Gladbeck. Ein Ehepaar aus Gladbeck wandte sich an die Notfallnummer 116 117, aber Hilfe kam nicht an. Der WAZ erzählen die Zweckeler die ganze Geschichte.

Erika Korte ist – gelinde gesagt – richtig verärgert und auch erschüttert. Da benötigt die Zweckelerin am Wochenende ärztliche Hilfe für ihren verletzten Mann, kämpft sich unter der Notfallnummer 116 117 durch, bis sie jemandem ihr Problem schildern kann. Der Besuch eines Arztes wird ihr zugesagt, so die 70-Jährige. Aber: Niemand kommt zu dem Ehepaar.

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„116 117 soll die zentral geschaltete Notfallnummer sein. Wer jedoch unter dieser Nummer anruft und um den Besuch eines Notfallmediziners bittet, erlebt einen Akt von Ignoranz.“ Es sei schon ein Kampf, überhaupt „durchzukommen“: „Bis man sich durchgearbeitet hat, dauert es.“ Nach etwa 15 bis 20 Ansagen sei zu hören gewesen: „Zur Zeit sind leider alle Nummern besetzt.“ Doch diese Hürde überwand Erika Korte, ein erster Schritt – mehr nicht. Denn die Geduld des Ehepaares aus Gladbeck wurde weiter auf eine harte Probe gestellt.

Die Geduld des Gladbecker Ehepaares wird auf eine harte Probe gestellt

Sie sei zunächst nach ihrer Postleitzahl gefragt worden, sagt die 70-Jährige. „Nach umständlichem Durchklicken wird ein Protokoll aufgenommen. Man wird an die Notfallambulanz im St.-Barbara-Hospital Gladbeck verwiesen“, erzählt Erika Korte.

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Mal eben ins Auto springen und ins Krankenhaus fahren, das war eben nicht so einfach zu machen. Die 70-Jährige erläutert: „Mein Mann konnte sich nach einem Sturz nicht bewegen. Er hatte eine riesige Prellung am Rücken. Ich wollte, dass ein Notfallmediziner zu uns nach Hause kommt, damit er meinem Mann eine Schmerzspritze gibt. Den Transport ins Krankenhaus hätte ich dann übernommen.“

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Im St.-Barbara-Hospital in Gladbeck wurde dem verletzten Zweckeler schließlich geholfen. Seine Frau brachte ihn ins Krankenhaus.
Im St.-Barbara-Hospital in Gladbeck wurde dem verletzten Zweckeler schließlich geholfen. Seine Frau brachte ihn ins Krankenhaus. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Sie sei an den Rettungsdienst der Feuerwehr verwiesen worden, aber „den soll man doch nur in lebensbedrohlichen Situationen rufen“, weiß Erika Korte. Sie habe bei der zentralen Notrufnummer darauf beharrt, dass sie den Hausbesuch eines Notfallmediziners brauche. „Es wurde schließlich behauptet, dass das jetzt geschehe. Man solle erreichbar sein, weil sich der Mediziner melden würde“, so die Zweckelerin. Sie solle daher sicherstellen, dass die Telefonleitung nicht besetzt sei. Das habe sie getan – und auf den ersehnten Anruf gelauert. Vergebens: „Es erschien weder ein Notfallmediziner, noch erfolgte ein Anruf.“

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Bis 17 Uhr wartete das Ehepaar, seit 14 Uhr: „Dann ist mein Mann ins Auto gekrochen.“ Sie habe den 72-Jährigen notgedrungen selbst ins St.-Barbara-Hospital gebracht. In der dortigen Notfallambulanz habe sich in Gesprächen mit anderen Menschen herausgestellt: „Unsere Erfahrung scheint kein Einzelfall zu sein!“ Erika Korte meint: „Man kann sich bei der zentralen Stelle jetzt nicht mehr herausreden, dass wegen Corona alles blockiert ist. Früher gab es in Gladbeck eine Notfallpraxis, und es war ein Arzt im Dienst. Da ist jetzt keiner mehr.“ Ihr Mann habe endlich die Schmerzspritze erhalten: „Um 19.30 Uhr waren wir raus aus der Ambulanz.“

Die Gladbeckerin hat sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung beschwert

Erika Korte findet: „Das jetzige System ist nicht gut. In einer Stadt mit rund 70.000 Einwohnern muss doch gewährleistet sein, dass aus dem näheren Umfeld schnell ein Arzt kommen kann.“ Erika Korte fragt sich: „Was machen Leute, die allein und auf Hilfe angewiesen sind? Was ist bei einem Herzinfarkt?“ Sie habe übrigens überprüft, ob doch noch ein Anruf zu Hause angekommen sei: nein.

Was sagt die zuständige KVWL zu dem geschilderten Geschehen?

Sie habe sich schriftlich über den Vorgang bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) beschwert. Deren Sprecherin Jana Elbert erklärt auf WAZ-Anfrage, dass sie keine weiteren Informationen zum dargestellten Vorgang zur Verfügung stellen könne: „Wenn sich die Patientin bei unserer Beschwerdestelle gemeldet hat, werden die Kollegen sich mit ihr in Verbindung setzen und den Fall aufarbeiten.“ Aus Datenschutzgründen sei es nicht möglich, Details zu nennen. Weitere Beschwerden „zum Notfalldienst im St.-Barbara-Hospital oder zum Fahrdienst in Gladbeck sind uns nicht bekannt“.

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Elbert bestätigt jedoch: „Generell wird unter der 116 117 auch der Patiententransport organisiert.“ Die Sprecherin erklärt: „Dieser Dienst ist unabhängig vom Dienst in der Notfalldienstpraxis. Es gibt also einen sogenannten Sitzdienst (in der Notfalldienstpraxis) und einen Fahrdienst (für Hausbesuche).“

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