Duisburg. Die ELG ist von Haniel an den Stahlhersteller Aperam verkauft worden. Warum der Duisburger Recycler auf der Schrottinsel ein Branchenführer ist.
Der Begriff „Hidden Champion“ bezeichnet öffentlich wenig bekannte Unternehmen, die aber zu den Top-Adressen ihrer Branche zählen. Die ELG in Duisburg darf sich wohl als solcher bezeichnen. Deshalb hat der luxemburgische Stahlkonzern Aperam gern zugegriffen, als Haniel den Recycling-Spezialisten mit Sitz im Meidericher Hafen zum Verkauf stellte.
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„Eines der größten Recycling-Unternehmen der Welt zu erwerben, war eine wunderbare Chance“, sagt Aperam-Finanzvorstand Sudhakar Sivaji mit Blick auf die fünf Edelstahl-Werke des Konzerns in Belgien und Frankreich. Die CO2-Emissionen in der Produktion sollen dort bis 2030 um 30 Prozent sinken durch eine Erhöhung des Schrottanteils – die Rohstoffversorgung soll auch die ELG sicherstellen, mit der es bereits langjährige Lieferbeziehungen gibt.
Europa ist wie eine Mine für die Wiederverwerter von Metallen
Die Übernahme sei deshalb von „herausragender strategischer Bedeutung für die neue Wachstumsstrategie“, heißt es beim 2011 von ArcelorMittal abgespaltenen Unternehmen. Sivaji verweist auf bis zu 3,5 Millionen Tonnen Edelstahl und Sonderlegierungen, die alljährlich allein in Europa produziert werden. „Das ist doch wie eine Mine.“
Die Bezeichnung „Schrotthändler“ hört man am ELG-Firmensitz Kremerskamp hingegen nicht so gern. „Wir verstehen und eher als Teil der Lieferkette für die Luftfahrtindustrie“, weist Betriebsleiter Nils von Stromberg das Image des ölverschmierten, leicht zwielichtigen Typen, der mit einem klapprigen Laster trillerpfeifend auf der Suche nach Altmetall durch die Straßen zieht, weit von sich.
ELG blickt bald auf ihren 60. Gründungstag zurück
https://www.waz.de/wirtschaft/stahlkonzern-sieht-duisburger-firma-elg-als-wachstumsstory-id234712487.htmlDie ELG, gegründet vor 60 Jahren als „Eisenlegierungen Handelsgesellschaft“ spielt natürlich längst in einer anderen Liga. Macht rund zwei Milliarden Umsatz mit weltweit 1270 Mitarbeitenden (250 in Duisburg). Die ELG gewinnt rund 1,2 Millionen Tonnen Rohstoffe pro Jahr, davon rund 200.000 Tonnen in Deutschland. Besondere Expertise genießt sie in der Aufbereitung von Hochleistungswerkstoffen wie Superlegierungen und Titan.
Ein Rundgang durch die Hallen auf dem 10 Hektar große Firmenareal zeigt, was Betriebsleiter von Stromberg meint. Hier werden verschiedenste Bauteile nach der Anlieferung penibel sortiert, auf Verunreinigungen untersucht, zerkleinert und zur Wiederverwertung in den Edelstahlwerken vorbereitet. Kisten mit Hüftprothesen finden sich dort ebenso wie Teile von Flugzeugturbinen – sie werden gezielt beschädigt, um eine Wiederverwertung zu verhindern. Während hunderte Zulieferer per Lkw anliefern, erfolgt der Versand „zu 95 Prozent auf der Schiene“, wie Werksleiter von Stromberg sagt. „Die Abnehmer benötigen große Mengen.“
Anspruch: Die richtige Mischung auf das Gramm genau für den Kunden
Kernkompetenz der ELG ist es, exakt die vom Kunden gewünschte Metall-Mischung zu liefern. „Bei den Sonderlegierungen kommt es auf das Gramm an“, erklärt Dr. Markus Larres, Betriebsleiter Edelstahl, mit Blick auf sicherheitsrelevante Bauteile wie Verriegelungen von Flugzeug-Türen. Auch bei Prothesen ist Sortenreinheit entscheidend: Während Titan biokompatibel ist, löst Nickel bei vielen Menschen Allergien aus. Und im Titelkampf der Formel 1 sollte falsches Metall für den Auspuff der Boliden nicht rennentscheidend sein.
Deshalb werden im Werkslabor laufend Proben mit dem Spektrometer untersucht, um die Inhalte von Legierungen zweifelsfrei zu bestimmen. „Die Mischkenntnis ist unser Know-How“, betont Markus Larres. Entscheidend sei der geschulte Blick der Mitarbeiter, sowohl an der kleinen Kiste als auch auf dem Bagger, der tonnenschwere Blechlasten bewegt: „Die Fahrer erkennen kleine Bauteile, die nicht in die Lieferung gehören und sortieren sie aus.“
>> APERAM SIEHT RECYCLING ALS WACHSTUMSBRANCHE
- „Metalle sind die Zukunft bei den erneuerbaren Energien, Recycling ist die Zukunft der Metalle“, lautet das Credo von Sudhakar Sivaji. Nach 14 Jahren bei Thyssenkrupp wechselte der bekennende Schalke-Fan 2020 zu Aperam. Recycling sei „ein massiver Wachstumsbereich“, glaubt der 42-Jährige. Die Wiederverwertung von Metallen sei wesentlich klimafreundlicher als Abbau und Verhüttung von Erzen. Außerdem zeige aktuell der Ukraine-Krieg die Bedeutung einer sicheren Rohstoff-Versorgung.
- Der Aperam-Konzern zählt mit 9600 Mitarbeitern weltweit, einem Jahresumsatz von rund 4,26 Milliarden US-Dollar und einer Produktionskapazität von 2,5 Mio Tonnen nichtrostendem Stahl zu den größten Edelstahl-Herstellern weltweit. 40,8 Prozent des Unternehmens gehören der Familie Mittal, 2,5 Prozent dem Staat Luxemburg.