Berlin. . Begleitet von einer Heerschar Kameras brachten 55 kleine Könige aus Duisburg, Gelsenkirchen und Neuenrade der Familie des umstrittenen Bundespräsidenten Weihnachtsgrüße und den Segen zum neuen Jahr. Erst als die Presse weg war, wurde es für die Kinder richtig angenehm.
„Klopft an Türen, pocht auf Rechte!“ Das Motto der diesjährigen Sternsingeraktion nahmen die 55 kleinen Könige aus Duisburg, Gelsenkirchen und aus Neuenrade (Märkischer Kreis) gestern in Berlin durchaus wörtlich: Erst nach ein paar Schlägen öffnete sich die wuchtige Holztür des Schloss Bellevue und die Hausherren Christian und Bettina Wulff traten heraus – begleitet vom Dauerklicken einer Kamera-Heerschar. Es könnten so schöne Bilder sein für den derzeit so umstrittenen Präsidenten. Der erste öffentliche Termin im neuen Jahr, und die Eheleute lächeln und strahlen, als stünden tausende Bürger jubelnd vor ihnen. „Herzlich willkommen“, ruft Wulff den 55 Kindern aus dem Ruhrbistum zu, die zum Sternsinger-Empfang gekommen sind. Und während die Kinder zur Begrüßung „Gloria, Gloria“ singen, macht Wulff mit eisernem Dauerlächeln klar, was dieser Empfang vor allem sein soll: die Rückkehr ins Tagesgeschäft, in die Alltagsroutine.
Aber nichts ist normal, als Wulff die Gäste in den Großen Saal bittet. Der Präsident ist bei aller Disziplin verkrampft, die Kinder nervös, Bettina Wulff atmet schwer im schwarzen Kostüm - vor ihnen steht eine Hundertschaft von Reportern, als sei der amerikanische Präsident zu Gast.
Für den Empfang haben die Sternsinger seit Wochen ein kurzes Theaterstück vorbereitet, ausgerechnet – „pocht auf Rechte!“ – zum Thema Meinungs- und Redefreiheit. Die Rechte dürften nicht nur auf dem Papier stehen, antwortet Wulff ungerührt. Er freut sich angeblich über das „gewisse Interesse“ der Medien und sagt zu den Kindern Sätze, die in der Öffentlichkeit nachklingen sollen: „Wir alle sollen Segen sein und kein Fluch.“ Wer wie er selbst einst als Sternsinger „mutig gestanden hat, kann das auch heute.“
Kurz bevor die Journalisten gehen müssen, holt Wulff die Affäre dann doch noch ein. „Herr Bundespräsident, wie fühlen Sie sich?“, ruft ein Reporter. Wulffs Lächeln wird schmal, aber er hat auf die Frage gewartet: „Die letzten Tage waren jedenfalls so – die letzten Wochen – dass man, in meinem Leben jedenfalls, das sich nicht noch einmal zumuten muss.“ Man solle „Verständnis dafür haben, dass ich mich freue, dass das Jahr 2012 jetzt losgeht und man sich wieder seinen wirklichen Aufgaben zuwenden kann“.
Die besteht für das Präsidentenpaar darin, gute Gastgeber zu sein. Als die Kameraleute abgezogen sind, gibt’s für die Kinder und ihre Begleiter Brezeln und Getränke – und eine Hausführung. „Wir wurden in zwei Gruppen aufgeteilt, eine ist dann mit dem Präsidenten losgezogen und eine andere mit seiner Frau“, erzählt später Katharina Schwarz. Die 24-jährige Duisburgerin war als Begleiterin der Sternsinger aus der Duisburg-Neumühler Herz-Jesu-Gemeinde eingeladen worden. „Das war total familiär“, sagt sie. Selbst Wulffs kleiner Sohn sei mit den Sternsingern durchs Schloss gezogen. Ein Familienbesuch also, wie ihn die Sternsinger an Rhein und Ruhr in diesen Tagen tausendfach absolvieren.
Fast – denn ein so gediegenes Ambiente segnen die Nachfolger der biblischen Sterndeuter eben doch eher selten. „Das Schloss hat die Kinder total beeindruckt“, sagt Schwarz, „und die Tatsache, dass die Wulffs so gut wie gar nicht darin leben.“ Die Krise um den Präsidenten sei jedenfalls beim privaten Miteinander kein Thema mehr gewesen. Die Kinder hätten während der rund eineinhalb Stunden mit Wulffs ganz andere Dinge über das Leben im präsidialen Schloss wissen wollen, berichtet sie weiter.
Und ihren Segen durften die Sternsinger gleich zweimal erteilen: Weil wegen der großen Journalistenschar der Platz im Schloss zu eng war, gab es für die Mitarbeiter des Bundespräsidialamtes im Anschluss einen eigenen Termin.
An die Schloss-Pforte durfte Pascal aus Duisburg mit Kreide „20+C+M+B+12“ schreiben, das Zeichen für den traditionellen Wunsch „Christus segne dieses Haus, und die drin gehen ein und aus“. Den kann Schloss Bellevue dieser Tage gut gebrauchen.