Gladbeck. Menschen, die die Tafel aufsuchen, werden in Zeiten von Corona immer jünger. Vorsitzender erwartet in einem Jahr noch deutlich mehr neue Kunden.
Immer mehr Menschen wenden sich an die Tafel in Gladbeck. „Wir haben im Moment großen Zulauf“, so Vorsitzender Dietmar Tervooren. Vor allem von Aufstockern, die bisher nicht auf die Tafel angewiesen waren. Tervooren rechnet damit, dass etwa Mitte nächsten Jahres noch einmal viele weitere Menschen auf die Unterstützung angewiesen sein werden.
Denn: „Diejenigen, die aufgrund von Corona arbeitslos geworden sind, bekommen jetzt erst einmal ein Jahr Arbeitslosengeld I, damit kommen viele zurecht“, so Tervooren. Aber sobald sie nach einem Jahr in Hartz IV abrutschten, „werden wir viele von ihnen nächstes Jahr bei uns sehen“. Aber schon jetzt gibt es viele Neu-Anmeldungen von Menschen im arbeitsfähigen Alter. „Cafés, Kneipen, Hotels – alle haben geschlossen.“ Fallen deshalb in diesen Branchen die Nebenjobs weg, müssen nun auch diejenigen zur Tafel gehen, die deren Leistung aufgrund ihrer Nebeneinkünfte bisher nicht in Anspruch nehmen mussten.
Auch Bewohner der Brand-Hochhauses sind nun Kunden
Zu den neuen Kunden der Tafel gehören auch Bewohner des Brand-Hochhauses am Busfortshof. „Wir haben fünf Anmeldungen von Großfamilien bekommen, die zuletzt ihre Wohnungen verlassen mussten“, so Tafel-Vorsitzender Dietmar Tervooren. Sie durften nur das Nötigste aus ihren Wohnungen holen, bevor sie auf andere Unterkünfte ausweichen mussten.
„Wenn sie ein zusätzliches Bett oder Tisch kaufen mussten, da sie in ihren neuen Unterkünften ja keine Möbel mitbringen konnten, fehlt das Geld einfach an anderer Stelle, so dass sie zur Tafel kommen müssen“, erklärt Tervooren.
Vielen Menschen fehlt die Einkommensperspektive
Immer wieder gab es Menschen, die in eine Notlage geraten waren und kurzfristig die Warenausgabe aufsuchten. „Gerät jemand in finanzielle Not, nehmen wir ihn für maximal einen Monat auch ohne offizielle Anmeldung auf.“ Doch diese Menschen kommen jetzt weniger. Jetzt sind es Kunden, die auf Dauer bleiben, sich offiziell anmelden. „Bei vielen fehlt die Einkommensperspektive komplett.“
Einige, die auf Hilfe angewiesen sind, kommen jetzt hingegen nicht zur Lebensmittelausgabe an der Bülser Straße. „Aber nicht etwa wegen plötzlichen Reichtums“, so Tervooren. „Es gibt Zeiten, etwa am Nachmittag, da sind die Busse schon mal voller.“ Viele Kunden – egal ob jung oder alt – wollen dann den ÖPNV nicht nutzen, aus Sorge vor einer Ansteckung. Aufgrund der neuen Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske im Nahverkehr laut dem aktuellen Infektionsschutzgesetz geht Tervooren davon aus, dass noch einmal weniger Menschen den Bus nutzen werden, denn: Für eine FFP2-Maske fehlt einfach das Geld. Für Risikogruppen – über 60-Jährige und Menschen mit Vorerkrankungen – hatten die Ehrenamtlichen bereits im vergangenen Jahr einen Lieferservice organisiert.
Kämen alle, die in der Kartei stehen, würde es mit der Lebensmittelversorgung eng werden
Die Tafel bedauert das Wegbleiben einiger Kunden nicht. „Wenn derzeit alle kämen, die in unserer Kartei stehen, würde es mit der Lebensmittelversorgung eng werden.“ 1300 Menschen, 450 Haushalte, gehören momentan zu den Kunden der Tafel. „Wir haben mal gesagt, dass unsere Kapazitätsgrenze bei 1200 Menschen liegt.“
Aber auch nach wie vor nimmt die Tafel regelmäßig neue Kunden auf, „da eben nicht immer alle regelmäßig kommen“. Lebensmittel bleiben dennoch nie übrig. Es wird einfach entsprechend mehr an diejenigen verteilt, die da sind. „Über eine Tüte Orangen mehr hat sich noch niemand beschwert.“