Gladbeck. SPD, CDU, Grüne, AfD: Kurz vor der Europawahl suchen die Parteien in Gladbeck in der Fußgängerzone das Gespräch mit Bürgern. So ist die Stimmung.
Mit leeren Händen muss an diesem Tag niemand nach Hause gehen, der sich auf der Hochstraße in Gladbeck über die Positionen der Parteien zu Europa informieren will. Kugelschreiber gibt’s überall, die SPD serviert einen Kaffee, die CDU verschenkt an diesem Samstag rote und weiße Rosen – wegen des Muttertags allerdings vorwiegend nur an die Frauen. Die Grünen verteilen an die Besucherinnen und Besucher am Stand unter anderem Buntstifte und kleine Windmühlen, die AfD Bierdeckel. TikTok hin, Instagram her – auf den klassischen Wahlkampfstand am Samstagvormittag in der Fußgängerzone wollen sie alle nicht verzichten. „Wenn wir nicht hier wären“, sagt Maximilian Krügerke, Ratsherr und stellvertretender Vorsitzender des CDU-Stadtverbandes, „würden wir gefragt werden, wo wir denn gewesen seien.“
Die Gladbecker SPD hat zwei große Thermoskannen mit Kaffee vorbereitet
Kurz nach zehn haben sie ihre Stände aufgebaut, die Sonnenschirme aufgespannt und die Flyer ausgelegt. Die SPD hat zwei große Thermoskannen mit Kaffee vorbereitet. Für rund 50 Tassen reicht’s. Und schon kommt auch der erste Passant vorbei, stellt sein Fahrrad beiseite und lässt sich gerne einen Becher Kaffee einschenken. „Wir haben unsere Stammkundschaft“, sagt Nina Krüger, ehrenamtliche Geschäftsführerin der Sozialdemokraten in Gladbeck.
Bei gutem Wetter würden an einem Vormittag bis zu 100 Gespräche geführt. Aber dabei geht’s, obgleich am 9. Juni über die Zusammensetzung des Europaparlaments abgestimmt wird, beileibe nicht nur um Europa. Alle Themen würden angesprochen werden, berichtet Nina Krüger.
Die Erfahrung machen auch die Christdemokraten am anderen Ende der Hochstraße. „Die Buersche Straße und der Verkehrsversuch beschäftigen die Menschen immer noch“, sagt Maximilian Krügerke. Und wenn dann das Gespräch doch auf Europa komme, dann sei es die illegale Migration, die die Menschen besonders beschäftige. Er nimmt sich einen Bund Rosen und geht auf die Passanten zu. Mit einem kleinen Präsent in der Hand, so Krügerke, sei es einfacher, die Menschen anzusprechen. Probleme hat er damit nicht. „Das gehört doch zur politischen Arbeit.“
Sich in der Öffentlichkeit zu zeigen, das lohnt sich, sagen die Gladbecker Grünen
Sich in der Öffentlichkeit zu zeigen, das lohne sich auf jeden Fall, ist Sandra Borgwerth, Stadtverbandsvorsitzende der Grünen, überzeugt. „Hier kommt man mit den Menschen gut ins Gespräch“, ergänzt Ratsherr Bernd Lehmann. Und dabei gehe es nicht nur darum, die Interessierten von den grünen Argumenten zu überzeugen. „Dass wir uns hier zeigen, ist auch wichtig für die, die uns wohlgesonnen sind“, so Lehmann.
Zwischen den Grünen und der AfD hat sich auf der Hochstraße an diesem Vormittag eine kleine Gruppe vom Bündnis Recklinghausen getroffen. Sie demonstriert, beobachtet von der Polizei, gegen die Rechten. Ihr Motto: „Wir haben keine Lust auf Hass und Hetze.“
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Der Gladbecker AfD-Vorsitzende Marco Gräber sieht’s gelassen. „Unser Fanclub“, sagt er. Im Gespräch mit den Passanten, die „mittlerweile komplett mit offenem Visier“ die AfD-Politiker ansprächen, würde es auch bei ihnen quer durch die Bank um alle Themen gehen. Die Europawahl, versucht er klarzumachen, sei die wichtigste Wahl, weil in Straßburg die wichtigen Entscheidungen getroffen würden.
Junge Helfer sprechen junge Wähler an
Nina Krüger ist stolz darauf, dass am SPD-Stand eine bunte Mischung an Mitgliedern ihren Dienst tun – vom 15-jährigen Juso bis zum gestandenen Genossen. „Jeder findet hier Ansprache“, sagt sie. Dank der jungen Helfer würden auch immer wieder Schülerinnen und Schüler vorbeischauen und sich zur Wahl – für viele ist es die erste Abstimmung, an der sie teilnehmen dürfen – informieren. Die Arbeit am Stand sieht die SPD-Geschäftsführerin als einen Beitrag dazu, „an der Meinungsbildung mitzuwirken“. Probleme, Helferinnen und Helfer für die Arbeit in der Fußgängerzone zu finden, hat Nina Krüger nicht. Das Engagement reiche sogar, in den Stadtteilen an Ständen über die Arbeit und die Positionen der SPD zu informieren.
Haben die Wahlkämpfer in Gladbeck angesichts der Übergriffe auf Kommunalpolitiker andernorts Angst? Nein, antwortet CDU-Mann Maximilian Krügerke. Er hat den Eindruck, dass es in den vergangenen Jahren mehr Bemerkungen „unter der Gürtellinie“ gegeben habe. Manch ein Passant rufe ihnen mittlerweile sogar zu: „Passt auf euch auf.“
Bei der AfD registriert man manche Beleidigung. „Aber wir lassen uns nicht aus der Ruhe bringen“, versichert Marco Gräber. „Wir bekommen Zustimmung für unsere grüne Politik“, berichtet Ratsfrau Ramona Karatas von der Arbeit am Stand. Aber es gebe auch immer wieder Menschen, die schimpfen würden und erbost darüber seien, „dass wir uns überhaupt noch trauen“, an die Öffentlichkeit zu gehen, so die Vorsitzende Sandra Borgwerth.
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Insgesamt gehe es friedlich zu, berichtet Nina Krüger von der SPD. Ab und zu würden Menschen vorbeigehen und die Kommunalpolitiker anschreien. Was sagt man solchen Zeitgenossen? Nina Krüger: „Wir wünschen denen auch einen schönen Tag und einen Sinneswandel.“ Aber einen Luftballon oder einen Chip für den Einkaufswagen bekommen sie nicht.