Duisburg-Marxloh. Der Verein „Tausche Bildung für Wohnen“ betreut benachteiligte Kinder in Marxloh. Das Bildungsprojekt ist nun virtuell, doch es fehlen Förderer.
Die Zukunft des Lernens kann man bereits jetzt in Marxloh erleben. Davon zumindest ist der Verein „Tausche Bildung für Wohnen“ überzeugt. Denn sein Bildungsprojekt, das benachteiligten Kindern hilft, läuft während der Corona-Krise erstmals digital.
„Wir mussten den Regelbetrieb komplett einstellen, aber wir wollten unbedingt eine Lösung für die Notsituation finden“, sagt Vereinssprecher René Krüger. Als das Vereinsgebäude geschlossen bleiben musste, haben die Mitglieder die „virtuelle Tauschbar“ entwickelt, angelehnt an das Projekt einer Kneipe, bei dem sich Gäste digital treffen. „So wurde aus einer Schnapsidee eine Zukunftsvision“, sagt Krüger.
Herzstück der digitalen Plattform sind Video-Chaträume
Die virtuelle Tauschbar ist optisch ans Vereinsgebäude angelehnt; im Kickerzimmer treiben die Kinder per Youtube Sport mit dem Kunstturnerpaar Michelle Timm und Marcel Nguyen, im Fischzimmer beobachten sie Haie und Quallen oder lernen im Garten den Regenwald kennen.
Herzstück der Tauschbar sind jedoch die passwortgeschützten Video-Chaträume für die Lernförderung und die Freizeit. Damit knüpfen Bildungspaten wie Raphael Beck an ihre bisherige Arbeit an. „In Marxloh gibt es viele Herausforderungen und viele Probleme, diese wollen wir mit unserem Projekt mit Bildung lösen und für die Kinder die Situation verbessern, indem wir Perspektiven schaffen“, sagt der 20-Jährige. Das sei, findet er, insbesondere während der Corona-Krise wichtig, die soziale Unterschiede noch verstärkt.
Angebot an Lernprogrammen ist stark gewachsen
„Präsenzunterricht ist immer einfacher“, sagt er, sieht aber auch Vorteile des virtuellen Lernens, nicht zuletzt weil im Internet das Angebot an kreativen und altersgerechten Lernprogrammen stark gewachsen sei. „Wir geben Einzelunterricht und die Kinder machen riesengroße Fortschritte.“ Die Lerngruppen waren aber auch vor Corona schon klein, auf einen Betreuer kamen vier Schüler, denen allen individuell geholfen wurde.
Diese Hilfe leisten die Bildungspaten nicht nur durch Unterricht, vielmehr versteht sich der Verein als Träger eines Jugendhauses, in dem alle respektvoll miteinander umgehen sollen. „Hier entstehen viele Freundschaften“, sagt Beck und betont, dass die Herkunft dabei keine Rolle spiele. Die größte Herausforderung sei jedoch die Armut teilnehmender Kinder. „Nicht alle Familien haben ein Laptop oder ein Handy, deshalb haben wir Tablets besorgt und verliehen und so die technischen Voraussetzungen geschaffen. Aber wir haben noch lange nicht genug.“
Das Projekt benötigt zusätzliches Geld für Technik und Personal
Ohnehin habe man die Leihgeräte, wie auch das gesamte Projekt nur mithilfe von Fördergeld finanzieren können, so René Krüger. Unterstützer sind unter anderem die Sparkassen-Stiftung und die Haniel-Stiftung. Derzeit ist die Teilnahme auf Kinder beschränkt, die schon vom Verein betreut werden. Doch die Mitglieder sehen mehr Potential in der Tauschbar und möchten sie langfristig, auch nach Corona, für alle interessierten Kinder öffnen. Sie sehen sie zudem als Inspiration für digitalen Schulunterricht.
„Wir sind Vorreiter“, ist Raphael Beck überzeugt. Doch bis die Tauschbar wachsen kann und vielleicht Schule macht, ist es noch ein langer Weg. Denn der Verein wird dies nicht aus eigener Kraft schaffen. Um die Tauschbar an den beiden Projektstandorten in Marxloh und Gelsenkirchen zu einer großen Plattform auszubauen, von der mehr als bisher gut 120 benachteiligte Schüler profitieren, muss mehr Geld her, unter anderem für Server, Programmierer, weitere Bildungspaten und für mehr Leihcomputer.
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Die Teilnahme stärkt das Selbstbewusstsein der Kinder
Deutlich größeren Bedarf an den Angeboten, als von „Tausche Bildung für Wohnen“ gedeckt werden kann, sieht auch Mitarbeiterin Anika Karp, zumal die Rückmeldungen durchweg positiv seien – und das nicht nur von Lehrern und Schulsozialpädagogen. „Die Eltern freuen sich, dass wir auch jetzt für ihre Kinder da sind“, sagt die 22-Jährige. Betreut werden Schüler, analog und virtuell, bis zur Klasse acht.
„Wir stärken die Kinder und ihr Selbstbewusstsein, weil wir uns an ihren Stärken orientieren.“ Dadurch würden sie vor allem wieder Spaß am Unterricht bekommen. „Die Kinder und wir sind aber heilfroh, wenn sie wieder zu uns kommen können.“
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>> Der Verein organisiert auch ein Ferienprogramm
- Für Kleinstgruppen mit zwei, drei Kindern öffnet der Verein seinen Altbau (An der Paulskirche 9) neuerdings wieder. Insgesamt 25 Mitarbeiter betreuen in Duisburg-Marxloh rund 80 und in Gelsenkirchen-Ückendorf circa 40 Kinder. Wegen Corona hat jedes Kind pro Woche nur einen Termin für die Lernförderung, sonst sind es zwei Termine pro Woche.
- Großprojekte während der Sommerferien werden diesmal durch Ausflüge und Freizeitprogramme für kleine Gruppen ersetzt.
- Die virtuelle Tauschbar gibt es auf tauschebildung.org; einige der Angebote sind frei verfügbar.