Duisburg. Mord im Café Vivo, Bombenattrappe im Forum oder der Tod eines Soap-Darstellers: Diese Prozesse haben 2019 in Duisburg für Aufsehen gesorgt.
Rund 110 erstinstanzliche Strafverfahren hat das Landgericht am König-Heinrich-Platz im nun endenden Jahr geführt. Fast 1000 Berufungsverfahren waren anhängig. Und die Zahl der Prozesse bei den Schöffengerichten und den Strafrichtern der Duisburger Amtsgerichte geht in die Tausende. Über fast 400 Verfahren haben wir in diesem Jahr berichtet. An einige davon erinnert man sich vielleicht mit einem Schmunzeln, an andere eher mit Schaudern.
Duisburg: 35-Jähriger stach mit Heckenschere zu
7. Januar. Wegen versuchten Mordes verurteilt das Landgericht einen Duisburger (35) zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft. Er hatte zugegeben, am 6. Mai in einem Hinterhof in Ruhrort eine Heckenschere gestohlen zu haben. Als er bemerkte, dass ihn ein Anwohner beobachtete, drang er in dessen Wohnung ein und attackierte ihn mit der Heckenschere. Dem 44-Jährigen gelang es, sich mit einem Staubsaugerrohr zur Wehr zu setzen und schwer verletzt zu fliehen.
Das Schwurgericht war am Ende des zweitägigen Prozesses davon überzeugt, dass der Angeklagte den Zeugen daran hindern wollte, der Polizei etwas zu verraten, und dass er dabei den möglichen Tod des Mannes in Kauf nahm. Die Drogensucht des 35-Jährigen wirkte sich strafmildernd aus. Seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurde angeordnet.
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Juju-Kult zur Zwangsprostitution genutzt
25. Januar. Wegen schwerer Zwangsprostitution und Menschenhandel verurteilte das Landgericht eine 33-jährige Nigerianerin aus Meiderich zu fünf Jahren Gefängnis. Zwischen Juni 2015 und Ende 2017 hatte sie junge Frauen aus Nigeria unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt. Die Geschädigten sahen sich nicht nur einer Zwangslage ausgesetzt, weil sie mittellos und mit falschen Papieren eingeschleust worden waren, sondern auch, weil sie der Angeklagten im Rahmen eines Rituals des Juju-Kultes unbedingten Gehorsam hatten schwören müssen. Bei Zuwiderhandlung fürchteten die meist aus ärmsten Verhältnissen stammenden Frauen die Folgen eines Fluchs für sich und ihre Familien. Unter schlimmsten Verhältnissen mussten die 17 bis 22 Jahre alten Opfer, die von einem Job als Friseurin oder Putzhilfe geträumt hatten, in Bordellen arbeiten und leben und ihre Einnahmen abgeben.
Rasender Rollerfahrer lieferte sich Verfolgungsjagd mit Polizei
13. Februar. Wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilte das Landgericht in zweiter Instanz einen Neudorfer (55) zu sechs Monaten Gefängnis. Am 14. November 2017 hatte er einen Mofa-Roller gesteuert, den er in dieser Form ohne Führerschein nicht hätte benutzen dürfen. Kaum hatte er bemerkt, dass ihn die Polizei verfolgte, betätigte er einen Kippschalter und konnte so mit dem manipulierten Zweirad statt der erlaubten 25 Stundenkilometer mehr als doppelt so schnell fahren. Bei einer halsbrecherischen Verfolgungsjagd durch Duissern zwang er Autofahrer zu Vollbremsungen und preschte durch eine Grünanlage, bevor die Polizei ihn stoppte. Der Angeklagte sammelt seit 1987 Vorstrafen und wurde bereits in elf Fällen wegen einschlägiger Vergehen verurteilt.
47-Jähriger schoss in Hochfeld auf Polizisten
14. März. Mit einer unbefristeten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus endete vor dem Landgericht der Prozess gegen einen Duisburger (47). Nachdem er in der Vergangenheit an der Hochfelder Heerstraße bereits zweimal in eine Nachbarwohnung geschossen hatte, riefen die verängstigten Bewohner gleich die Polizei, als der Beschuldigte zu ungewöhnlich früher Stunde anklingelte. Auf die Aufforderung der Beamten, stehen zu bleiben, reagierte der 47-Jährige nicht. Im Weglaufen zog er eine Waffe und schoss auf einen Polizisten, den er schwer am Bein verletzte.
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Der Beamte schoss zurück und traf den 47-Jährigen am rechten Arm und an der Hüfte. Mit dem Urteil kam die Kammer der Forderung der Staatsanwaltschaft nach, die Allgemeinheit durch eine Unterbringung des psychisch schwer gestörten Beschuldigten vor weiteren Straftaten zu schützen. Der hatte sich in seinem Wahn eingebildet, regelmäßig gefoltert zu werden. Auch eine Nachbarin hielt er für ein Folter-Opfer und wollte sie erlösen.
Lebenslang für Mord im Cafe-Vivo
21. März. Mit einer Verurteilung zu lebenslanger Haft wegen Mordes endete nach elf Verhandlungstagen der Schwurgerichtsprozess gegen einen gebürtigen Mülheimer. Heimtückisch und aus Mordlust habe der 30-Jährige am Morgen des 3. Mai 2017 die 46-jährige Geschäftsführerin des „Café Vivo“ am Innenhafen getötet, so die Richter. Der Angeklagte, der den Tatort offenbar bereits tags zuvor ausgekundschaftet hatte, habe sich unter dem Vorwand, auf die Toilette zu müssen, Zutritt verschafft, während das Opfer kurz vor Öffnung des Lokals das Tagesgeschäft vorbereitete.
Als der Angeklagte von der Toilette kam, habe er sofort geschossen und der zu diesem Zeitpunkt arg- und wehrlosen Frau keine Chance zur Gegenwehr oder zur Flucht gelassen. Der Angeklagte habe kein weiteres Motiv erkennen lassen als das, einen Menschen sterben zu sehen, so das Gericht. In handschriftlichen Notizen, die bei ihm gefunden worden waren, hatte der 30-Jährige eine Reihe möglicher Szenarien für schwere Verbrechen entworfen und offenbar eines davon umgesetzt.
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Altenpflegerin erschwindelte Job
30. April. Mit einer einjährigen Bewährungsstrafe wegen Betruges kam eine Walsumerin (47) in zweiter Instanz davon. Die Angeklagte gab zu, sich im Jahre 2014 einen Job als Altenpflegerin in einem Duisserner Altenheim erschlichen zu haben, indem sie einen Ausbildungsnachweis und ein blütenweißes polizeiliches Führungszeugnis vorlegte. Doch die Papiere waren auf einem Kopierer gefälscht worden. In Wahrheit war die Frau nur Schwesternhelferin und hatte mehrere Vorstrafen. Immerhin hatte sie mehr als zwei Jahre ohne Beanstandung gearbeitet, bevor der Schwindel durch Zufall aufflog.
Das Amtsgericht Hamborn hatte die Wiederholungstäterin zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt. Wegen des langen zeitlichen Abstands zur Tat senkte die Berufungskammer die Strafe um vier Monate. Für die Aussetzung zur Bewährung spielte eine zentrale Rolle, dass die 47-Jährige inzwischen unter einer schweren Herzkrankheit leidet.
Tod eines Doku-Soap-Stars blieb ungeklärt
13. Mai. Mit einem Freispruch endete vor dem Landgericht das Verfahren gegen einen 38-jährigen Rheinhauser. Ihm war vorgeworfen worden, in der Nacht zum 17. August 2018 einen 47-jährigen Mann in dessen Wohnung in Friemersheim erwürgt zu haben. Zuvor soll es zwischen dem Angeklagten und dem Opfer, der als Darsteller einer Doku-Soap eines Privatsenders eine gewisse Bekanntheit erlangt hatte, zu einem Streit um die Vaterschaft einer Tochter des Angeklagten gekommen sein.
Doch nach dreitägiger Verhandlung gingen die Juristen davon aus, dass die Tat dem Angeklagten nicht zu beweisen sei. Die Hauptbelastungszeugin hatte bei der Polizei angegeben, in der Tatnacht einen Streit zwischen den beiden Männern gehört zu haben. Vor Gericht war sich die psychisch erkrankte Frau allerdings nicht mehr sicher, die Stimme des Angeklagten erkannt zu haben. Bereits nach dem zweiten Verhandlungstag war der 38-Jährige auf Antrag der Staatsanwaltschaft auf freien Fuß gesetzt worden. 249 tage saß er in Untersuchungshaft.
Absichtliche Geisterfahrerin muss in Psychiatrie
9. Juli. Mit der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus endete vor dem Landgericht der Prozess gegen eine Duisburgerin (46). Am frühen Morgen des 9. März 2018 war sie mit ihrem Kleinwagen absichtlich verkehrt herum auf die Autobahn A 59 aufgefahren. Während zwei Fahrzeuge ihr noch ausweichen konnten, prallte sie bei Fahrn frontal mit einem dritten Fahrzeug zusammen. Der 57-jährige Fahrer und die 53-jährige Beifahrerin wurden schwer verletzt. Auch die Geisterfahrerin, die sich mit der Tat das Leben nehmen wollte, landete mit schweren Verletzungen im Krankenhaus.
Am Ende des mehrtägigen Verfahrens gab es keinen Zweifel, dass die unter Wahnvorstellungen leidende Beschuldigte schuldunfähig ist und ohne Therapie in einer geschlossenen Einrichtung eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt.
Mutter aus Mitleid getötet
25. Juli. Wegen Mordes verurteilte das Landgericht am König-Heinrich-Platz einen 48-jährigen Duisburger zu lebenslanger Haft. In der Nacht zum 3. Januar hatte er seine nach einem Schlaganfall seit Jahrzehnten pflegebedürftige 74-jährige Mutter in deren Wohnung in Walsum getötet. Der Angeklagte habe die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers heimtückisch ausgenutzt, indem er der Schlafenden ein Kissen auf das Gesicht drückte und sie erstickte, so die Richter.
Habgier schloss die 6. Große Strafkammer ausdrücklich als Motiv für die Tat aus. Der Angeklagte habe aus Mitleid gehandelt. Die Voraussetzungen dafür, dass eine lebenslange Strafe als unangemessen hart hätte angesehen werden können, sah die Kammer allerdings nicht als gegeben an. Zwar habe die Frau unter den Folgen des Schlaganfalls und anderer, weitgehend alterstypischer Erkrankungen gelitten, schwerstes Siechtum oder eine tödliche Erkrankung habe allerdings nicht vorgelegen.
Eltern ließen Baby in der Sonne liegen
22. August. Wegen Verletzung der Fürsorgepflicht verurteilte das Amtsgericht ein junges Paar zu Jugendstrafen mit Bewährung. Am 26. Juli 2018, einem der heißesten Tage des Jahres, hatten sie ihr sechs Wochen altes Baby am Wasserspielplatz der Regattabahn im Sportpark Wedau über längere Zeit unbeaufsichtigt im Kinderwagen liegen lassen, während sie selbst im Wasser planschten. Zeugen alarmierten die Polizei, die einen Platzverweis aussprach. Das Paar geriet darüber in Streit. An einer Bushaltestelle schubste die Mutter den Kinderwagen mitsamt Baby in ein Gebüsch und sprang in den Bus. Ein Zeuge konnte den 19-Jährigen daran hindern, ebenfalls in den Bus zu steigen.
Die Angeklagten räumten das Geschehen ein. Bedauern zeigten sie nicht. Sämtliche Verfahrensbeteiligte sprachen von einem beispiellosen Versagen der jungen Eltern, denen es offenbar an jedem Mitgefühl für ihr Kind fehlte. Die 20-Jährige kam mit einem Jahr Jugendstrafe auf Bewährung davon. Ihr Freund wurde, unter Einbeziehung einer Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs, zu anderthalb Jahren mit Bewährung verurteilt. Der kleine Junge lebt inzwischen in einer Pflegefamilie.
Freispruch für prominenten Falschparker
11. September. Das Verfahren gegen Deutschlands wohl prominentesten Falschparker endete vor dem Amtsgericht Ruhrort mit einem Freispruch. Weil er seinen Wagen am 25. Juni 2017 in Bruckhausen zum Entladen falsch abgestellt hatte, gab es einen Polizeieinsatz. Der eskalierte reichlich. Am Ende standen 50 Polizisten 200 aggressiven Schaulustigen gegenüber. Mehmet K soll sich gegen die Polizei zur Wehr gesetzt haben. Gegen die Zahlung von 5400 Euro Strafe wegen Widerstandes hatte er Einspruch eingelegt.
Schließlich war er selbst bei der Aktion erheblich verletzt worden. Ein 35-jähriger Polizist war wegen Körperverletzung im Amt zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. „Beide Seiten haben sich unvernünftig verhalten“, urteilte die Strafrichterin. Ein strafbares Verhalten des Angeklagten sah sie nicht. Beim Vorgehen der Polizei habe es sich „um keine berechtigten Handlungen“ gehandelt.
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Überholmanöver endete tödlich
7. Oktober. Wegen Straßenverkehrsgefährdung und fahrlässiger Tötung verurteilte das Amtsgericht einen 24-jährigen Duisburger zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis. Am Abend des 17. Dezember 2018 hatte er mit seiner Verlobten und zwei ihrer Verwandten sowie einem Nachbarn eine Spazierfahrt unternommen. Auf der Moerser Straße in Hochemmerich überholte er trotz Überholverbots viel zu schnell zwei Fahrzeuge, fuhr links an einer Verkehrsinsel vorbei und rauschte dann in ein auf der Gegenfahrbahn entgegenkommendes Taxi.
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Die 46-jährige Mutter seiner Verlobten erlitt bei dem Zusammenprall so schwere Verletzungen, dass sie neun Tage nach dem Unfall starb. Auch ein neunjähriges Mädchen und der Taxifahrer wurden schwer verletzt. Zu seiner Entschuldigung konnte der geständige Angeklagte nicht viel vorbringen. Er gab zu, einen schweren Fehler gemacht zu haben und bedauerte sein Versagen.
Prozess um totes Baby
21. Oktober. Mit einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe endete vor dem Landgericht das Verfahren gegen eine Rumelnerin. Laut Anklage hatte die 36-Jährige im November 2018 in ihrer Wohnung ein Mädchen zur Welt gebracht und es erstickt. Beweise dafür erbrachte die fünftägige Hauptverhandlung nicht. Die Darstellung der Angeklagten, sie sei in der Tatnacht durch Unterleibsschmerzen und Blutungen geweckt worden, habe das Kind in der Badewanne geboren, aber keine Lebenszeichen bemerkt, konnte nicht widerlegt werden. Allerdings hielten es die Richter für leichtfertig, dass die dreifache Mutter nicht einmal versucht habe, das Kind zum Atmen zu stimulieren oder wenigstens den Rettungswagen zu rufen.
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Die Polizei hatte die in Handtücher und Plastiktüten gewickelte Baby-Leiche in einem Kleiderschrank gefunden. Der Fall war im Zusammenhang mit den Ermittlungen nach der bislang immer noch unbekannten Mutter des im November 2018 in Polen gefundenen toten Babys „Mia“ entdeckt worden, das aller Wahrscheinlichkeit nach in Duisburg in einen Altkleidercontainer geworfen wurde.
Wurst-Dieb hatte 5,3 Promille
4. Dezember. Wegen fahrlässigen Vollrausches verurteilte das Amtsgericht am König-Heinrich-Platz heute einen 30-jährigen Mann ohne festen Wohnsitz zu fünf Monaten Gefängnis. Am 31. August hatte er in einem Supermarkt in Walsum eine Mortadella und ein Paket Schinken in seinen Rucksack gestopft und war an der Kasse vorbei marschiert. Als ihn Zeugen aufhalten wollten, wehrte er sich.
Auch gegen Polizisten leistete er Widerstand und beleidigte die eingesetzten Beamten. Allerdings redete der 30-Jährige zu diesem Zeitpunkt eh nur noch wirr daher, konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und erbrach sich. Im Krankenhaus wurden in seinem Blut rekordverdächtige 5,3 Promille Alkohol festgestellt sowie erhebliche Rückstände von Drogen. Der Angeklagte bestritt die Vorwürfe nicht. Gestehen konnte er sie allerdings auch nicht, da ihm die Erinnerung fehlte.
Freispruch für „Bombenleger“
11. Dezember. Mit einem Freispruch endete vor dem Amtsgericht das Verfahren gegen einen 56-jährigen Voerder. Am 5. August hatte er das Forum lahm gelegt, indem er gegen 19 Uhr eine Tasche unter eine Bank schob. Die vermeintliche Bombenattrappe sorgte für die Räumung des Einkaufszentrums und wurde um Mitternacht von Spezialgerät zerlegt. Die Staatsanwaltschaft hatte den Mann wegen Störung des öffentlichen Friedens und Vortäuschens einer Straftat angeklagt.
Ein Vorsatz war dem Angeklagten allerdings nicht zu beweisen. Der Obdachlose hatte - was Überwachungsvideos bewiesen - nur sein Hab und Gut neu sortiert und eine Tasche unter die Bank geschoben. Er habe das schwere Gepäckstück nicht mitschleppen und später wieder abholen wollen. „Das ist nicht ratsam“, meinte der Strafrichter trocken. „Strafbar ist es aber auch nicht.“