Bochum. . Vollkommen überrascht wurden die Opelaner in Bochum am Dienstag von der Nachricht, dass ihr Werk nun doch schon Ende 2014 geschlossen werden könnte. Eigentlich hatte man an diesem Tag nur über Tarife verhandeln wollen. Die lange vorher anberaumte Info-Veranstaltung wurde spontan zu einer Betriebsversammlung umgewandelt.
Im großen Schaukasten des Bochumer Opelwerks findet sich ein kleiner Ausdruck rechts unten in der Ecke. Da, wo die Nebensachen hängen. „Wir informieren am 22. Januar 14 Uhr Tor 4 über den aktuellen Stand der Opel-Tarifverhandlungen“, kündigt der Betriebsrat schwarz auf rosa an. Standard. Alltag. Pflichttermin.
Ganz offensichtlich: Niemand hat damit gerechnet, dass die Verhandlungen im Renaissance-Hotel am Ruhrstadion diese Wende nehmen würden. Im ersten Stock, in den Konferenzräumen „London“ und „Oslo“ sollte es am Vormittag an zu Hufeisen zusammengestellten Tischen um die Opel-Tarife gehen: die Erhöhungen, die die Belegschaft dem angeschlagenen Betrieb bisher stundete, und die weitere Entwicklung. Doch die Gespräche hinter zugezogenen Gardinen enden schnell.
Betriebsratschef Einenkel "sehr heftig überrascht"
Deshalb: „Wir sind sehr heftig überrascht worden“, wird der Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel am Nachmittag sagen. Plötzlich ging es nicht mehr um Prozente, sondern um alles oder nichts. Denn in einem Mitarbeiterbrief pünktlich zu den Verhandlungen hat der Aufsichtsratsvorsitzende Steve Girsky eine Werksschließung schon Ende 2014 wieder ins Gespräch gebracht. Wenn bei den Verhandlungen keine Einigung erzielt werde, heißt es da, werde man sich „selbstverständlich an den Standortsicherungsvertrag halten. Dieser Vertrag läuft allerdings Ende 2014 aus . . . und zum 1. Januar 2015 würde die Fertigung in Bochum komplett eingestellt.“ Bisher hatten die 5000 direkt und indirekt Beschäftigten nach mündlichen Aussagen aus der Firmenspitze davon ausgehen können, dass das Ende zwei Jahre später käme.
Da stehen sie dann, 14 Uhr, Tor 4 – im Werk und doch in der Kälte, was eigentlich ein ganz gutes Bild abgibt für ihre Situation. Und man denkt unwillkürlich: so große Hallen, so wenig Menschen. Die Informationsveranstaltung ist kurzerhand zur Betriebsversammlung geworden, und vielleicht 1000 Opelaner sind dabei. Journalisten müssen draußen bleiben, aber die Versammlung ist nur 20 Meter entfernt – nicht zum Greifen nah, doch zum Zuhören.
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Betriebsrat wirft Opel-Führung Erpressung vor
Rainer Einenkel, wie er auf der Ladefläche eines kleinen orangefarbenen Werksfahrzeugs steht und zu den Männern redet. „Erpressung“ sei das, sagt er, Opel wolle nur bis Ende 2016 weitermachen in Bochum, „wenn wir bis 2016 auf alle Tariferhöhungen verzichten“. Der Vorstand wolle „euer Weihnachtsgeld haben, euer Urlaubsgeld haben, eure Arbeitsplätze haben“. Das sei eine „Kriegserklärung“. Sie wehren sich mit Pfiffen, sie buhen, gehen dann ins Werksinnere, besprechen sich. Arbeiten oder nicht arbeiten?
Man bekommt, wenn man den einen oder anderen anspricht, alle denkbaren Meinungen zum jahrelangen Kampf um Opel. Kampfeswille wie Resignation oder Nichternstnehmen; sie schütteln die Köpfe, zucken mit den Schultern oder machen die Faust. „Ich bin hier 25 Jahre, das Schließungsgerede ist unsere Begleitmusik seit 2004“, sagt ein Elektromonteur: „Ich kriege ja sonst nichts mehr, aber solange der Laden hier noch läuft . . .“ Und als Zaungast am Gittertor meint ein Betriebsrentner, jetzt schon viele Jahre raus: „Wir waren noch mehr Familienbetrieb. Es wurde sehr viel geschaffen. Heute beutet man die Leute aus.“
Entscheidet der Opel-Aufsichtsrat Ende kommender Woche?
Die Arbeitnehmervertreter gehen davon aus, dass der Opel-Aufsichtsrat Ende nächster Woche die Schließung des Bochumer Werks formell beschließen soll. Zuvor gibt es noch einmal Verhandlungen über den Tarifvertrag zwischen Gewerkschaftern und Opel-Management geben.
Schon länger wird darüber verhandelt, wie es in Bochum weitergehen könnte. Die gemeinsame Initiative von Opel und der NRW-Landesregierung, mit der sogenannten Perspektive 2022 möglichst viele Stellen in Bochum über Alternativproduktionen zu erhalten, „kann nur auf der Basis einer Einigung zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung erfolgreich sein“, sagte NRW-Wirtschaftsminister Duin. Danach sah es am Dienstag aber nicht aus.