Mülheim. Das Oberverwaltungsgericht hat eine Verfügung der Stadt Mülheim, mit der diese das illegale Wohnen am Entenfangsee beenden wollte, einkassiert.

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat der Beschwerde des Betreibers des Freizeitdomizils am Entenfangsee am Dienstag stattgegeben. Die Stadt Mülheim muss ihre Ordnungsverfügung, mit der sie das illegale Wohnen der Dauercamper an der Stadtgrenze von Mülheim und Duisburg beenden wollte, zurückziehen.

Eine alsbaldige Räumung der Anlage, auf der in Mobilwohnheimen 550 Pächter wohnen, darunter etliche mit keiner alternativen Bleibe, ist mit der letztinstanzlichen Entscheidung des OVG vom Tisch. Eine entsprechende Ordnungsverfügung der Stadt Mülheim sei rechtswidrig, stellte das Gericht am Ende des Eilverfahrens fest.

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OVG bestätigt erste Instanz: Räumung der kompletten Anlage wäre rechtswidrig

Die Stadt hatte der Betreiberin der Anlage, der Campinggesellschaft am Entenfangsee mit ihrem Geschäftsführer Dietmar Harsveldt, im Herbst 2020 eine Ordnungsverfügung zugestellt, mit der sie den Betrieb der kompletten Freizeitanlage stillzulegen gedachte. In einer von der Stadt gesetzten Frist sollten alle Pächter das Feld binnen zwei Monate räumen.

Schon das vom Betreiber eingeschaltete Düsseldorfer Verwaltungsgericht hatte der Räumung im Dezember einen Riegel vorgeschoben, das OVG bestätigte nun diese Rechtsauffassung. Allein schon sei die Ordnungsverfügung der Stadt rechtswidrig, weil diese auch den Betrieb von baulichen Anlagen im Freizeitdomizil habe untersagen wollen, für die die Stadt selbst einst Baugenehmigungen erteilt habe, so für eine Unfallrettungsstation, die Gaststätte mit Selbstbedienungsladen, ein Sanitärgebäude, den dortigen Tennisplatz und ein Bürogebäude.

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Oberstes Gericht: Stadt muss an jeden einzelnen Pächter herantreten

Auch erscheine die Ordnungsverfügung der Stadt „weder geeignet noch verhältnismäßig“, stellte das OVG vor dem Hintergrund fest, dass nicht der Anlagenbetreiber, sondern jeder einzelne illegal dort wohnende Pächter Adressat städtischer Ordnungsmaßnahmen sein müsste. Rund 400 Pächtern legt die Stadtverwaltung zur Last, Wochenendhäuser am Entenfang illegal für Dauerwohnzwecke zu missbrauchen. Das Einschreiten gegen diesen illegalen Zustand könne nicht dem Anlagenbetreiber aufgebürdet werden, so das Gericht. Die Stadt müsse schon selbst jeden Einzelfall angehen. Das hat sie bisher offensichtlich versäumt.

Das OVG stellte allerdings ausdrücklich fest, dass der Stadt nicht die Hände gebunden sind, um „bei fachlich begründeten Zweifeln an der Brandsicherheit der gesamten Freizeitanlage mit der Folge, dass eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben sämtlicher Nutzer zu befürchten sei“, einzuschreiten. Sie sei in diesem Falle gar verpflichtet dazu, kompromisslos und unverzüglich Gegenmaßnahmen einzufordern.

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OVG: Stadt Mülheim darf bei Gefahr für Leib und Leben aber nicht tatenlos bleiben

Die Stadt dürfe angesichts der Menge und des Umfangs der Verstöße gegen brandschutzrechtliche Vorgaben der Camping- und Wochenendplatzverordnung nicht tatenlos bleiben – unabhängig davon, dass sie von den illegalen Zuständen im Freizeitdomizil seit Jahrzehnten Kenntnis habe und mit Baugenehmigungen den illegalen Zustand vor Ort noch deutlich verfestigt habe.

Allerdings gilt auch hier die gerichtliche Feststellung: Insbesondere seien hier die Pächter Adressaten städtischer Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, nicht die Betreiberin der Anlage.

Stadt und Betreiber diskutieren aktuell über Brandschutzkonzept

Betreiber Harsveldt zeigte sich am Dienstag zufrieden, dass das OVG anders als das Verwaltungsgericht keinen illegalen Betrieb des Freizeitdomizils festgestellt habe. Der Stadt stehe nun ein Verfahren bevor, das sich über Jahre hinziehen werde, wolle sie nun jeden Fall einzeln angehen und die Gefahr eingehen, sich massenweise Klagen einzuhandeln. „Ich bin aber nicht aus der Pflicht“, kündigte Harsveldt im Gespräch mit dieser Redaktion an, seine Pächter „in allen Belangen unterstützen“ zu wollen.

Der Ball liege nun bei der Stadt, sagte Harsveldt. Bekanntlich war er der Aufforderung der Bauaufsicht nachgekommen, ein Brandschutzkonzept für die Entenfang-Siedlung vorzulegen. Die Stadt habe mittlerweile Stellung dazu genommen, Harsveldt sieht keine gravierenden Hindernisse, um dieses Konzept mit der Stadt feinzujustieren, damit es genehmigt werden kann.

Betreiber hofft auf nachträgliches Baurecht für das Freizeitdomizil

Harsveldt hofft aber doch auf eine Genehmigung. Sie wäre aus seiner Sicht „der erste Schritt“, um der Entenfang-Siedlung nachträglich etwa über den § 35 des Baugesetzbuches (Bauen im Außenbereich) Rechtssicherheit zu geben. Grundsätzlich hatte die Stadtverwaltung Kompromissbereitschaft erklärt, sollte der Brandschutz gesichert sein. Der aber, machte Harsveldt klar, sei nicht von heute auf morgen umzusetzen. Einer Reihe von Pächtern sei zur Umsetzung des Konzeptes zu kündigen. Wenn jemand nicht freiwillig seinen Platz freimache, müsse er Räumungsklage einreichen. . . Das könne dauern.

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Baudezernent Peter Vermeulen sieht mittlerweile gute Möglichkeiten, sich mit dem Betreiber auf ein Brandschutzkonzept zu verständigen, weitere Beratungen dazu werde es verwaltungsintern nächste Woche geben. Er machte aber auch klar, dass „Brandschutz nicht verhandelbar“ sei. In der Anlage seinen Brandschneisen zu schaffen, dafür sei Platz zu schaffen.

Eine nachträgliche baurechtliche Absicherung des Freizeitdomizils über § 35 Baugesetzbuch peilt Vermeulen hingegen nicht an. Er verweist darauf, dass Dauerwohnen am Entenfang dauerhaft nicht zu tolerieren sei. Dazu gebe es ein Konzept, dass die befristete Dauer von Duldungen regele.