Bochum. Die Stadt Bochum hatte Bürger zu Tempo-Reduzierungen befragt. Fast alle Vorschläge wurden abgelehnt. Jetzt berät ein Ausschuss darüber.
Die Stadtverwaltung hat einen Großteil von Bürgerwünschen, das Tempo auf Bochumer Straßen häufiger als bisher reduzieren zu können, abgelehnt. Das ergibt sich aus einer Beschlussvorlage des Amtes für Stadtplanung und Wohnen. Am Mittwoch, 17. Januar, berät der Ausschuss für Mobilität und Infrastruktur die Beschlussvorlage. Am 1. Februar entscheidet der Rat darüber.
Das Bochumer Fahrradbündnis „Radwende“ erklärt dazu: „Was sich nach einem harmlosen Verwaltungsvorgang anhört, hat in Wirklichkeit erhebliche Auswirkungen auf den Alltag der Bochumer*innen.. Denn es geht praktisch um die Geschwindigkeit auf allen kommunalen Straßen.“
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Im November und Dezember 2022 hatte die Stadt den Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit geboten, online Vorschläge zu Tempozonen einzureichen und Straßen vozuschlagen, die aus dem so genannten Vorbehaltsstraßennetz herausgenommen werden sollten. Das sind Straßen, auf denen in der Regel eine Höchstgeschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde gilt und über die sämtliche Kraftverkehre, auch der Schwerverkehr, fließen. Tempo-30-Zonen sind dort nur in Ausnahmefällen erlaubt, etwa an Schulwegen oder zum Lärmschutz. Auf Straßen außerhalb des Vorbehaltsstraßennetz kann leichter Tempo 30 angeordnet werden.
Bürger machten 121 Vorschläge zu Tempo-Reduzierungen
„Aufgrund rechtlicher Rahmenbedingungen und zur Wahrung des Netzzusammenhanges musste der Großteil abgelehnt werden“, heißt es in der Beschlussvorlage über die Bürgervorschläge. Zu Temporeduzierungen gingen 121 Vorschläge ein – 114 wurden abgelehnt.
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„Viele Anregungen waren aus Bürgersicht zwar nachvollziehbar, allerdings fehlte in den meisten Fällen die rechtliche Grundlage, um flächendeckend oder auf längeren Abschnitten Tempo 30 anzuordnen. Auch die Belange eines leistungsfähigen Öffentlichen Nahverkehrs sind dabei zu berücksichtigen“, so die Stadt.
Zur Herausnahme aus dem Vorbehaltstraßennetz kamen 29 Anregungen – abgelehnt wurden alle. „In fast allen Fällen war dies mit dem Netzzusammenhang oder der Verkehrsbedeutung der Straße zu begründen.“
Stadt muss „Partikularinteressen und Allgemeinwohl“ gegeneinander abwägen
An anderer Stelle heißt es in der Beschlussvorlage, dass die Stadt „Partikularinteressen und Allgemeinwohl“ gegeneinander abwiegen müsse. Dass so viele Bürgeranregungen nicht berücksichtigt worden seien, „könnte aus Sicht der Bevölkerung zur Enttäuschung führen, allerdings müsse die Stadt Bochum ein „robustes und gut strukturiertes Straßennetz“ sicherstellen.
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„Sehr enttäuscht“ ist auf jeden Fall das Bochumer Fahrrad-Bündnis „Radwende“. Durch die Herausnahme von Straßen aus jenem Netz könne die Stadt eigenständig Tempo 30 einführen. Auf 130 Kilometern Straße wäre dies in Bochum möglich. „Stattdessen schlägt die Verwaltung vor, nur wenige Kilometer aus dem Vorbehaltsstraßennetz zu nehmen“, sagt Dominik Bald von der Radwende.
Radwende Bochum: Viel mehr Straßen müssen aus dem Vorbehaltsstraßennetz raus
Das Bündnis fordert die Fraktionen im Rat auf, die Beschlussvorlage zu ändern. Und schlägt vor, einen größeren Teil der Straßen aus dem Vorbehaltsstraßennetz zu nehmen. „Dies bedeutet nicht automatisch, dass auf allen kommunalen Straßen in Zukunft Tempo 30 gelten wird, aber die Herausnahme der Straßen bietet der Stadt bzw. den demokratisch gewählten Vertreter:innen die Möglichkeit, in Zukunft über das Tempo auf den Straßen entscheiden können.“
Fahrrad-Bündnis: Mehr Tempo 30 macht neue Radwege überflüssig
Die Stadt würde mit mehr Tempo 30-Zonen auch „ein klares Signal senden“, die seit 2021 in der Straßenverkehrsordnung verankerte „Vision Zero“ (Null Verkehrstote) „als zentrale Leitlinie ihres Handelns auch praktisch umzusetzen“. Die Ausweitung von Tempo 30 würde noch dazu auf einigen Straßen den Bau von Radwegen überflüssig machen, denn bis 30 km/h wäre ein Mischverkehr verträglich. Es ließe sich damit viel Geld sparen.
Straßennetz wird überarbeitet
Die Bürger-Befragung online erfolgte im Zusammenhang mit der Überarbeitung des Vorbehaltsstraßennetzes, die die Stadt erstmals seit Jahren vornimmt. Das nächste Gremium, in dem das Thema vorberaten wird, ist der Ausschuss für Mobilität und Infrastruktur am 17. Januar.
Anfang 2021 war die Stadt Bochum der „Städteinitiative Tempo 30“ beigetreten; diese wird vom Deutschen Städtetag unterstützt und soll den Kommunen mehr Entscheidungskompetenzen bei der Festlegung von zulässigen Geschwindigkeiten innerhalb der eigenen Kommune geben.
Die Stadt weist allerdings auch darauf hin, dass sie im Laufe der vergangenen zwölf Monate durchaus weitere Straßen in das Tempo-30-Zonen aufgenommen habe:
Brenscheder Straße zwischen Universitätstraße und Bruchstraße, Am Eickhoffpark, Friedrich-Harkort-Straße, Goystraße zwischen Wittener Straße und Ketteler Straße, Berthastraße bis zur Stadtgrenze Herne, Rüggenberg, Mechenbergstraße sowie Bertramstraße.