Duisburg-Marxloh. Marxloh ist eine Stadt innerhalb von Duisburg, findet die SPD und fordert daher ein Umdenken. Was das für die Menschen im Stadtteil bedeutet.
Marxloh befindet sich seit 1996 in diversen Fördermaßnahmen, seither sind fast 120 Millionen Euro in den Stadtteil geflossen. Und dennoch wirkt er wie ein Millionengrab, das sich regelmäßig destabilisiert. Daher fordern die Sozialdemokraten im Bezirk Hamborn jetzt einen Neuanfang. Marxloh soll offiziell als Ankunftsstadtteil anerkannt und alle dortigen Maßnahmen zur Stadtteilentwicklung entsprechend umgestellt werden. Das hat Auswirkungen auf die Stadtverwaltung, auf sämtliche Förderprojekte und damit letztlich auch auf das Leben der Menschen.
„Marxloh ist eine Stadt innerhalb der Stadt Duisburg“ mit teils ganz eigenen Anforderungen, erläutert Bezirksvertreter Claus Krönke. Diese seien in den letzten Jahrzehnten aber kaum beachtet worden und genau das müsse sich künftig ändern. Das Eingeständnis, es mit einem Ankunftsstadtteil zu tun zu haben, wird demnach weitreichende Konsequenzen haben. „Es bedeutet eine Neubetrachtung, von allem, was wir in Marxloh machen.“
Arbeit, Wohnung, Bildung: Das brauchen die Menschen im Ankunftsstadtteil Marxloh
Bei „Ankunftsstadtteil“ handelt es sich um einen wissenschaftlichen Begriff, wie Claus Krönke erklärt. Demnach ist eine hohe Fluktuation der Einwohner völlig normal, ob es sich um Marxloh handle oder um andere „Arrival Cities“ wie Brooklyn in New York, die Pariser Banlieues oder die Dortmunder Nordstadt.
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„Jeder ist uns willkommen und jeder soll die Chance bekommen, hier zu bleiben“, sagt Ratsherr Dieter Stradmann, der in dritter Generation dort lebt. Damit dies gelingt, müssten Neuankömmlinge schnell Arbeit und eine bezahlbare Wohnung finden und für sich und ihre Kinder sofort Zugang zu Bildung bekommen. Im Idealfall entsteht aus diesen Neumarxlohern die neue Mittelschicht, während andere lieber nach Alt-Hamborn, Röttgersbach oder in eine andere Stadt umziehen.
Dahinter verbirgt sich „keine Sozialromantik, sondern ein handfestes Konzept“, betont Christopher Hagenacker, der Fraktionsvorsitzende in der Bezirksvertretung. Dieses Konzept strebt eine Balance zwischen Integration und bedarfsgerechten ordnungsrechtlichen Maßnahmen an. Obgleich es ums große Ganze statt ums Kleinklein geht, gehört ausdrücklich auch dazu, dass die Nachtruhe eingehalten wird, sich keine wilden Müllkippen türmen und falsch abgestellte Autos abgeschleppt werden.
Es gibt zu viele unwirksame Projekte
Doch in einem zentralen Punkt geht es natürlich auch ums Geld. „Wir wissen gar nicht, wie viel Geld wir hier aktuell zur Verfügung haben“, macht Claus Krönke auf ein strukturelles Problem aufmerksam. Einen Überblick verschaffen soll sich ein künftiger Lenkungskreis, zunächst aus Verwaltung und Politik, der zudem die Stadtteilentwicklung neu ausrichtet. Dazu soll er ein Projekt-Controlling etablieren, also laufende Maßnahmen nach Prioritäten koordinieren und deren Wirksamkeit kontrollieren.
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„Dies soll Synergieeffekte und Doppelstrukturen aufzeigen“, so Krönke weiter. Vor allem geht es aber auch um die Frage, welchen Nutzen die Einwohner von bestimmten Angeboten haben. So könne man Projekte unterschiedlicher Akteure miteinander vernetzen und beispielsweise einen Tanzkurs mit einer Hausaufgabenhilfe kombinieren. Dagegen sollten erfolglose Projekte beendet werden, damit das Geld an anderer Stelle besser genutzt werden könne.
Die Einflussmöglichkeiten auf Fördertöpfe des Landes oder Bundes bleiben für die Lokalpolitik natürlich kaum existent, wie Bezirksbürgermeisterin Martina Herrmann ausführt. Sie befürwortet dennoch eine enge Vernetzung von Trägern und Akteuren, um aufzuzeigen, welche Maßnahmen dringend nötig und wo Zusammenarbeit möglich ist. Solch eine Kooperation könne man zumindest für kommunalgeförderte Maßnahmen vorschreiben. Als zentral für die Entwicklung des Stadtteils sieht sie die Bildung: „Wir brauchen schon vor dem Kindergarten Sprachförderung und müssen Kinder und ihre Eltern ab der Geburt betreuen.“
Marxloh braucht die besten Schulen und die besten Lehrer
Damit nicht genug, die SPD möchte in Marxloh die besten Schulen haben – von der Ausstattung bis zum Personal –, um den besonderen Herausforderungen eines Ankunftsstadtteils zu begegnen. „Da hat uns das Land aber bisher allein gelassen“, kritisiert Christopher Hagenacker, der in der Qualifizierung der Menschen eine Kernaufgabe sieht.
„Wir wollen nicht versprechen, dass Marxloh das Paradies wird oder ein zweites Röttgersbach“, sagt er, zumal das neue Konzept für den Ankunftsstadtteil kein Allheilmittel sei. Es braucht demnach weiterhin gemeinsame Anstrengungen aller Menschen im Stadtteil, aller Träger und Akteure, um die Situation zu verbessern. Doch dafür liefere das neue Konzept notwendige Impulse, und es ist für mindestens zehn Jahre angelegt. Ob es allerdings tatsächlich umgesetzt wird, darüber müssen erst noch die Bezirksvertretung und der Stadtrat entscheiden.
>> DIE KERNKRITERIEN EINES ANKUNFTSSTADTTEILS
● Eine „Arrival City“ folgt bei der Stadtteilentwicklung folgenden Kriterien: Sie ist eine Stadt in der Stadt, ist bezahlbar, gut erreichbar und bietet Arbeit, ist informell und informiert, ist selbstgebaut, ein Netzwerk aus Einwanderern und Alteingesessenen und braucht die besten Schulen.
● In einem Ankunftsstadtteil sollen Alteingesessene nicht vergessen und möglichst so eingebunden werden, dass sie sich trotz des Wandels in ihrer Heimat immer noch heimisch fühlen.