Mülheim. .

Wochenlang hielt eine kleine giftige Monokelkobra die Stadt in Atem, machte bundesweit Schlagzeilen und verursachte enorme Kosten. Am Ende war die Kobra tot, die Stadt wegen der 50.000 Euro teuren Suchaktion wieder ein Stückchen ärmer.

Eine Stadt suchte tagelang eine kleine giftige Monokelkobra. Die Kleiststraße auf der Heimaterde machte plötzlich bundesweit Schlagzeilen. Am Ende war die Kobra tot, die Stadt wegen der 50.000 Euro teuren Suchaktion wieder ein Stückchen ärmer. Die Kobra war das Gesicht des Monates März. Wie würde Sie die Geschichte erzählen?

Ich war froh, die riesige Reptilienmesse in Hamm verlassen zu können und wollte aus dieser engen Dose endlich raus, in der man uns kleine Schlangen gefangen hält. Dumm, dass auch noch meine Art so beliebt und preiswert ist. Ich hatte Hunger. Dann war es viel zu kalt. Und wissen sie, wie es ist, wenn man in einer Plastikdose liegt und stündlich immer wieder von Besuchern geschüttelt wird?

Es geht nach Heißen, auf die Heimaterde. Das klingt schon mal wärmer, ich wusste da noch nicht, dass meine Tage gezählt waren und ich für kurze Zeit berühmt werden sollte. Mir wäre ein kleines Fleckchen Erde in einem Reisfeld in Nordindien lieber gewesen als diese umgebaute Glaskiste in einer Mietwohnung bei Kevin O. . Klar, dass ich die Chance nutze und mich mit meiner Bleistift-Taille durch alle Hindernisse zwänge. Nur raus! Ich verkrieche mich – und löse ein kleines Chaos aus, was ich nicht wollte.

Meine Flucht sorgt weit über Heißen hinaus für Aufregung. „Giftschlange ausgebrochen“ – täglich berichten Sender und Zeitungen aus ganz Deutschland über mich und dass ich eine große Gefahr sei. Meine Flucht hat aber auch etwas Gutes, die Menschen reden mal wieder über Missstände in der Tierhaltung. Darf eigentlich jeder ohne Nachweis gefährliche Tiere halten? Ich finde nicht.

Ich freue mich, dass auch die Verkaufsbörsen endlich Thema werden. Die Zustände sind dort erschütternd. „Tiere sind oft tagelang in winzige Boxen gestopft, leiden an Hunger, Durst, Stress und Enge“, beschreibt der Deutsche Tierschutzbund unsere Not. Eine Sprecherin von Pro Wildlife betont: „Nahezu alle Tierschutzvorgaben werden missachtet, selbst kranke und verletzte Tiere stehen zum Verkauf.“ Vom Kaninchen bis eben zur Kobra sei auf den Tierbörsen alles zu haben.

Die Suche nach mir in dem Mietshaus ist der reinste Horror: Erst werden die Möbel verschoben, dann rausgeräumt. Sie finden mich nicht. Ich weiß nicht, wie viele Menschen durch diese 50 Quadratmeter Wohnung gelaufen sind: Immer mehr, immer andere. In weißer Kleidung, in dunkler Kleidung, mit und ohne Koffer, mit und ohne Lampe, überall wird geklopft. Dann nehmen sie die Wärmedämmung im Haus ab. „Wir müssen das Tier finden“, höre ich sie immer wieder sagen. „Wär’ doch gelacht.?.?.“ Nachts ist es im Haus ganz still. Ich glaub’ es wohnt auch keiner mehr hier – vor lauter Angst. Dabei bin ich schon ganz schlapp!

In der Stadt und im Land wird tagsüber jetzt auch darüber geredet, ob die Gesetzgebung geändert werden muss, wie Menschen und Tiere besser vor solchen Geschäften mit völlig unerfahrenen Tierhalten geschützt werden können.

Geschlafen habe ich kaum: Am Morgen geht es weiter. Dämmschlacke wird abgetragen, der Dielenboden herausgerissen, der Spitzboden komplett geräumt, im Umkreis von 300 Metern alles abgesucht. Die Feuerwehr ist wieder vor Ort, ein Spezialisten-Team aus Düsseldorf, das Ordnungsamt, die Polizei riegelt die Straße ab. Man verteilt Handzettel an Anwohner: Vorsicht Kobra!

Irgendwann bleibt es ganz ruhig im Haus. Nichts tut sich mehr. Ich habe seit Wochen nichts gefressen und getrunken. Ich muss raus aus meinem Versteck, will nur noch weg aus der Kälte. Mit letzter Kraft schaffe ich es, wieder in einen der leeren Räume zu gelangen – und dann: Ich komme nicht weiter, drehe und schlängele mich. Hält mich einer? Nein. Eine Falle. Ich klebe fest – und weiß: die Heimaterde ist nichts für Kobras.

Zitat: Die Tiere sind oft tagelang in winzige Boxen gestopft