Bottrop. Seit 1998 gehört der Bahnhof zu Bottrops guten Adressen. Mit vier weiteren Wirten setzt Thorsten Stöcker die Idee vom Kulinarischen Tetraeder um.

Die Fahrpläne sind schon vor vielen Jahren durch Speisekarten ersetzt worden. Und selbst wer sich außerordentlich viele Stunden mit seinem mehrgängigen Menü oder den schönen Posten von der Weinkarte beschäftigt, wird keinen Zug mehr vorbeirattern sehen. Der alte Bahnhof Nord wurde schon 1960 vom Personenverkehr abgekoppelt - selbst die Güterzüge, die man vor einiger Zeit mit Glück noch im Schritttempo übers Gleis zuckeln sah, fahren heute nicht mehr.

Der Bahnhof Nord in den 1920er Jahren. Im kleinen Anbau links ist heute eine elegante Ess-Nische mit repräsentativem Kronleuchter.
Der Bahnhof Nord in den 1920er Jahren. Im kleinen Anbau links ist heute eine elegante Ess-Nische mit repräsentativem Kronleuchter. © Stadtarchiv

Dafür hat sich im Bahnhof seit 22 Jahren ein kulinarischer Knotenpunkt entwickelt. 1998 steigt Antje Döing, die vor einiger Zeit verstorbene Ehefrau des heutigen Besitzers Thorsten Stöcker, am Bahnhof Nord aus und verwandelt die ehemaligen Schalter-, Warte- und Güterräume, die im Kern zwischen 1878 und dem Ersten Weltkrieg entstanden, in ein Restaurant mit angeschlossenen Festräumen. „Die Idee hatte Antje, sie betreib ja da auch die Mühle in der Innenstadt“, sagt Thorsten Stöcker. Der Bahnhof als Ensemble hat beide aber damals fasziniert. Aber er hätte damals nicht den Mut zu diesem großen Projekt gehabt, so Stöcker. „Den hatte eindeutig Antje.“

Baudenkmal neu belebt

Zwar lassen die Döing-Stöckers den stillgelegten und seit 1990 denkmalgeschützten Bahnhof nicht selbst aus Ruinen auferstehen. Das tut seit 1996 der Bottroper Architekt Michael Klump, der die Gebäude erworben hat und sukzessive im Sinne des Denkmalschutzes sanierte. Bis heute hat das Büro der Architekten Klump und Strelzig im Obergeschoss sein Domizil, nun aber als Mieter von Thorsten Stöcker, der die Gebäude noch mit seiner damaligen Frau von Klump kaufte.

Ein Tisch für Acht unterm Lüster - eine hübsche und beliebte Nische im Bahnhof Nord.
Ein Tisch für Acht unterm Lüster - eine hübsche und beliebte Nische im Bahnhof Nord. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

Heute managt Thorsten Stöcker nicht nur den Bahnhof Nord, er ist auch - wenn man so will, auch dessen künstlerische Leiter - nämlich Küchenchef eines der gehobenen Bottroper Restaurants. Und mit dem historischen Ambiente hat er neben dem bewährten Konzept als Speise- und Eventlocation ein dickes Pfund mit dem er wuchern kann.

Vom Quereinsteiger zum geprüften Koch

„Dabei bin ich eigentlich Quereinsteiger“, gibt er zu. Vor zwei Jahrzehnten arbeitet er noch als Betriebsingenieur und hilft im Bahnhof aus. Aber das Interesse an Gastronomie, der Spaß, zu bewirten und sich intensiv mit Produkten, Zubereitungstechniken aber auch Weinen kreativ auseinanderzusetzen, sei immer schon vorhanden gewesen. „Eigentlich bin ich in der Küche Autodidakt“, lacht Thorsten Stöcker. Um gleich darauf aber zu ergänzen: „Aber ich habe meine IHK-Prüfung abgelegt und darf mich auch offiziell als Koch bezeichnen.“

Der Bahnhof Nord heute. Große Leuchtreklame oder Hinweisschilder sind aus Denkmalschutzgründen tabu.
Der Bahnhof Nord heute. Große Leuchtreklame oder Hinweisschilder sind aus Denkmalschutzgründen tabu. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

So setzt er mit Fantasie, Herzblut und sicher auch mit einer gehörigen Portion Energie sein Konzept von einer gehobenen deutschen Küche fort. Saisonal und regional sind für ihn als Küchenchef keine schönen Feigenblätter. „Nein, wir versuchen hier, auch mit Zutaten, die für die Jahreszeiten und die Region stehen, zu arbeiten.“

Regional ist nicht nur ein Alibi

Das geht über den Alibi-Spargel hinaus. Sicher gehören Stielmus genauso dazu, wie Omas gute alte Schwarzwurzeln und - man wagt es kaum zu sagen: auch Täubchen. Regional? Tauben der besten Qualität kämen heute allerdings aus Frankreich. Aber Gemüse, Kartoffeln, Obst, Fleisch: Da sei die Region wirklich gut aufgestellt. Und auch bei der Weinkarte stehen Deutschlands und Österreichs Regionen und etwas Italien ganz oben. Das Meiste übrigens direkt ab Winzer, nur Weniges vom Händler. Das wissen die Stammgäste zu schätzen, von denen inzwischen etwa 70 Prozent von auswärts kommen.

„Kulinarischer Tetraeder“ - eine Bottroper Gemeinschaftsidee

Die immer noch virulente Corona-Pandemie hat natürlich auch dem Bahnhof Nord zugesetzt. Langsam aber stetig zieht es die Restaurantbesucher aber auch die Gesellschaften wieder an den schönen Ort auf dem Eigen. Da kommt der „Kulinarische Tetraeder“ gerade recht. „Wir, das sind Stefan Bertelwick vom Gasthof Berger, Tina Große-Wilde, die Lenkos vom Forsthaus Specht und der Overbeckshof, wollen mit dieser Aktion zeigen, was Bottrop zu bieten hat und das wir nicht nur Einzelkämpfer auf unseren Inseln sind“, sagt Thorsten Stöcker. Essen müsse ein Erlebnis sein, da seien sich alle fünf an der Aktion beteiligten Traditionsrestaurants einig. Und mit ihren schönen Häusern und individueller Küche brauchen sie sich nicht zu verstecken - in Gegenteil.

Das „Tetraeder“-Menü im Bahnhof Nord und Vorverkauf

Entree: Lauwarmer Fjordlachs im Rauch. Pimientojus, marinierte Paprika, Guacamole, Salzzitrone.

Hauptgang: Lippstädter Roastbeef. Portweinjus, Pfifferlinge, Selleriepüree, Möhre, Dattel, Kumquats

Dessert: Heimische Beeren, weißes Schokoladeneis. Crumble, Beerencreme, Milchschaum.

Einzelpreis: 38 Euro. Im „Dreierpack“: jeweils ein Menü in drei der fünf teilnehmenden Restuarants zur Auswahl, 99 Euro. Vorverkauf in den jeweiligen Restaurants ab 3. August (Ruhetage beachten).

Info: bahnhofnord.de