Gladbeck. In Gladbeck ist der Steinkauz vielerorts zu entdecken. Experte vom Hegering findet: Dieser hochinteressante Vogel ist besonders schützenswert.
Westfalen und der Niederrhein haben bekannte Wahrzeichen: Wälder und Schlösser sowie Kopfweiden zählen zu den populärsten. Doch in diesen Gefilden ist auch ein Vogel zu Hause, der aus Sicht von Gerd Tersluisen, Fachmann beim HegeringGladbeck, etwas ganz Besonderes – und deshalb unbedingt Schützenswertes – ist: der Steinkauz.
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Wer hätte schon gewusst, dass diese kleine Eule im besagten Raum 75 Prozent des Gesamtbestandes in Deutschland erreicht? „Die fehlenden 25 Prozent verteilen sich auf alle anderen Bundesländer“, sagt Tersluisen. In Gladbeck gebe es den Steinkauz an vielen Stellen: „Dank des Einsatzes der jagenden Bauern und einzelner Vogelschützer.“ Tersluisen berichtet: „Auf fast allen Höfen haben die Bauern Nisthilfen in ihren Scheunen angebracht, mit denen sie dem Steinkauz und der Schleiereule eine Brutmöglichkeit bieten.“
Viele Steinkäuze wurden Opfer einer abergläubischen Gewohnheit
Johannes Beckmann hat beispielsweise auf dem Familien-Anwesen in knorrigen alten Bäumen „Appartements“ für Eulen aufgehängt, die lautlos auf der Suche nach Beute durch die Nacht fliegen. Obwohl: Von lautlos kann beim Steinkauz eigentlich keine Rede sein, auch tagsüber nicht. Wegen seiner Rufe bekam er einst einen zweifelhaften Beinamen verpasst: Totenvogel.
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„Noch vor 70 Jahren war die Aufbahrung eines Verstorbenen im Hause üblich. Drei Tage und Nächte lang beteten Verwandte, Nachbarn und Freunde an der Bahre. Kerzenlicht erleuchtete das Zimmer. Vor dem erleuchteten Fenster sammelten sich viele Nachtfalter, die zur willkommenen Beute einer kleinen Eule wurden“, erzählt der Hegering-Experte anschaulich. Der Ruf „Kuwitt, Kuwitt“, der oftmals den Jagdzug des Steinkauzes begleitet, wurde damals als „Komm mit, komm mit!“ verstanden. „Und schon hatte der liebenswerte Kobold den Namen ,Totenvogel’ weg.“ Noch schlimmer. Tersluisen weiß: „Um Tod und weiteres Unheil von den Häusern fernzuhalten, wurde dieser Vogel, aber auch der ähnlich rufende Waldkauz, seinerzeit mit gespreizten Schwingen ans Scheunentor genagelt.“
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Diese abergläubische Gewohnheit gehört zwar längst der Vergangenheit an, aber für den Steinkauz ist das Dasein trotzdem nicht der Himmel auf Erden. Tersluisen: „Um jedes Dorf in Deutschland zog sich noch bis vor wenigen Jahren ein Obstgürtel. Streuobstwiesen boten dem Steinkauz und vielen anderen Höhlenbrütern hohle Bäume als Nistmöglichkeit und einen reich gedeckten Tisch. Damals gab es den Vogel flächendeckend in allen Bundesländern.“
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Doch dieses paradiesische Schlemmerland hat seine Tore mittlerweile geschlossen: „Der Wegfall der ökologisch wichtigen Streuobstwiesen, aber auch der Käfervielfalt und der Weidewirtschaft führte zum Auslöschen der meisten Bestände des kleinen Kauzes.“ Erleichtert fügt der Natur-Experte hinzu: „Bei uns ist aber die Welt dieses Vogels offensichtlich noch in Ordnung. Hier findet er sein Auskommen.“
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Tersluisen: „Ich habe mir das Fotoprojekt ,Steinkauz’ vorgenommen, dessen zweite Hälfte im kommenden Jahr verwirklicht werden soll. Für meine Aufnahmen suchte und fand ich die Brut eines Paares in einer Naturhöhle.“ Er habe einen Einblick in das spannende Leben des Kauzes gewinnen können.
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Dieser misst 20 bis 22 Zentimeter und hat eine Flügelspannweite von 50 bis 55 Zentimetern. Er ist damit die drittkleinste Eule unter den elf europäischen Arten. „Der Steinkauz ist eine der entzückendsten kleinen Eulenarten – vor allem wegen seines drolligen Verhaltens“, schwärmt der Fachmann, „wenn er mit seinen schwefelgelben Augen neugierig aus seine Schlafhöhle lugt, oder wenn er seine Erregung durch lebhaftes Rufen und ein sehr charakteristisches Knicksen ausdrückt, so wirkt er wie ein kleiner Kobold.“ Sein Schnabel erinnere an eine Nase: „Sein Gesicht hat somit menschliche Züge.“
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Der Vogel der Weisheit
Ein völlig anderes Verhältnis zu dieser Eule hatten die Griechen. Gerd Tersluisen erklärt: „Schon im antiken Griechenland wurde dieser kleine Kauz als Vogel der Weisheit und als Sinnbild der Göttin Athene hoch verehrt. Darauf weist auch sein wissenschaftlicher Name ,Athene noctua’ hin, was so viel heißt wie ,nächtliche Athene’.“
Die Währung der Griechen wurde von Beginn an mit dem Bild dieser Eule geprägt. Der Experte beim Hegering Gladbeck: „Daher kommt auch der Spruch ,Eulen nach Athen tragen’. Man trug damals das Zahlungsmittel ,Eule’ nach Athen, um dort Geschäfte zu machen. Heute finden wir diese antike Münzprägung als genaues Abbild der historischen Prägung auf der 1-Euro-Münze der Griechen wieder.“
Steinkäuze gehen eine lebenslange Verbindung ein. Als Brutplatz bevorzugen sie, so Tersluisen, natürliche Höhlen in Obstbäumen, Kopfweiden, Kaninchenbauten, Mauerlöchern, Felsspalten und auch Steinhaufen. Daher erhielt der Steinkauz seinen deutschen Namen. Drei bis fünf Eier liegen in der Bruthöhle. Tersluisen beschreibt ein typisches Verhalten: „Wenn der weibliche Vogel brütet, sitzt der männliche Vogel in der Nähe und wacht über alle Ereignisse in Höhlennähe. Bei Gefahr warnt er den brütenden Steinkauz, knickst mehrfach und fliegt zu einem anderen Ort. Von dort beobachtet er die Situation weiterhin genau.“
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Der Fachmann erläutert: „Der Steinkauz ist meist am frühen Morgen und am frühen Abend aktiv. Er jagt im freien Gelände. Wälder meidet er.“ Mal fliegt er, mal ist er auch zu Fuß unterwegs. Lieblingsessen sind vor allem Lauf- und Mistkäfer, Ohr- und Regenwürmer, Mäuse und kleine Vögel. Aufmerksame Naturgänger können die unverdaulichen Überreste entdecken: Speiballen.
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„Im kommenden Jahr möchte ich mein Steinkauz-Projekt mit Aufnahmen der Balz und dem Ausfliegen der Jungvögel abschließen“, kündigt Tersluisen an. Gleichzeitig plant er Beobachtungen von Schleiereulen und Waldkäuzen.