Essen. . Die Affäre Wulff hat die Rufe wieder lauter werden lassen. Auch der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim ist dafür. Er weiß aber auch, warum die Politik das verhindern wird: Ein unabhängiger Präsident könnte für jede Menge Scherereien sorgen.
Könnte das Volk den Bundespräsidenten direkt wählen, säße heute Joachim Gauck im Schloss Bellevue und der Nation wäre das Fremdschämen für das Staatsoberhaupt erspart geblieben. Das ist ein Argumentationsstrang, der sich in diesen Tagen wie ein roter Faden durch die Leserbriefspalten zieht. Christian Wulff wird von vielen Bürgern als Bundespräsident von Merkels Gnaden wahrgenommen; und die Debatte um ihn befeuert die grundsätzliche Frage, wer Deutschlands Staatsoberhaupt wählen soll.
Aktuell ist das die Bundesversammlung, dieses monströse,1200-köpfige Gremium aus Bundestagsabgeordneten und Wahlfrauen und -männern, die die Länderparlamente bestimmen. Ein Verfahren, das für die Politik unliebsame Überraschungen verhindert – bislang gewannen immer Kandidaten, deren Lager in der Bundesversammlung die Mehrheit hatte.
Die Präsidenten forderten es selbst
Würde die Direktwahl des Bundespräsidenten seine Legitimation stärken? Richard von Weizsäcker hat daran geglaubt, Johannes Rau und Horst Köhler auch – alle drei Wulff-Vorgänger plädierten für die Direktwahl; selbstverständlich erst, nachdem sie von der Bundesversammlung gewählt worden waren. In der Politik traf das nie auf große Gegenliebe: lediglich FDP und Linkspartei signalisierten im Jahr 2007 Zustimmung, als Köhler für die Direktwahl eintrat. Das Hauptargument der Kritiker des Vorschlags: Eine Direktwahl würde dem Wesen der repräsentativen Demokratie widersprechen. Nicht einmal der Regierungschef wird direkt gewählt. Umso weniger sinnvoll wäre dies im Fall des Bundespräsidenten, der weit weniger Befugnisse als der Bundeskanzler hat und vor allem repräsentieren soll. Einer Ausweitung der Machtbefugnisse des Staatsoberhauptes stehen aber die historischen Erfahrungen aus der Weimarer Republik entgegen.
„Unabhängiger von der Regierung“
Der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth hält auch aus einem anderen Grund wenig von der Idee: „Der Bundespräsident wäre dann jemand, der aus einer polarisierenden Wahlkampfsituation herauskommt. Er hätte es schwer, integrierend zu wirken.“
Ganz anders der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim: „Durch eine Direktwahl würde jemand gewählt, der unabhängiger von der Regierung wäre.“ Allerdings glaubt von Arnim nicht, dass es jemals dazu kommt. Denn dafür müsste das Grundgesetz geändert werden. Das werde die Politik nicht mitmachen. Denn ein unabhängiger Bundespräsident könnte jede Menge Scherereien machen: „Er könnte der Regierungsmehrheit in den Arm fallen, etwa, indem er die Unterschrift unter Gesetze verweigert, die er für verfassungswidrig hält“, so der Verfassungsrechtler. Und nicht zuletzt: „Die politische Klasse hat ein unheimliches Interesse an Ämtern.“