Gladbeck. Der ADFC übt heftige Kritik an dem vorzeitigen Aus für den Verkehrsversuch und erhebt Vorwürfe gegen die Stadt. Die nennt die bisherigen Kosten.
Knapp 100.000 Euro hat die Stadt bisher für den Verkehrsversuch an der Buerschen Straße ausgegeben. Genau sind es 98.796 Euro, das habe ein erster Kassensturz ergeben, sagt Stadtsprecher David Hennig auf Nachfrage.
Der dickste Batzen, rund 71.000 Euro, sei für die baulichen Änderungen, sprich Markierungen und Optimierung der Ampelschaltung, geflossen, sagt der Stadtsprecher. Das restliche Geld sei für Planung, Begleitung und Beteiligung eingesetzt worden. Unklar sei allerdings bisher, was die Herstellung der neuen, vorerst dauerhaften Lösung und der Rückbau des Radwegs kosten.
Was auch immer dafür letztlich fällig wird, es dürfte wohl nicht bei ca. 300.000 Euro liegen – eine Summe, die CDU-Ratsherr Robert Ernst auf der Facebook-Seite der Lokalredaktion nannte, als dort über die Kosten des Verkehrsversuchs diskutiert wurde. Andere nannten eine Summe von „über 200.000 Euro“.
Zu Beginn hatte die Verwaltung die Kosten auf 230.000 Euro beziffert
Zumindest letztere hätte einen offiziellen Ursprung. Ein Blick ins Ratsinformationssystem und in die Unterlagen vom März 2023 zeigt, dass die Stadt die Kosten des Verkehrsversuchs damals mit rund 230.000 Euro beziffert hat. Der dickste Batzen, 110.000 Euro, war damals eingeplant für Markierung und Beschilderungsarbeiten. Am Ende dürfte es also preiswerter sein als gedacht. Trotzdem, auch ohne die konkrete Summe zu kennen, wird in den Sozialen Medien vielfach geschimpft, dass eine hoch verschuldete Stadt wie Gladbeck sich auf so einen Versuch einlässt.
Ähnlich äußert sich auch der fraktionslose Ratsherr Süleyman Kosar: „Für grundlegende Dinge wie z.B. die Sanierung der zu 90 Prozent kaputten Straßen oder die Sanierung der Sporthalle im Schulzentrum Brauck fehlt das Geld, für teure Experimente dagegen ist Geld vorhanden“, so seine Vergleiche. Das sei nicht zu verstehen.
Doch es gibt auch Gladbeckerinnen und Gladbecker, die das Aus für den Verkehrsversuch für falsch halten. An erster Stelle sind das die Radfahrer. Die Vorsitzende des ADFC in Gladbeck, Vera Bücker, spricht von einer „furchtbaren Enttäuschung“. Das gelte insbesondere für die SPD, die in der Frage „umgefallen“ sei. CDU und FDP hätten sich ja schon die ganze Zeit über gegen den Verkehrsversuch ausgesprochen.
ADFC fordert Kontrollen zum Schutz der Radfahrer auf der Buerschen Straße
Was Vera Bücker auch ärgert: Die Argumente, die nun für das vorzeitige Aus herangezogen werden, seien ja nicht neu. „Die wurden alle schon im Vorfeld genannt, und plötzlich sollen sie richtig sein?“ Warum warte man bis zu einer endgültigen Entscheidung nicht auf die wissenschaftliche Auswertung, will die ADFC-Vorsitzende wissen. Ihr Verdacht: Womöglich würde die den Versuch stärken, daher jetzt das frühzeitige Aus, um nicht gegen wissenschaftliche Erkenntnisse argumentieren zu müssen. Möglicherweise habe man Angst vor dem Ergebnis, mutmaßt sie.
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Stattdessen setze man nun die Lösung um, die bei den Beratungen über die künftige Verkehrsführung auf der Buerschen Straße noch als „Pest“ bezeichnet worden sei, sagt Vera Bücker mit Blick darauf, dass die Radfahrer demnächst auf der Straße zwischen den Autos fahren müssen. Die Folge: „Wer sich als Autofahrer an die Regeln hält, der zockelt künftig hinter den Radfahrern her.“ Denn die Straße sei zu schmal, um den Mindestabstand von 1,50 Meter zum Überholen einzuhalten. Nun sei es wichtig, dass die Einhaltung der Regeln an dieser Stelle auch überwacht werde, dass man nicht mit Verkehrsverstößen kalkuliere, um den Verkehr im Sinne der Autofahrer fließen zu lassen.
Gladbecks Bürgermeisterin hatte Verständnis für das Ende des Versuchs geäußert
Am Ende, so Vera Bücker, schade man massiv dem fließenden Verkehr zugunsten des stehenden Verkehrs. Dabei gelte: „Die Straße ist zum Fahren da, nicht um kostenlos zu parken, das wird allenfalls geduldet.“ Für die Verwaltung sei der Vorstoß der Politik eine „Riesenklatsche“, sagt Vera Bücker und erinnert daran, dass der Verkehrsversuch und die Verkehrsführung ja auf einen Vorschlag der Verwaltung zurückgehen.
Am Freitag hatte sich die Bürgermeisterin geäußert und Verständnis für den Abbruch des Versuchs gezeigt. „Ich habe die Bedenken der Anwohnerinnen und Anwohner und des Einzelhandels in den letzten Monaten sehr wahr- und auch ernst genommen“, wurde Bettina Weist in einer Mitteilung der Stadtverwaltung zitiert. Man habe von Anfang an einen Verkehrsversuch angestrebt, der auch wieder rückgängig gemacht werden könne, wenn er nicht funktioniere und nicht akzeptiert werde. „An diesem Punkt sind wir nun“, so die Bürgermeisterin.
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Gleichzeitig betonte Bettina Weist, dass man den Radverkehr in Gladbeck stärken und die Mobilitätswende vorantreiben wolle. Dem widerspricht Vera Bücker: Mit dieser Entscheidung werde letztlich jede Rede über die Verkehrswende als „Sonntagsrede“ entlarvt, so der ADFC-Vorwurf. Die Lobby der Radfahrer interpretiert das Aus für die Radwege an der Buerschen Straße daher so: „Verkehrswende in Gladbeck ade.“