Gladbeck. Das Modell der Erich-Kästner-Realschule in Gladbeck kommt bei Lehrern und Schülern gut an – und verbessert die Mathenoten.
„Wertschätzung, Eigenverantwortung, Partizipation.“ Das war die Antwort, die die Verantwortlichen der Gladbecker Erich-Kästner-Realschule einst gaben. Gefragt hatte eine Unternehmensberatung, die der Schule bei der Entwicklung hilft, nach den drei Begriffen, die die Schule ausmachen. „Und da haben wir dann überlegt: Wie können wir den Schülern denn die Möglichkeit geben, Verantwortung zu übernehmen?“ Schulleiter Ulrich Elsen ist hörbar stolz auf die Antwort. Kann er auch sein.
Denn das Konzept, dass Schüler der 9. und 10. Klasse ihren Mathelehrer wählen dürfen, bis zu achtmal zwischen den fünf Parallelkursen hin- und herwechseln können, hat Erfolg. Nicht nur, dass sich die Mathenoten der Schüler im Schnitt um eine Note verbessern. Auch die Lehrer und Schüler sind gleichermaßen angetan von dem Konzept. Max und Hanane, zum Beispiel, beide 15 Jahre alt, beide in der 9. Klasse. „Der eine versteht sich mit einem Lehrer besser, der andere mag lieber, wie ein anderer die Dinge erklärt“, sagt Max, und Hanane nickt.
Schüler wählen Mathelehrer – und beide Seiten profitieren
Mathelehrerin Sabrina Habig sieht das ganz genauso, von der anderen Seite des Pults. „Wenn man ganz unvoreingenommen in einen Kurs geht und die Schüler nicht kennt, dann arbeitet man nicht nach alten Mustern. Für die Schüler gilt das genauso.“ Dank des Feedbackbogens hat es für die Lehrer sogar einen Mehrwert, wenn Schüler ihren Kurs verlassen. „Dann können wir ja sehen, warum der Schüler lieber bei einem anderen Kollegen lernen will, was ihm bei uns vielleicht nicht gefallen hat, was wir besser machen können.“
Nach jeder Klassenarbeit, also zweimal im Quartal, können die Schüler in einen der fünf Kurse wechseln. Besteht da nicht die Gefahr, dass am Ende alle Neuntklässler bei einem Lehrer sitzen und die anderen vier gar nichts zu tun haben? „Den Fall hatten wir noch nie“, sagt Sabrina Habig, und das Modell läuft ja schon seit über zehn Jahren. Hanane und Max sind das beste Beispiel, „wir sind beide im Kurs eines Lehrers, der den Ruf hat, sehr streng zu sein.“ Aber auch der finde seine Gruppe, so Habig.
Realschule in Gladbeck ist äußerst beliebt
Das Mathe-Modell der Erich-Kästner-Realschule in Gladbeck – als Teil des Gesamtkonzepts – macht die Schule bei Gladbecker Eltern außerordentlich beliebt. Vom 12. bis zum 16. Februar fand die Anmeldewoche für die neuen Fünftklässler des Schuljahres 2024/2025 statt. Auf die 90 Plätze, die die Realschule zu vergeben hat, kamen über 200 Anmeldungen.
Noch ein Vorteil des Gladbecker Modells: kleine Kurse
Und so hat das Modell gleich noch zwei weitere Vorteile: Die fünf Kurse sind klein, 20 statt 30 Schüler, manchmal sogar nur zehn. „Da hat der Lehrer mehr Zeit für einzelne Schüler, Fragen werden viel schneller beantwortet“, sagt Max. Und: Wenn mal ein Lehrer fehlt, werden seine Schüler einfach auf die anderen Kurse verteilt. Die finden nämlich immer zeitgleich statt, sind im Stoff gleich weit und schreiben dieselben Klassenarbeiten – dafür sorgen Habig und ihre Kollegen einmal wöchentlich in einer Art „Team-Treffen“.
„Das ist natürlich ein wichtiger Erfolgsfaktor für das Modell, dass die Kollegen so engagiert mitmachen“, sagt Ulrich Elsen, „jeweils zwei Kollegen arbeiten eine Unterrichtsreihe aus, das kommt allen anderen zugute.“ Dass die Erich-Kästner-Realschule das Projekt überhaupt in Angriff nehmen konnte, hängt auch mit der dicken Mathelehrer-Personaldecke zusammen: Zehn Lehrer hat die Schule, „und es wird niemand gezwungen, an dem Projekt teilzunehmen“, so Elsen. Das Deutschkollegium will bald nachziehen, dort hapert es momentan noch an der Lehrerdichte.
„Die Schüler übernehmen tatsächlich Eigenverantwortung“
Besteht bei so einem Modell nicht das Risiko, dass die Schüler die neuen Freiheiten ein wenig „ausnutzen“? „Wir haben am Anfang auf den Feedbackbögen manchmal gelesen, dass jemand mit seiner besten Freundin im Kurs sein wollte. Aber das hat sich schnell gelegt“, sagt Sabine Habig. Also noch ein Erfolgsnachweis: Die Schüler übernehmen tatsächlich Eigenverantwortung. „Man merkt, in welchem Kurs man am besten lernt“, stellt Max fest und nickt.
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Ein Mathe-Problem, dass selbst dieses Modell nicht bewältigen kann, bleibt indes bestehen, sagt Ulrich Elsen. „Dass man Mathe ganz furchtbar findet und es in der Schule nicht konnte, das darf man ja sagen. Schauen Sie mal eine Talkshow, da sagt das immer mindestens einer. Und wer mit so einer Einstellung in den Matheunterricht geht, der sabotiert sich selber.“ Da sollte man sich doch lieber ein Vorbild an Ahmad nehmen. Der begründete seinen Wechselwunsch nämlich damit, dass er in Mathe immer eine „1“ hatte und jetzt mal schauen wollte, ob das bei einem anderen Lehrer auch so bleiben würde. Ulrich Elsen grinst. „Hat geklappt, die ‚1‘ hatte er weiterhin.“