Bochum. Auch ohne Tempolimit sollen Fahrer den Fuß freiwillig vom Gas nehmen. Dazu ruft die Initiative „Health for Future“ auf. Eine Partei widerspricht.

120 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen, 30 km/h innerorts: An diese Höchstgeschwindigkeiten sollen sich Verkehrsteilnehmer in Bochum fortan aus eigenen Stücken halten. Die Initiative „Health for Future“ ruft zum freiwilligen Tempolimit auf. Damit könne der Klimaschutz gefördert und Einfluss auf die Politik genommen werden.

Freiwilliges Tempolimit: Mediziner warnen vor Folgen des Klimawandels

Die Schüler bei „Fridays for Future“ marschieren. Die Mitarbeiter im Gesundheitswesen bei „Health for Future“ informieren: 2022 hat sich in Bochum eine Ortsgruppe der bundesweiten Klimaschutz-Bewegung gegründet. „Wir wollen aufzeigen, welche gesundheitlichen Folgen die Erderwärmung schon jetzt hat. Denn die erleben wir bei unseren Patienten alltäglich“, sagten Dr. Dagmar Engels und Britta Paulusch im Gespräch mit der WAZ.

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Dagmar Engels führt eine Hausarztpraxis in Wattenscheid. Britta Paulusch ist Fachärztin für Frauenheilkunde und ärztliche Psychotherapeutin. Beide zählen zu den Ärztinnen und Ärzten, Therapeutinnen und Therapeuten sowie Pflegekräften, die sich bei „Health for Future“ engagieren und ihre medizinische Expertise einbringen.

Britta Paulusch (re.) und Dr. Dagmar Engels von der Initiative „Health for Future“ konstatierten schon vor einem Jahr im WAZ-Gespräch: „Klimaschutz ist immer auch Gesundheitsschutz.“
Britta Paulusch (re.) und Dr. Dagmar Engels von der Initiative „Health for Future“ konstatierten schon vor einem Jahr im WAZ-Gespräch: „Klimaschutz ist immer auch Gesundheitsschutz.“ © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Bochumer Ärztinnen: Bürger sind vielfach schon weiter als die Politik

„Klimaschutz ist immer auch Gesundheitsschutz“, warnen Engels und Paulusch. Alarmierend seien die auch 2023 zunehmenden Hitzeperioden. „Die Zahl der Herzinfarkte, Thrombosen, Lungenembolien und Schlaganfälle steigt in diesen Phasen deutlich an.“ Mit ihren Mitstreitern fordern die Bochumerinnen die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens zur Begrenzung der Erdoberflächenerwärmung auf unter 1,5 Grad. „Dafür brauchen wir jetzt endlich effektiven Klimaschutz.“

Die Politik dürfe dabei keine falsche Rücksicht üben. Engels und Paulusch: „Umfragen haben ergeben, dass 80 Prozent der Bevölkerung nachhaltige Maßnahmen ausdrücklich befürworten. Da sind die Bürger vielfach schon weiter als die Politik.“

Gesetzliches Tempolimit hätte „weitreichenden Nutzen“

Das gelte auch für ein gesetzliches Tempolimit. Das hätte „weitreichenden Nutzen“, sagt Britta Paulusch. Nach neuesten Erhebungen könnten bei einer Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h auf Autobahnen die Treibhausgasemissionen um 6,7 Mio. Tonnen gesenkt werden. „Mit 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen und 30 km/h innerorts erreichen wir sogar eine Reduktion von 11,1 Mio. Tonnen pro Jahr.“

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Hinzu komme die Senkung von weiteren Schadstoffen und Lärm. „Dadurch kann das Auftreten von Herzkreislauf- und Lungenerkrankungen sowie von Diabetes und psychischen Belastungen reduziert werden. Auch die Zahl der Verletzten und Toten durch Verkehrsunfälle würde sinken“, so „Health for Future“ und glaubt: „Ein Tempolimit entspricht dem Willen der Mehrheit der Bevölkerung.“

Auf der Herner Straße wurde 2018 Tempo 30 eingeführt. An diese Höchstgeschwindigkeit sollten sich Autofahrer innerorts überall halten, regt die Initiative „Health for Future“ an.
Auf der Herner Straße wurde 2018 Tempo 30 eingeführt. An diese Höchstgeschwindigkeit sollten sich Autofahrer innerorts überall halten, regt die Initiative „Health for Future“ an. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

FDP: In dieser Legislaturperiode wird es kein Tempolimit geben

Da es die Bundesregierung nicht schaffe, ein gesetzliches Tempolimit in Kraft zu setzen, sollen die Bürgerinnen und Bürger freiwillig den Fuß vom Gas nehmen. Motto: „Wir fahren langsamer und kommen trotzdem ans Ziel!“ Die Teilnahme kann auf der Website healthforfuture.de bestätigt werden. Nach Abschluss der Kampagne soll ein Offener Brief an die Bundesregierung geschickt werden.

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Der Bochumer FDP-Vorsitzende Léon Beck zweifelt an den Zahlen von „Health for Future“.
Der Bochumer FDP-Vorsitzende Léon Beck zweifelt an den Zahlen von „Health for Future“. © FFS

Die FDP in Bochum begrüße zwar „bürgerschaftliches Engagement, das auf Freiwilligkeit setzt“, so Vorsitzender Léon Beck auf WAZ-Anfrage. „Health for Future“ gehe es aber vor allem darum, Druck auf die Bundesregierung auszuüben. Dabei sei im Koalitionsvertrag klar geregelt, dass ein Tempolimit in dieser Legislaturperiode nicht kommen werde. Zweifel äußert Beck an den vorlegten Zahlen. Eine Studie der FDP-Fraktion im Bundestag habe bei Tempo 120 auf Autobahnen eine Einsparung von 1,1 Millionen Tonnen CO2 ergeben: ein Sechstel der von „Health for Future“ genannten Summe.

Bündnis fordert eine autofreie Bochumer Innenstadt

Einen Schritt weiter geht das „Bündnis Zukunftsfähiges Bochum“. Der Zusammenschluss aus klima- und sozialpolitischen Initiativen ruft für Freitag, 18. August, zu einer Demonstration auf. Die Forderung: eine autofreie Innenstadt innerhalb des City-Rings. Auch das Bündnis führt den Umweltschutz an und fordert Vorfahrt für den Radverkehr.