Berlin. Sternsinger im Schloss Bellevue - es ist der erste offizielle Termin des Bundespräsidenten Christian Wulff im neuen Jahr. Er bemüht sich um Normalität. Doch die Affäre um seinen Privatkredit holt ihn auch an diesem Tag ein.

Es könnten so schöne Bilder sein für den Präsidenten. Kurz nach elf Uhr treten Christian Wulff und seine Frau Bettina kerzengerade aus dem Schloss Bellevue, sie lächeln und strahlen, als stünden tausende Bürger jubelnd vor ihnen auf dem Ehrenhof. „Herzlich willkommen“, ruft Wulff den 55 Kindern aus Duisburg, Gelsenkirchen und Neuenrade zu, die zum traditionellen Sternsinger-Empfang gekommen sind.

Der Empfang ist Wulffs erster offizieller Termin im neuen Jahr, und während die Kinder zur Begrüßung „Gloria, Gloria“ singen, macht Wulff mit eisernem Dauerlächeln klar, was dieser Empfang vor allem sein soll: Die Rückkehr ins Tagesgeschäft, in die Alltagsroutine.

Aber nichts ist normal, als Wulff die Sternsinger aus dem Bistum Essen in den Großen Saal bittet. Der Präsident ist bei aller Disziplin verkrampft, die Kinder nervös, Bettina Wulff atmet schwer im schwarzen Kostüm - vor ihnen steht eine Hundertschaft von Reportern, als sei der amerikanische Präsident zu Gast.

Wulff gesteht Belastung ein

Für den Empfang haben die Sternsinger seit vielen Wochen ein kurzes Theaterstück vorbereitet, ausgerechnet zum Thema Meinungs- und Redefreiheit. Die Rechte dürften nicht nur auf dem Papier stehen, antwortet Wulff ungerührt, ohne auf die aktuelle Debatte über die Pressefreiheit einzugehen.

Wulff freut sich angeblich über das „gewisse Interesse“ der Medien und sagt zu den Kindern Sätze, die in der Öffentlichkeit nachklingen sollen: „Wir alle sollen Segen sein und kein Fluch.“ Wer wie er einst als Sternsinger „mutig gestanden hat, kann das auch heute.“

Der Empfang geht zu Ende, da holt Wulff die Affäre doch noch ein: „Herr Bundespräsident, wie fühlen Sie sich?“, ruft ein Reporter. Wulffs Lächeln wird schmal, aber er hat auf die Frage gewartet: „Die letzten Tage waren jedenfalls so - die letzten Wochen - dass man, in meinem Leben jedenfalls, das sich nicht noch einmal zumuten muss.“ Und dann fügt er hinzu: „Also insofern denke ich mal, werden Sie Verständnis dafür haben, dass ich mich freue, dass das Jahr 2012 jetzt losgeht und man sich wieder seinen wirklichen Aufgaben zuwenden kann.“

Fragenkatalog an Wulff

Das ist Wulffs Hoffnung. Aber ist sie realistisch? Sein Versuch, mit dem Fernsehauftritt am Mittwoch die Affäre zu beenden, ist gescheitert: Im TV-Interview hat er über seinen Anruf bei der „Bild“-Zeitung offenbar nicht die ganze Wahrheit gesagt, das wird ihm nun zur neuen Last. Die Stuttgarter BW-Bank widerspricht am Freitag Angaben zum Zustandekommen des günstigen Darlehens. Und in Niedersachsen legen die Grünen einen hundert Punkte umfassenden Fragenkatalog an die Landesregierung zu den Krediten, zu Urlauben, zu Aktivitäten und Beziehungen des früheren Ministerpräsidenten vor. Die Regierung verspricht zügige Beantwortung, es droht neues Ungemach.

Der Präsident habe ein „durchweg taktisches Verhältnis zur Wahrheit“, sagt Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel, er spricht von einer „Berlusconisierung“ und von „Abgründen, die ich nicht für möglich gehalten habe.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel immerhin hält einstweilen zu ihrem Präsidenten: Merkel habe nach wie vor „große Wertschätzung“ für Wulff als Menschen und als Bundespräsidenten, sagt ihr Regierungssprecher Steffen Seibert. Wulffs Interview sei ein wichtiger Schritt gewesen, das Vertrauen der Bürger wiederherzustellen, mit einer Mischung aus Transparenz und seiner täglichen Arbeit könne Wulff Vertrauen zurückgewinnen.

Es klingt, als sei Wulff Präsident auf Bewährung. Aber dass die Affäre nun beendet sei, diese Hoffnung hat Merkel offenbar nicht mehr. Sie habe volles Vertrauen, dass Wulff alle weiteren relevanten Fragen offen beantworten werde, sagt Seibert. Es gebe aber keinen Moment, in dem festgestellt werden könne, nun sei ein Thema vorbei.