Duisburg. Weltmarktführer, die keiner kennt: Eine Studie hat neun solcher Unternehmen in Duisburg ausgemacht. Das sind Duisburgs „Hidden Champions“.

Insgesamt 690 „Hidden Champions“ gibt es in Nordrhein-Westfalen. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine Studie des Forschungszentrums Mittelstand (FZM) der Universität Trier. Diese „versteckten Gewinner“ sind oft Weltmarktführer aus dem Mittelstand ohne Bekanntheit über Branchen und Stadtgrenzen hinaus. Nach den FZM-Kriterien haben in Duisburg neun solcher Unternehmen ihren Firmensitz.

„Hidden Champions gehören zu den erfolgreichsten Unternehmen ihrer Branche“, sagt Professor Dr. Jörn Block, Sprecher des FZM. Die Markenzeichen dieser Muster-Firmen: Sie fokussieren sich auf Nischen, exportieren stark und streben nach ständigem Wachstum. Die Nähe zum Kunden ist ihnen besonders wichtig, sie suchen kontinuierlich nach innovativen Lösungen und wollen Marktführer sein.

Duisburg: Diese Hidden Champions gibt es laut FZM in der Stadt

Für die Autoren der vom NRW-Wirtschaftsministerium beauftragten Studie zählen dabei folgende Kriterien:

  • Die Unternehmen gehören zu den Top drei auf dem Weltmarkt oder sind die Nummer eins in Europa.
  • Der Umsatz beträgt weniger als fünf Milliarden Euro.
  • Zudem sind die Unternehmen in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt.

[Duisburg-Newsletter gratis abonnieren + Seiten für Duisburg: Stadtseite + Blaulicht-Artikel + MSV + Stadtteile: Nord I Süd I West + Themenseiten: Wohnen & Immobilien I Gastronomie I Zoo]

Die meisten der so identifizierten Hidden Champions in NRW sind im Märkischen Kreis (50) beheimatet. Bei den Großstädten schneiden Köln (47) und Düsseldorf (34) besonders stark ab. Und das Revier? Duisburg, Dortmund und Essen kommen auf jeweils neun solcher Firmen; in Gelsenkirchen gibt es demnach sechs, in Bochum fünf und in Mülheim zwei dieser Unternehmen. Das sind die neun Gewinner aus Duisburg:

ELG: Vom Start-up zum Global Player

ELG ist ein Pionier im Recycling. Das Meidericher Unternehmen schließt den Kreis vom Schrott zu Rohstoffen für die Edelstahlindustrie und Luftfahrtbranche. Die Abkürzung ELG leitet sich aus Eisenlegierungen ab. Unter dem Namen wurde das Unternehmen 1962 gegründet. Durch Expansionen wuchs aus dem Start-up in fünf Jahrzehnten ein weltweit agierendes Unternehmen. Wichtiger Meilenstein: die Übernahme durch Haniel in den 1980er-Jahren. 2021 kaufte der luxemburgische Stahlkonzern Aperam das Unternehmen für 357 Millionen Euro (wir berichteten). Seitdem wird der Betrieb mit 1270 Mitarbeitern an 50 Standorten in 18 Ländern in der Aperam-Gruppe als eigenständige GmbH weitergeführt. 2021 erwirtschaftete ELG einen Umsatz von knapp zwei Milliarden Euro. Chef ist Dr. Donald Weir.

Die Firma ELG sieht sich als Spezialist für das Recycling von Rohstoffen.
Die Firma ELG sieht sich als Spezialist für das Recycling von Rohstoffen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Grillo-Werke in Hamborn: Spezialist für Zink und Schwefel

Die Grillo-Werke AG sind alles andere als unbekannt. Zählte Wilhelm Grillo doch zu den Gründervätern der Ruhr-Industrie. Straßen sind nach dem 1842 geschaffenen Unternehmen benannt. Heute ist Grillo Spezialist für Zink und Schwefel. Die 1400 Mitarbeiter produzieren in Deutschland, Belgien und Frankreich Produkte aus Zink und dessen Legierungen. Drähte, Bänder und Pulver gehören dazu.

Hauptsitz der Grillo-Werke ist nach wie vor Hamborn.
Hauptsitz der Grillo-Werke ist nach wie vor Hamborn. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Chemikalien für Faser- und Zellstoffe sowie die Futter- und Lebensmittelindustrie sind im Portfolio. Ebenso Zinkoxide für Hautcremes oder Arzneimittel. Und Bleche für Dächer und Fassaden. Geleitet wird die Aktiengesellschaft, die sich seit 1994 wieder vollständig im Familienbesitz befindet, von Ulrich Grillo. Im Geschäftsjahr 2020/2021 machte das Unternehmen einen Umsatz von 709 Millionen Euro. Hauptsitz ist nach wie vor Hamborn.

Auch interessant

Kamine von Hark: Energiekrise sorgt für lange Wartezeiten

Kamine von Hark? Davon gibt es bereits mehr als eine Million. Selbst im eisigen Sibirien. Über Nachfrage kann sich das Unternehmen in Rheinhausen nicht beklagen. Die Kunden suchen alternative Heizsysteme. Neukunden müssen bis zu einem Jahr warten.

In den vergangenen Jahrzehnten wuchs und expandierte das 1971 gegründete Unternehmen stetig. Zunächst wurden die Kamine und Kachelöfen in Rheinhausen vorgefertigt. Dann kaufte Hark Werke im Westerwald und in Bayern zu. Der Vertrieb wurde auf die neuen Bundesländer erweitert, später auf Polen und Tschechien. Im Angebot ist nun auch ein neuer Ofentyp, der den Verbrauch von Holz und den Ausstoß an Feinstaub deutlich reduziert. Geleitet wird das Familienunternehmen von Udo Hark, Sohn des Firmengründers Werner Hark. Umsatzzahlen veröffentlicht der Kaminbauer nicht.

Die Produktion beim Kaminbauer Hark in Rheinhausen.
Die Produktion beim Kaminbauer Hark in Rheinhausen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Knauf Interfer: Stahl und Aluminium auf Kundenwunsch

Neu ist Knauf Interfer SE in Duisburg nicht. Aber die Firmenzentrale wurde erst vor zwei Jahren von Essen nach Ruhrort verlegt, an den Standort des eigenen Werks Max Baum. Das Familienunternehmen verarbeitet Stahl und Aluminium. Und zwar so, wie die Industrie es braucht: vom Autoblech über dehnbaren Stahl bis zum geformten Profil eines Alu-Fensters. Ursprünglich gehörte das Unternehmen zur Stinnes AG. Es wurde nach der Übernahme von Stinnes durch die Deutsche Bahn an einen Investor und dann 2004 an den Dortmunder Unternehmer Albrecht Knauf verkauft, früher Mitinhaber der Fluggesellschaft Eurowings und Vizepräsident von Borussia Dortmund. Chef von Knauf Interfer ist Matthias Kessel-Knauf. An Standorten in Deutschland, den Niederlanden und Polen erwirtschaften knapp 1000 Mitarbeiter einen Umsatz von 500 Millionen Euro.

Knauf Interfer SE hat seinen Firmensitz 2020 von Essen nach Duisburg verlegt.
Knauf Interfer SE hat seinen Firmensitz 2020 von Essen nach Duisburg verlegt. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Krohne: High-Tech-Messtechnik für anspruchsvolle Aufgaben

Der Transport von Flüssig-Erdgas ist anspruchsvoll. Es wird auf bis zu minus 162 Grad Celsius gekühlt. Das schafft Ladekapazitäten in den Schiffen. Dafür braucht man sichere und genaue Messinstrumente, die das Duisburger Unternehmen Ludwig Krohne GmbH & Co. KG liefert. Das gilt auch für chemische Prozesse zur Herstellung von Medikamenten, Kunststoffen oder Pflanzenschutzmitteln. Oder den Betrieb einer Pipeline. Seine High-Tech-Messgeräte produziert und entwickelt das 1921 gegründete Familienunternehmen mit Hauptsitz in Duissern in weltweit 16 Werken. Und erwirtschaftete damit 2021 einen Umsatz von 650 Millionen Euro.

An den Krohne-Standorten gibt es nach Angaben des Unternehmens mehr als 3000 Kunstwerke in Produktionshallen (hier in Duissern, 2020) und Büros zu entdecken.
An den Krohne-Standorten gibt es nach Angaben des Unternehmens mehr als 3000 Kunstwerke in Produktionshallen (hier in Duissern, 2020) und Büros zu entdecken. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

49 Tochtergesellschaften und Kooperationen gehören zur Gruppe. Acht Prozent der 4181 Mitarbeiter des Unternehmens arbeiten in Forschung und Entwicklung. Offensichtlich will der Vorstand die über 100 Jahre alte Geschichte des Unternehmens fortschreiben. Unternehmenschef Dr. Attila Michael Bilgic: „Viel liegt hinter uns. Doch noch viel mehr liegt vor uns.“ An der Ludwig-Krohne-Straße gibt’s übrigens auch einen Konzertsaal – Jazzfreunden etwa durch die Reihe Mercator-Jazz bekannt, der Gastgeber Krohne ist.

Die Zentrale der Krohne Messtechnik GmbH an der Ludwig-Krohne-Straße 5 in Duissern.
Die Zentrale der Krohne Messtechnik GmbH an der Ludwig-Krohne-Straße 5 in Duissern. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

PCC: Wichtige Grundstoffe, die nur wenige kennen

Komfortable Matratzen, Wärmedämmplatten für Häuser und Kunststoffscheiben in Autos haben eines gemeinsam: Sie benötigen einen chemischen Grundstoff, Polyole genannt. Damit verdient die PCC SE das meiste Geld (PCC steht für Petro Carbo Chem Rohstoffhandelsgesellschaft). Die Beteiligungsgesellschaft in Homberg machte 2021 einen Umsatz von 980 Millionen Euro. Kern des Geschäfts ist die Produktion von Chemikalien. Darum kümmern sich 3300 Mitarbeiter in 17 Ländern – nur etwa 180 arbeiten in Deutschland.

Das PCC-Haus an der Moerser Straße in Homberg.
Das PCC-Haus an der Moerser Straße in Homberg. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Weitere Umsatztreiber: Tenside, um die Oberflächenspannung von Flüssigkeiten zu verringern, und Chlor, wichtigster Grundstoff in der Chemie. Selbst Haushaltsreiniger hat PCC im Angebot, entweder als Eigenmarke oder unter dem Label von Handelsketten und Discountern. Größter Standort der Gruppe ist Polen mit zwei Gesellschaften, die an der Börse Warschau gelistet sind. Ansonsten wird das Geschäft über Eigenkapital und Anleihen finanziert. Alleinaktionär ist Aufsichtsratschef Waldemar Preussner, der das Unternehmen 1993 gründete. Vorstandsvorsitzender ist Dr. Peter Wenzel.

Die meisten Duisburger werden PCC wohl als Sponsor des VfB Homberg kennen. Der Oberligist spielt im: PCC-Stadion.

Reederei Jaegers: Transporte von der Nordsee bis ins Schwarze Meer

Die Binnenschifffahrt kann in der Logistik eine echte Alternative zur Straße sein – das beweist die Reederei Jaegers GmbH seit Jahrzehnten. Die Homberger Firma mit rund 700 Mitarbeiten weltweit und 50 Angestellten in Deutschland transportiert Mineralöl, Chemikalien und Flüssiggas von der Nordsee bis ins Schwarze Meer. Dabei ist den Technikern des Betriebs jede Herausforderung ein Ansporn. Beispiel: Das Tankschiff Ursula Valentin fuhr bereits 1999 ein Produkt bei permanent 220 Grad Celsius. Wie in einer Thermoskanne. Das war bis dahin reine Theorie.

Gegründet wurde das Unternehmen 1919 von Josef Jaegers in Frankfurt/Main. 1995 übernahm die Reederei die gesamte Tankflotte von Stinnes. Die Flotte wuchs durch weitere Übernahmen auf rund 170 Schiffe. Heute ist Jaegers Marktführer der Binnenschifffahrt für Tanktransporte in Europa – mit Standorten in Rotterdam, Wien, Budapest, der Schweiz und Luxemburg. Der Betrieb, der keine Umsatzzahlen bekannt gibt, gehört den Familien Jaegers und Valentin. Sprecher der Geschäftsführung ist Klaus Valentin.

Der Firmensitz der Reederei Jaegers in Homberg (2016).
Der Firmensitz der Reederei Jaegers in Homberg (2016). © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Xella: Big Player unter den Hidden Champions

MSV-Fans kennen Xella als früheren Trikot-Sponsor, Häuslebauer als Hersteller von Baustoffen. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Huckingen erwirtschaftete 2021 einen Umsatz von 1,7 Milliarden Euro. Die 5400 Mitarbeiter produzieren in 78 Werken und sind in 22 Ländern aktiv. Die Produkte: „Ytong“-Steine, der Kalksandstein „Silka“, die Porenbetonplatten „Hebel“ und die Dämmlösung „Multipor“. Unter den Hidden Champions in Duisburg ist Xella also ein Big Player. Entstanden ist das Unternehmen in der Haniel-Gruppe als Bauindustrie GmbH und wurde 2008 an Investoren verkauft. Durch die Zusammenführung mit der Münchner Ytong AG und der Goslarer Fels-Werke GmbH gelangte die Gruppe zur heutigen Größe. Chef ist Christophe Clemente.

Die Xella-Gruppe sitzt an der Düsseldorfer Landstraße in Huckingen.
Die Xella-Gruppe sitzt an der Düsseldorfer Landstraße in Huckingen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Zoo Zajac: Exotische Tiere im größten Zoofachhandel der Welt

Der Zoofachhandel „Zoo Zajac“ ist ein Markt der Superlative – und darum auch bekannter als die meisten Hidden Champions. 12.000 Tiere und 3000 Arten werden in Neumühl angeboten, darunter viele Exoten. Was nicht nur Tierliebhaber, sondern auch viele Kritiker auf den Plan ruft. Besonders umstritten ist der Verkauf von Hundewelpen. Gründer Norbert Zajac verstarb vor Weihnachten überraschend im Alter von 67 Jahren. Die Fans trauerten – vor allem in den sozialen Medien – um den Youtube-Star. Der Tiernarr übernahm 1975 mit seiner Frau Jutta eine Zoohandlung in Meiderich und baute 2004 eine leerstehende Fertigungshalle in Neumühl zum neuen Mega-Markt aus. Dieser hat heute eine Ladenfläche von 13.000 Quadratmetern. In die laut Guinness-Buch der Rekorde „größte Zoohandlung der Welt“ pilgern an einem normalen Samstag bis zu 5000 Besucher. Auch in Zukunft soll das Geschäft mit 160 Mitarbeitern laufen wie vor dem Tod des Gründers, versicherten gegenüber unserer Redaktion Gesellschafterin Jutta Zajac und Geschäftsführerin Kathi Geven. Umsatzzahlen veröffentlicht das Zoofachgeschäft nicht.