Berlin. . Die Serie von Vorwürfen gegen Bundespräsident Wulff reißt nicht ab: Wie jetzt bekannt wurde, soll er auch Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner gedroht haben. Derweil haben Hunderte Demonstranten mit ungewöhnlichen Mitteln den Rücktritt Wulffs verlangt: Sie reckten Dutzende Schuhe in die Höhe.
Bundespräsident Christian Wulff soll auch Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner gedroht haben. Wenn der Artikel über seinen Privatkredit erscheine, dann bedeute das Krieg zwischen dem Bundespräsidialamt und dem Medienkonzern bis zum Ende von Wulffs Amtszeit, sagte Wulff laut "Spiegel", der sich auf Springer-Verlagskreise berief. Der Bundespräsident habe zunächst eine Nachricht auf Döpfners Mailbox hinterlassen, woraufhin ihn dieser zurückgerufen und einen empörten Präsidenten am Telefon gehabt habe.
Ein Sprecher des Axel Springer Verlags bestätigte auf dapd-Anfrage die Darstellung des Nachrichtenmagazins, wollte den Bericht aber nicht weiter kommentieren. Der Anruf habe "im direkten Umfeld" von Wulffs Anruf bei "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann stattgefunden, hieß es.
Linke bringt Amtsenthebungsverfahren ins Gespräch
Neue Gerüchte in der Affäre um Christian Wulff: Angeblich sollen sich die Koalitionspartner bereits auf ein Prozedere für den Fall verständigt haben, dass der Bundespräsident sein Amt niederlegt. Entsprechende Medienberichte dementierten die Parteispitzen allerdings umgehend, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wies die Darstellung am Samstag zurück. Unterdessen wächst die Kritik auch innerhalb der Regierungskoalition. SPD und Grüne drängten die Kanzlerin zu einem Machtwort. Der Linke-Politiker Wolfgang Neskovic hält sogar Amtsenthebungsverfahren für möglich.
Wie die "Rheinische Post" und die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" berichteten, haben sich die Parteichefs der schwarz-gelben Koalition, Merkel, Philipp Rösler (FDP) und Horst Seehofer (CSU) bereits auf ein Verfahren zur Nominierung eines neuen Kandidaten geeinigt.
Die Koalition sei auf der Suche nach einem Kandidaten, der auch für die Sozialdemokraten akzeptabel wäre. Namentlich genannt würden der frühere Umweltminister Klaus Töpfer oder Bundestagspräsident Norbert Lammert (beide CDU), berichtete die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Nach Informationen der "Rheinischen Post" ist auch Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) im Gespräch.
Koalitionsspitzen dementieren Pläne
Die Spitzen von Union und FDP dementierten umgehend die Existenz eines solchen Plans. Die Kanzlerin sehe keine Veranlassung, "über eine Nachfolge für den Bundespräsidenten zu sprechen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". CSU-Chef Horst Seehofer sagte der Nachrichtenagentur dapd, der Bericht sei "schlichtweg die Unwahrheit". Und auch aus der FDP-Spitze verlautete, der Zeitungsbericht sei "kompletter Unfug".
Dennoch wächst auch in der Regierungskoalition die Kritik an dem Bundespräsidenten. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe beklagte in einem "Spiegel"-Interview "Ungeschicklichkeiten und Fehler" des Staatsoberhaupts. Wulff verdiene aber eine Chance, Vertrauen wieder aufzubauen. Auch Abgeordnete der Unions-Fraktion kritisierten Wulff. "Mit der scheibchenweisen Aufklärung des Sachverhalts hat sich Christian Wulff keinen Gefallen getan", sagte Marco Wanderwitz dem Magazin. Der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein beklagte, das Krisenmanagement sei "nicht professionell".
Hunderte demonstrieren vor Schloss Bellevue
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier verlangte von Merkel ein Machtwort. Statt "laue Erklärungen zur Rückendeckung" abzugeben, müsse sich Merkel endlich zu der Bewertung durchringen, "ob die Präsidentschaft Wulff für weitere dreieinhalb Jahre trägt", sagte Steinmeier dem "Tagesspiegel am Sonntag". Grünen-Chef Cem Özdemir wies Merkel eine Mitverantwortung in der Affäre zu.
Der Linke-Politiker Neskovic hält sogar einen erzwungenen Rücktritt Wulffs für möglich. Wenn sein umstrittener Drohanruf bei der "Bild"-Zeitung den Tatbestand der versuchten Nötigung erfülle, könne ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet werden, sagte der frühere Bundesrichter der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Nach dapd-Informationen drohte Wulff bei seinem Anruf bei "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann dem Verlag mit strafrechtlichen Konsequenzen. Bei den Recherchen der Zeitung handle es sich um "eine unglaubliche Geschichte", die "zum endgültigen Bruch" mit dem Axel-Springer-Verlag führen würde, sagte Wulff. Wie der "Spiegel" vorab berichtete, soll Wulff auch Verlagschef Mathias Döpfner in einem Telefonat mit Konsequenzen gedroht haben.
Mit ungewöhnlichen Mitteln verlangten am Samstag Hunderte Demonstranten in Berlin den Rücktritt Wulffs. Nach Angaben der Veranstalter kamen zu der Aktion "Wulff den Schuh zeigen" vor dem Schloss Bellevue rund 400 Teilnehmer zusammen, die Polizei sprach sogar von 450. (dapd)