Duisburg. Seit fünf Jahren hilft das Projekt Welcome Geflüchteten in Duisburg und kann Erfolgsgeschichten erzählen. Wie sich das Angebot verändert hat.
Von Ahmed Mohammed Assan kann man mit Fug und Recht sagen, dass er angekommen ist in Duisburg. Fünf Jahre nach seiner Flucht aus Somalia über das Mittelmeer und Italien steckt er mitten in einer Ausbildung, mitten in der Familiengründung – und arbeitet jetzt selbst in der Flüchtlingshilfe.
Geholfen haben ihm das Projekt Welcome und Projektmanager Nils Szymanski von der Werkkiste, die neben dem Diakoniewerk seit 2016 die Träger für die Flüchtlings- und Jugendsozialarbeit ist.
Netzwerk aus professionellen und ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern in Duisburg
Inzwischen habe sich in Duisburg ein gutes Netzwerk aus professionellen und ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern etabliert, resümiert Szymanski. Es brauche einen Ansprechpartner, „und schon läuft es.“ Umgekehrt habe man auch von den Rückmeldungen der Geflüchteten lernen und die Angebote verbessern können, ergänzt Kollegin Lena Richter.
Assan, der aus Somalia ein Abitur mitgebracht hatte und studieren wollte, musste in Duisburg erkennen, dass es Geduld braucht. Während er Deutsch lernte und als Gasthörer die Uni besuchte, drohte ein Abschiebeverfahren. Die Kurzversion der für ihn bedrohlichen Situation: Die Werkkiste konnte ihm einen Anwalt mit Fachkenntnissen vermitteln und seit 2018 ist er als Flüchtling anerkannt.
Aufenthaltsgesetze werden permanent verschärft
Die Gesetze werden permanent verschärft und es braucht oft neue juristische Winkelzüge, um zum Ziel zu kommen, sagt Szymanski, Misserfolge inklusive, „du kannst nicht alle retten“. Um so schöner sei jeder kleine Erfolg, ergänzt Richter.
In Kauf nehmen sie auch, dass das Projekt Welcome jedes Jahr aufs Neue vom Land NRW finanziert werden muss und bis November auf der Kippe steht. So auch in diesem Jahr. Für 2020 stehen 95.000 Euro zur Verfügung.
Anfangs habe es sich an Jugendliche gerichtet, die noch keine Kontakte in Duisburg haben und ans Regelsystem herangeführt werden sollten. Inzwischen geht es um Sprache, Integration, berufliche Orientierung – und das Land als Geldgeber ging die Entwicklung mit.
Willkommen sagen und ein Lächeln schenken
Assan steckt voller Zuversicht: Erst will er seine Ausbildung als Bürokaufmann beenden, dann BWL studieren – und zwischendurch noch Papa werden, erzählt er strahlend. Eine eigene Wohnung hat er jetzt auch und er weiß: „Ich kann hier alles erreichen, es hängt nur an mir.“
Ehrensache, dass er auch anderen bei ihren ersten Schritten in Deutschland helfen will. „Ich weiß, was es heißt, Post zu bekommen und nicht zu verstehen, was drin steht“, erklärt der 23-Jährige. „Und wenn dich jemand anlächelt und ‘Willkommen’ sagt, tut das sehr gut.“
Neben der Sprache müssen die Geflüchteten vor allem die deutsche Tagesstruktur lernen. „Ich sage immer 9 Uhr deutsche Zeit, nicht afrikanische Zeit“, berichtet Szymanski und lachet. Assan ergänzt, dass es in Somalia keine festen Termine gebe und ganz andere Arten von Verbindlichkeit, daran habe er sich erst gewöhnen müssen. Entspannung findet er am Innenhafen, am Rhein, da wo es fließt, wo es weitergeht, „das hilft mir“.
Sprache lernen mit Händen, Füßen und der Übersetzer-App
Im TIKC – dem Treff im Kisten Café in Marxloh, ist reger Betrieb. Ein paar Schüler aus der internationalen Förderklasse des Elly-Heuss-Knapp-Gymnasiums sind gekommen, um Deutsch zu üben.
Wie hat man nur früher Sprachen vermittelt. Heute ist das Übersetzungsprogramm auf dem Handy der Retter in der Not. Mitarbeiterin Joyce beherrscht zwar einige Sprachen, die rumänischen Jugendlichen erreicht sie ohne technische Hilfe aber nicht.
Sie zeigt auf ihre Nase und die Ohren, benennt die Körperteile und übt mit ihren Schülern die Aussprache. „Ohr“ ertönt es kichernd im Chor. „Wir gehen über das Machen“, beschreibt Richter die Linie, die Kinder und Jugendlichen, die schon den halben Tag in der Schule saßen, lernen häufig beim gemeinsamen kochen, backen oder Laub fegen.
Viele bulgarische und rumänische Kinder kommen zum Deutsch lernen
Seit dem letzten Jahr hat sich die Arbeit der Werkkiste deutlich verändert. Waren es zuvor vor allem junge Menschen aus Kriegsländern wie Afghanistan und Syrien, so sitzen jetzt viele bulgarische und rumänische Kinder in den Sprachkursen.
Welcome ist eigentlich für junge Menschen zwischen 18 und 27 gedacht, aber hier wird auch den Jüngeren aus den Einstiegsklassen geholfen. Da haben wir ein katholisches Herz, begründet Richter den Pragmatismus. „Wir lassen keinen auf der Straße stehen.“
Suche nach einem Ausbildungsplatz wichtig
Die Herausforderungen haben sich in 2019 verändert“, heißt es auch im Sachbericht für den Jugendhilfeausschuss und den Integrationsrat: „Während für die Teilnehmenden in 2018 der Wunsch, die deutsche Sprache zu erlernen, noch an erster Stelle stand, wurde dieser in 2019 von der Suche nach einem Ausbildungsplatz verdrängt.“
Die Jugendlichen ohne Bleibeperspektive suchen vermehrt nach Ausbildungsstellen oder Qualifizierungen, die ihnen Schutz und ein eigenständiges Leben in Deutschland ermöglichen. Dem Bedürfnis kommen Projekte wie Welcome entgegen. In der Holz- und Metallwerkstatt oder über kleine Workshops und Aktionen können Talente entdeckt werden. Neben den Angeboten vor Ort legen sowohl die Werkkiste als auch das Diakoniewerk Wert auf Kontakte vor Ort, weshalb die Mitarbeiter regelmäßig in den Flüchtlingsunterkünften sind.
Auch die Vermittlung in Praktika sei hilfreich, berichtet Lena Richter. Gerade erst hat eine junge Frau eine Ausbildung zur Friseurin begonnen, Talent und Interesse seien da, die Sprachkenntnisse optimiere sie jetzt im täglichen Miteinander.
>>FLÜCHTLINGSHILFE IN ZAHLEN
2019 wurden insgesamt 205 Geflüchtete betreut, in der Werkkiste waren es 87 männliche und 14 weibliche Flüchtlinge. Sie kamen vornehmlich aus Afghanistan, Syrien, Somalia, Eritrea und dem Irak. 2018 waren es hier insgesamt 69 Geflüchtete.