Duisburg. Bei den Ermittlungen im Fall „Mia“ fanden Polizisten in einer Wohnung ein zweites totes Baby. Gericht kann der Mutter Totschlag nicht nachweisen.
Nach fünf Verhandlungstagen fiel vor der 5. Großen Strafkammer des Duisburger Schwurgerichts das Urteil: Eine 36-jährige Frau aus Rumeln wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Die Anklage hatte ihr ursprünglich Totschlag vorgeworfen: Die Frau habe im November in ihrem Badezimmer ein Kind zur Welt gebracht, dem sie sofort danach die Atemwege blockierte und es so erstickte. Doch Doch das Gericht fand nur Beweise dafür, dass die Frau nicht alles unternommen hatte, um das Baby zu retten.
Die dürftige Beweislage hinderte die Staatsanwältin nicht daran, eine Verurteilung wegen Totschlags durch Unterlassen zu beantragen. Sie forderte sieben Jahre Gefängnis. Die Angeklagte habe die Schwangerschaft verheimlicht, weil das Kind nicht in ihre Lebensplanung passte. „Sie wollte dieses Kind nicht.“ Deshalb habe die Frau während der Schwangerschaft in großen Mengen Amphetamin konsumiert, was dann bei der Geburt zu einer so genannten Anpassungsstörung des Kindes führte. Und die Angeklagte habe sich um keinerlei Hilfe bemüht. „Es wäre ihre Pflicht gewesen, eine Erstversorgung sicher zu stellen.“
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Dem Verteidiger blieb glatt die Luft weg. „Ich weiß nicht, in welchem Verfahren sie waren“, meinte er zur Anklagevertreterin. „Aber dieses kann es nicht gewesen sein.“ Die Staatsanwältin habe in ihrem Plädoyer „konsequent Vermutungen angestellt, Beweise ignoriert und andere hinzu gefügt“. So hätten Sachverständige wenig Eindeutiges zur Todesursache des Kindes sagen können. Es sei allerdings davon auszugehen, dass es bereits im Mutterleib eine Sauerstoffunterversorgung gegeben habe. Und ursächlich dafür sei nach den Worten der Experten kaum der Amphetaminkonsum der Angeklagten gewesen. „Ich werde keinen konkreten Antrag stellen“, so der Verteidiger. „Aber ein Freispruch wäre angemessen.“
Auch die Kammer musste die Ausführungen der Anklagevertreterin an mancher Stelle korrigieren. Allerdings beschränkte sich das Gericht im Wesentlichen darauf, die ermittelten Fakten darzustellen. Die Angeklagte habe erklärt, dass sie von Unterleibsschmerzen und Blutungen geweckt worden sei, sie das Kind im Rahmen einer Sturzgeburt zehn Minuten später in der Badewanne zur Welt brachte und das blau angelaufene Baby, das keine Lebenszeichen zeigte, in Handtücher und Plastiktüten eingewickelt habe. „Diese Einlassung können wir nicht widerlegen“, so der Vorsitzende.
Gericht: Mutter verschuldete leichtfertig den Tod des Babys
Allerdings, so die Richter, habe die mehrfache Mutter wissen müssen, dass Babys bei der Geburt manchmal nicht atmen und erst dazu animiert werden müssen. „Zum Beispiel durch den berühmten Klaps auf den Po.“ Dadurch, dass sie keinerlei ernsthafte Anstalten gemacht habe, die Lebenszeichen zu überprüfen, das Kind zum Atmen zu stimulieren oder wenigstens den Rettungswagen zu rufen, habe die Angeklagte leichtfertig den Tod des Kindes verschuldet. Für die nicht vorbestrafte 36-Jährige sprachen insbesondere deren Geständnis und der Umstand, dass sie bereits gut neun Monate in Untersuchungshaft gesessen hatte. Ebenso berücksichtigte die Kammer gravierende Gesundheitsprobleme der Frau.
Auf die Leiche des Neugeborenen war die Polizei im Rahmen der Ermittlungen zum Fall „Mia“ gestoßen. Nach entsprechenden Hinweisen wurde das tote Mädchen im Kleiderschrank des Schlafzimmers der Angeklagten entdeckt. Baby „Mia“ war im November 2018 in einem Altkleidercontainer in Polen gefunden worden. Der Container hatte vorher in Duisburg gestanden. Bis heute ist die Mutter des Kindes unbekannt.