Gladbeck. In Gladbeck herrscht ein eklatantes Ungleichgewicht zwischen Straßen, die nach Männern und Frauen benannt sind. Das schadet der Gleichstellung.

Astrid Lindgren? Bekannt, klar, Pippi Langstrumpf und so weiter. Marie Curie? Auch, ihre Entdeckung beschäftigt die Welt, leider, noch heute. Aber kennen Sie Elisabeth Brune? Die war ein Gründungsmitglied der SPD in Gladbeck. Erna-Johanna Fiebig, den Namen der Journalistin haben Sie früher vielleicht mal in dieser Zeitung gelesen.

Brune und Fiebig haben etwas gemeinsam. Nach ihnen sind keine Straßen in der Stadt benannt. Wenig verwunderlich, das Ungleichgewicht in Gladbeck ist groß, sechs Straßen mit Frauennamen stehen über 60 Straßen mit Männernamen gegenüber. Und das in Zeiten, in denen die Gleichberechtigung eigentlich längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen sein sollte.

Politik und Gesellschaft in Gladbeck waren von Männern dominiert

Ulla Habelt passt das natürlich nicht. „Klar, als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt“, sagt sie, und muss schmunzeln. Sie sieht die Sache aber auch pragmatisch. „Eine Straße nach einer Frau zu benennen, das muss passen. Gibt es einen Ortsbezug, hat die Frau vor Ort gewirkt?“ Dass die Ungleichheit in Sachen Straßennamen so groß ist, überrascht Habelt nicht.

Die Politik, wie die Stadtgesellschaft, seien gerade früher von Männern dominiert worden. „Die haben eben entsprechende Vorschläge gemacht.“ Zur Einordnung: Mit Bettina Weist steht momentan die erste Frau überhaupt an der Spitze der Stadt. „Die Männer kannten sich untereinander, dazu kamen die verschiedenen Vereine, die auch von Männern geführt wurden.“ Die logische Konsequenz: Straßen, die nach Männern benannt wurden.

Straßen nach Frauen benennen: „Das ist bewusstseinsbildend“

Gäbe es mehr Straßen in der Stadt, die an Frauen erinnern, es wäre der Gleichstellung zuträglich. Findet Ulla Habelt. „Schon alleine, weil man darüber nachdenkt. Wenn man dort wohnt, aber auch, wenn man einfach dort entlanggeht.“ Frauen werden bekanntgemacht, so könnte man es auch sagen, vielleicht sogar mit Hinweisschildern unter den eigentlichen Straßennamen. „Das ist bewusstseinsbildend, ermutigend für junge Mädchen, für die die Frauen auf den Schildern Vorbilder sein können.“

Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Gladbeck, Ulla Habelt, baut auf Straßen, die nach Frauen benannt werden: „Das ist bewusstseinsbildend.“
Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Gladbeck, Ulla Habelt, baut auf Straßen, die nach Frauen benannt werden: „Das ist bewusstseinsbildend.“ © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Wie der Elisabeth-Selbert-Weg. Der erschließt künftig das Neubaugebiet an der Johowstraße und erinnert an eine der vier „Mütter des Grundgesetzes“. Zusammen mit 61 Männern verfasste sie mit nur drei Mitstreiterinnen das Grundgesetz – und konnte nach mehreren Anläufen schließlich den Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ in Artikel 3 unterbringen.

Nach welchen Frauen könnten Straßen in Gladbeck benannt werden

Nun ist es nicht so, dass in Gladbeck am laufenden Bande Neubaugebiete mit frischen Straßen aus dem Boden gestampft werden. Trotzdem, findet Ulla Habelt, sei es wichtig, gerade bei den wenigen, die dazukommen, für Frauennamen zu plädieren. Denn zur Wahrheit gehört auch: Keiner der sechs Frauennamen auf Straßenschildern in der Stadt erinnert an eine Gladbeckerin. Aber welche kämen überhaupt in Frage?

Da wären zum einen Elisabeth Brune und Erna-Johanna Fiebig. Oder Elisabeth Jacobi, Lehrerin und Schulleiterin des Riesener-Gymnasiums, das damals noch das Mädchen-Lyzeum war. Und die vor allem den „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung“ gründete, unmittelbar nach dem Fall des NS-Regimes.

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Oder Ida Kaufmann, verschleppt nach und ermordet im Ghetto Theresienstadt. Dann wird es schon eng. Natürlich gibt es in der Stadt noch mehr bekannte Frauen, die sich um Gladbeck verdient gemacht haben. Bloß leben die alle noch. Damit eine Straße nach einer Person benannt werden darf, muss die schon gestorben sein. Bis die Gladbecker über die Bettina-Weist-Allee flanieren können, dauert es also noch ein paar Jahrzehnte.