitnesscenter, ein bisschen Start-up-Szene, einem Ärztezentrum. . . Wir wollen eine städtische Struktur dort ansiedeln. Wir wollen keine Monokultur.

Wie weit sind Sie mit der Vermarktung?

Wir schätzen, dass im dritten Quartal für 55 bis 60 Prozent der Bestandsfläche die Mietverträge unterschrieben sind. Und wir gehen davon aus, dass wir den Bestand nächstes Jahr zu 80, 90 Prozent vermietet haben.

Nach der Revitalisierung der Bestandsgebäude soll Entwicklung als Erstes sichtbar sein im Westen des Areals, an Wissollstraße, Veilchenweg und Koloniestraße?

Ja, das wird wahrscheinlich der erste Teil sein. Was wir auch als ersten Teil sehen: Das Gelände sieht man heute eigentlich nur von Norden Richtung Süden, diese riesig lange Fassade. Wir sehen aber den rückwärtigen Teil [an der Koloniestraße] als zukünftige Piazza mit Cafés und Eingängen zur Hochschule, zu künftigen Büros und zum Ärztezentrum. Dort ist heute schon ein total charmanter Platz mit tollen Stiegenhäusern, er liegt in der verbotenen Stadt aber hinter einstöckigen Bauten verborgen. Das wollen wir öffnen.

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„Im dritten, vierten Quartal wird man schon merken, wo die Reise hingeht“

Wann wird das Gelände mehr erfahrbar sein für Bürger?

Im dritten, vierten Quartal wird man schon merken, wo die Reise hingeht. Wir werden dem Bestand eine sichtbare Aufwertung geben. Es läuft gerade ein Wettbewerb für die Eingänge. Wir wollen ihnen architektonisch einen Kick geben, auch was Grün und Platzgestaltung angeht. Künstler werden die Eingänge gestalten.

Sie fordern die Teilnehmer des städtebaulichen Wettbewerbs auf, für das „Jokerfeld“ inmitten des Areals – dort, wo heute das Technikum steht, und die Fläche nördlich davon – eine moderate und eine markante Variante für eine Bebauung zu skizzieren.

Wir sind gespannt, was da herauskommt. Gerade der Wettbewerb bringt einen öffentlichen Diskurs, die Teams befruchten sich gegenseitig im kooperativen Verfahren. Der eine wird sagen: Wir machen da noch einmal Parkfläche. Der andere wird sagen: In der Lage, mit der Blickachse auf die Fabrik, brauche ich eine coole Verbauung mit einer gewissen Dichte, um dem Standort hier eine höherwertigere Nutzung zu geben.

Ein Investor will ja auch Geld verdienen. . .

Wir sind die ersten altruistischen Projektentwickler. Wir wollen nur, dass alle anderen glücklich werden. (lacht)

„Um ein wirklich schönes Quartier zu entwickeln, muss man großzügig sein“

Sie kennen die allerersten Planungen, die noch die Tengelmann-Eigentümerfamilie Haub in Auftrag gegeben hatte. Dort war ein 15-stöckiges Wohn-Hochhaus Mittelpunkt einer profitablen Entwicklung. . .

Soravia hat für 6,3 Milliarden Euro Projekte entwickelt

Soravia ist ein eigentümergeführtes Familienunternehmen in der Bau- und Immobilienbranche mit Stammsitz in Wien. Es besteht seit mehr als 140 Jahren und konzentriert sich nach eigenen Angaben heute auf die Geschäftsfelder Stadtentwicklung, frei finanzierter Wohnbau, Gewerbeprojekte, geförderter Wohnbau, Hotel-Entwicklungen und die Revitalisierung denkmalgeschützter Immobilien.

Das Kerngeschäft der Immobilien-Projektentwicklung ergänzt Soravia um Service-Unternehmen in den Bereichen Facility-, Property- und Asset-Management. Zusätzlich hält Soravia Beteiligungen am Auktionshaus Dorotheum und der Hotelgruppe Ruby Hotels.

Soravia zählt nach eigenen Angaben mit mehr als 600 realisierten Projekten und einem Projektvolumen von über 6,3 Milliarden Euro zu den führenden Immobilien-Projektentwicklern in Österreich und Deutschland. Mit allen Beteiligungen beschäftigt Soravia rund 3330 Mitarbeiter.

Schrecklich! Auch die Verdichtung: Katastrophe! Das mag für Sie komisch klingen: Um ein wirklich schönes Quartier zu entwickeln, muss man großzügig sein. Es funktioniert nicht nur mit der Brille der Ertragsoptimierung. Da wir doch kapitalistisch veranlagt sind, sage ich Ihnen auch, wieso wir es ganz pragmatisch und entspannt sehen, großzügig zu sein: Wenn was gut ist, kriegst du auch einen besseren Preis. Unser Ziel ist es, dass diese Parkstadt einfach hip wird. Es muss einfach ein „place to be“ werden“. Das geht aber nicht, wenn ich nur Quadratmeter optimiere. Da haben wir einen anderen Zugang. Für uns ist der Faktor Architektur sowie Wohn-, Arbeits- und Lebensqualität brutal wichtig. Wenn Sie unsere Projekte anschauen: Wir haben überall eine geile Architektur, eine tolle Infrastruktur, eine tolle Grünlandschaft. In Mülheim haben wir jetzt 14 Hektar mitten in der Stadt, das ist nicht üblich. Das ist eine geile Herausforderung. Jede Herausforderung ist aber auch eine Verantwortung.

Was dann also auf dem rund drei Hektar großen „Jokerfeld“?

Es liegt genau gegenüber vom Bestand. Das Technikum ist nett, nur: Den Platz im Zentrum so einer großen Bebauung für eine Veranstaltungshalle zu verwenden, finden wir ein bisschen schade.

Soravia zum Jokerfeld: Ich brauche einen Kontrapart, minimum in der Höhe der Fabrik

Sie haben doch bestimmt schon mal selbst geträumt. . .

Von einem großen Hügel mit Beschneiungsanlage zum Skifahren. (lacht) Nein: Ich glaube, man braucht dort zwei, drei Baukörper, die minimum gegen den Bestand bestehen können. Der Bestand hat schon eine brutale Kraft. Wenn ich nur Matchbox-Autos drumherum setze, ist das nicht im städtebaulichen Sinne. Eine Höhe von 100 Meter plus wird es sicher nicht. Aber ich brauche einen Kontrapart, minimum in der Höhe der Fabrik. Wohnen dort wäre schon lässig, wenn ich direkt auf die Fabrik schaue. Wir brauchen Objekte, die eine Strahlkraft haben. Eine schiere Putzfassade sicher nicht. Es gibt nichts Schlimmeres, als Projekte zu bauen, die nach zehn Jahren schon alt ausschauen, oder wo man sieht, dass sie zu wenig Eigenkraft haben.

Sie betonen erneut, dass die Strahlkraft der Parkstadt weit über Mülheim hinausgehen soll. Was soll die Parkstadt so außergewöhnlich machen, dass sie tatsächlich überörtlich von sich reden machen wird?

Wenn es uns nicht gelingt, dass man am Schluss der Reise darüber redet, haben wir was falsch gemacht.