Bottrop. David Spickermann, einst Küchenchef bei Björn Freitag, schreibt den Fahrplan. Mit Gastronom Thorsten Stöcker setzt er auf Speisen erster Klasse.
Zwar halten seit Jahrzehnten keine Züge mehr am Bahnhof Nord, dafür nimmt das kreative Duo Thorsten Stöcker und David Spickermann die Gäste in Bottrops einzigem Bahnhofsrestaurant mit auf kulinarische Reisen. Richtige Reisen, versteht sich, mit vielen Stationen, nicht mal nur ein sattmachender Kurztrip ins Münsterland oder an den Niederrhein.
„Wenn wir schon zusammen im Bahnhof arbeiten, soll das Thema Reisen auch eine Rolle spielen“, sagt David Spickermann. Der einstige Küchenchef von Björn Freitag, dessen „Goldener Anker“ seit zwei Jahrzehnten den Michelin-Stern verteidigt, stellt neuerdings die kulinarischen Weichen im Bahnhof – zwar „nur“ als Zweitjob, was aber längst nicht bedeutet, dass er dort mit halber Kraft unterwegs ist.
Gewissermaßen unter Volldampf ist Spickermann dabei, das monatliche Konzept des Formats „Dinner & Party“ noch einmal auf ein ganz neues Gleis zu setzen und dabei mit dem Thema „Bahnhof“ einfallsreich zu spielen. „Und bei diesem Konzept der kulinarischen Reise lässt mir Thorsten völlig freie Hand“, schwärmt der 39-Jährige gebürtige Gladbecker, der immerhin schon seit seinem 15. Lebensjahr ebenso ernsthaft wie erfolgreich am Herd steht.
Themen „Reise“ und „Bahnhof“ sollen bei den Menüs in Bottrops bekanntem Restaurant eine Rolle spielen
Beim Gespräch fällt immer wieder ein großer, messingfarbener Gepäckwagen ins Auge, wie man ihn etwa in großen Hotels sieht. „Thema Reise“, sagt Thorsten Stöcker. „Wir beladen den natürlich nicht mit Koffern oder Kleidung, sondern nutzen ihn für die Präsentation.“ Der könne einmal als Kochstation für eine Zubereitung am Tisch direkt vor den Gästen dienen oder als großer Käsewagen fürs Dessert-Finish, wie es gerade zum Menü passe. Bestellt habe er gerade mehrere davon. Zubereiten vor den Gästen sei schließlich Teil des Erlebniskonzepts von „Dinner & Party“ – für bis zu 100 Dinner-Gäste.
Soll die Reise in Richtung Stern gehen? Da äußern sich beide nicht eindeutig. „Was aber künftig eine große Rolle spielen wird, ist die größere Anzahl der Komponenten, auch das Spiel mit sehr vielen unterschiedlichen Aromen, ungewöhnlichen Kombinationen“, sagt David Spickermann. Einen kleinen Vorgeschmack habe es zum Beispiel beim Dessert des jüngsten Ostermenüs gegeben, bei dem die Möhre eine tragende Rolle spielte. Eigentlich keine klassische Dessertzutat, wie Thorsten Stöcker betont.
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Dabei sei es gar nicht immer so leicht, selbst regionale oder saisonale Zutaten zu bekommen. Das habe er zuletzt beim Menükarussell gemerkt, als für einen Gang Schwarzwurzeln, der klassische ,Bergmannsspargel‘, gebraucht wurde. „Am Ende mussten wir teilweise improvisieren.“ Auch Stielmus, früher das erste hiesige Frühjahrsgemüse, „ist oft zu allen möglichen Zeiten und aus unterschiedlichen Ländern zu haben, nur nicht von hier und im Frühjahr.“
Regionale Erzeuger spielten zwar immer noch eine große Rolle. „Aber wir setzen gerade auf einen ganz neuen Lieferanten, der auch die gehobene und Sterneküche beliefert, denn eine gleichbleibende, verlässliche Qualität der Produkte ist doch das A und O“, weiß Thorsten Stöcker.
Gut zu wissen für die Stammgäste wie für neugierig gewordenen Besucher des Bahnhof Nord: David Spickermanns kulinarische Reise mit ihren sieben Stationen gibt es nicht nur bei „Dinner & Party“ am zweiten Freitag des Monats, sondern auch zu den übrigen Öffnungszeiten, donnerstags bis samstags. Dann als etwas kleineres Menü, meist mit vier Gängen der aktuellen Spickermann-Kreationen. Auf Nachfrage natürlich auch beliebte Klassiker der alten Karte: „Nicht nur für Stammgäste“.
Die kulinarischen Reiserouten können so vielfältig sein, dass sie auch für die kreativen Köpfe dahinter am Ende noch Überraschungen bereithalten. Eine klassische Strecke wäre zum Beispiel die des legendären Orientexpress. „Von Paris über den Balkan nach Istanbul, wie viele Länderküchen stecken da allein schon drin“, findet David Spickermann. Zum Balkan hat er ohnehin eine besondere Beziehung: Schon als Schüler war er mehrfach in Sarajevo. Dort hat er bei einem Aufbau-Camp nach dem Krieg in den 90er Jahren mehrfach gekocht und festgestellt: „Das ist mein Ding.“
Familienfreundliche Arbeitszeit: Star-Koch leitet auch Küche in Bottroper Senioreneinrichtung
Was er auch erzählt, weil es alles andere als ehrenrührig ist: Seinen Erstjob hat er zurzeit als Küchenleiter in einer Bottroper Senioreneinrichtung. Die Corona-Pandemie mit ihren Verwerfungen wirft also immer noch ihre langen Schatten auf die Gastronomie, die derzeit ohnehin mit verordneten Widrigkeiten wie der Erhöhung der Mehrwertsteuer oder dem Bürokratiewust zu kämpfen hat.
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Der bekannte Koch betont: Großküche sei nicht schlecht, nur anders. Vor allem, was die zur Verfügung stehenden Budgets betreffe, so Spickermann. Und gut müsse ja nicht immer teuer bedeuten. Er sei Fan der Hausmannskost. „Suppen, Eintöpfe: Das kann so lecker sein, das haben sogar die Fußballprofis von Schalke am Ende zugeben müssen, für die ich ja mal eine Zeitlang gekocht habe.“
Außerdem komme die geregelte Arbeitszeit der Familie, vor allem seinem siebenjährigen Sohn, zugute. Dort aufhören? „Nein, jedenfalls nicht in nächster Zeit.“ Und für die kreative Energie mit ganz anderen Einkaufsmöglichkeiten gibt es ja nun die Kooperation mit Thorsten Stöcker und dem Bahnhof Nord. Der Hintergrund der Sterneküche, das Spiel mit Aromen, hochwertigen regionalen Zutaten, internationalen Einflüssen: Das lässt einen Koch aus Leidenschaft nicht los.