Gladbeck. Der Rettungsdienst der Feuerwehr Gladbeck wird immer wieder zu Einsätzen gerufen, die keine Notfälle sind. Doch Fachleute zeigen Verständnis.

In Nachbarstädten, aber auch anderswo im Land, schieben Feuerwehrleute zunehmend Frust. Immer häufiger werde der Rettungsdienst alarmiert, obwohl kein Notfall vorliege. Sogar das Wort „Missbrauch“ fällt in der Diskussion. Die Experten der FeuerwehrGladbeck betrachten das Thema indes anders.

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Georg Fragemann, Leiter der Abteilung Rettungsdienst, mag keine mutwillige Ausnutzung unterstellen, sondern betont: „Alle Leute rufen in guter Absicht an. Erkennbar ist eine Hilflosigkeit. Die Menschen werden immer älter.“ Viele seien einsam, säßen allein zu Hause und hätten oft keinen, der in einer schwierigen Situation für sie da sei. Dabei sei eine Notlage oft subjektiv. Fragemann spricht von Überforderung.

Gladbecker Feuerwehr-Experten: „Jeder Einsatz wird ernst genommen“

Beispiel: „Jemand hat vielleicht ein Kreislaufproblem, fühlt sich unwohl, ist besorgt.“ Und was tun in diesem Moment? Mal eben zur ärztlichen Bereitschaft fahren, das sei für viele Menschen einfach unmöglich. „Die Telefonnummer 112 ist in aller Munde. Dort rufen die Menschen an. Dabei gilt bundesweit die 19222 für den Krankentransport“, unterstreicht der Fachmann.

Georg Fragemann, Leiter des Rettungsdienstes bei der Feuerwehr Gladbeck, weiß: Viele Menschen sind in einer außergewöhnlichen Situation schlichtweg überfordert.
Georg Fragemann, Leiter des Rettungsdienstes bei der Feuerwehr Gladbeck, weiß: Viele Menschen sind in einer außergewöhnlichen Situation schlichtweg überfordert. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Gladbecks Feuerwehrchef Thorsten Koryttko weist darauf hin: „Bei der 19222 sollte eine Einweisung ins Krankenhaus vorliegen.“ Denn: „Wenn wir kommen, steht nach der medizinischen Behandlung vor Ort der Transport ins Krankenhaus an. Dann sagen Menschen oft: ,Da wollte ich eigentlich nicht hin’.“

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Deshalb raten Fragemann und Koryttko: „Uns nicht über den Notruf 112 anrufen, sondern eben über die 19222.“ Darauf verweist auch Svenja Küchmeister, Sprecherin der Kreisverwaltung Recklinghausen: „Dort ist die Leitstelle, die die Einsatzkräfte alarmiert.“ Die Belegschaft in der Zentrale sei sehr gut geschult, um Situationen zu beurteilen.

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Gladbecks Feuerwehrchef Thorsten Koryttko weist darauf hin, dass auch vermeintlich kleinere Beschwerden eine Gefahr für die Gesundheit sein können.
Gladbecks Feuerwehrchef Thorsten Koryttko weist darauf hin, dass auch vermeintlich kleinere Beschwerden eine Gefahr für die Gesundheit sein können. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Auch wenn die oberste Maxime laute: Die Feuerwehr fährt hin – immer. „Im Zweifelsfall gilt: Lieber rausfahren und eventuell feststellen, das war kein Notfall. Wir möchten nicht verantworten, dass jemand zu Schaden kommt“, sagt Küchmeister. Fragemann und Koryttko bekräftigen ebenfalls: „Jeder Einsatz wird ernst genommen.“

Das kostet ein Einsatz

„Die Gebühren für RTW-Einsätze richten sich nach einer Gebührenordnung, die in jeder Stadt anders festgelegt ist“, erklärt Fachmann Georg Fragemann. In Gladbeck handele es sich um 459 Euro. Bei der Festsetzung der Gebühren werden stadtspezifische Faktoren zugrunde gelegt, beispielsweise gesellschaftliche und soziale Besonderheiten, die Auswirkungen auf den Rettungsdienst haben. Denkbar wäre unter anderem eine große lokale Drogenszene.

Gladbecks Feuerwehrchef Thorsten Koryttko macht klar: „Die Krankenkasse zahlt am Ende.“ Steigen die Kosten für den Rettungsdienst stark, „fällt das irgendwann auf jeden einzelnen Zahler zurück, wenn die Beiträge angehoben werden“. Koryttko ergänzt: „Es kann unter Umständen auch passieren, dass eine Privatrechnung für einen Einsatz kommt.“

Eine Zahl, wie oft der Rettungsdienst zu so- genannten Fehleinsätzen ausrückt, nennt die Kreissprecherin nicht: „Wir führen darüber keine Statistik.“ Eine grundlegende Frage sei ja schließlich: Was ist denn eigentlich überhaupt eine Bagatelle? Da nimmt Küchmeister, wie die Gladbecker Feuerwehr-Experten, die Bevölkerung in Schutz: „Der Bürger an sich ist Laie. Er kann nicht immer feststellen, ob es sich um einen Notfall handelt oder nicht.“

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Svenja Kuechmeister, Sprecherin in der Kreisverwaltung Recklinghausen, stellt klar: „Wir möchten nicht verantworten, dass jemand zu Schaden kommt.“
Svenja Kuechmeister, Sprecherin in der Kreisverwaltung Recklinghausen, stellt klar: „Wir möchten nicht verantworten, dass jemand zu Schaden kommt.“ © WAZ | WAZ

Darin ist sie sich einig mit Koryttko und Fragemann. Zumal jeder Mensch unterschiedlich auf Stress reagiere, „mancher ist einfach überfordert“, haben die Gladbecker erfahren. Dabei ist es dem Feuerwehrchef wichtig zu sagen: „Bagatell-Einsätze gehen nicht nur von älteren Menschen aus. Sie ziehen sich quer durch die Gesellschaft, alle Altersgruppen und Schichten.“

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Eine Verallgemeinerung, was überhaupt unter dem Begriff Bagatell-Einsatz zu verstehen ist, sei nicht möglich, hebt Fragemann hervor und hat auch gleich ein Beispiel parat. Für den einen mag’s ein harmloser Insektenstich sein, für einen anderen kann’s brenzlig werden, weil er allergisch reagiert. Ein Schnitt in den Finger macht vielen Menschen keine Sorgen. Dann kommt eben ein Pflaster drauf. „Wenn jemand aber Herz-Medikamente nimmt, sieht die Lage anders aus“, sagt Koryttko. Svenja Küchmeister verweist auf unspezifische Anzeichen für einen Herzinfarkt bei Frauen. Hinter Schmerzen im Nacken, um nur ein Symptom zu nennen, könnte etwas Schwerwiegenderes stecken. Außerdem, so Fragemann: „Man sollte nicht zwei, drei Tage warten, bis man sich meldet.“

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Ein Anruf in der Leitstelle mache also Sinn, um weitere Schritte abzuklären. Zudem werde auf diesem Wege nicht der Notruf 112 blockiert, nennen die Feuerwehr-Männer ein weiteres Argument. Fragemann: „Wir haben 43 Leute für die Notfallrettung.“ Die Feuerwehr Gladbeck hält drei Rettungswagen (RTW) und zwei Krankentransportfahrzeuge vor. Koryttko fügt hinzu: „Den Notarzt haben wir durch einen Vertrag mit dem St.-Barbara-Hospital geregelt.“

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