Berlin. Die Kredit-Affäre ist für Bundespräsident Wulff längst nicht vorbei. Die Oppostion verschärft ihren Ton gegen den Bundespräsidenten, neue Ungereimtheiten bei seinem Hauskauf tauchen auf und er bekommt Besuch von Demonstranten.
Die Kritik an Bundespräsident Christian Wulff verstummt nicht. Hunderte Menschen haben am Samstag in Berlin vor dem Schloss Bellevue gegen Wulff demonstriert. Der Veranstalter sprach von 400 Teilnehmern, die Polizei von 450. Die Menschen schwenkten Plakate mit Aufschriften wie "Wulff go home" oder "Bundespräsidenten haben kurze Beine" und riefen: "Wulff muss weg".
Die Kundgebung war unter dem Motto "Shoe for you, Mr. President" (Ein Schuh für Sie, Herr Präsident) bei der Polizei angemeldet worden. Die Demonstranten schwenkten von der gegenüberliegenden Straßenseite aus ihre Schuhe in Richtung Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Staatsoberhauptes. In der arabischen Welt gilt dies als Zeichen tiefer Verachtung.
Gabriel: „Unwürdig und abstoßend“
Auch die Opposition bezieht immer deutlicher Position gegen Wulff. SPD-Chef Sigmar Gabriel griff Wulff erstmals in scharfem Ton für sein Verhalten in der Kredit-Affäre an. Gabriel sagte der „Bild“-Zeitung: „Es ist schlimm, dass der Bundespräsident es so weit hat kommen lassen. Diese ganze Auseinandersetzung ist unwürdig und abstoßend.“ Gabriel warf Wulff vor, die Maßstäbe für Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit in die falsche Richtung zu verschieben. „Kassiererinnen im Supermarkt werden schon entlassen, weil sie nur einen Pfandbon eingesteckt haben, aber der Bundespräsident meint, für ihn können Sonderregeln gelten. Andere Politiker mussten wegen Bonusmeilen zurück treten. Und was sollen wir denn dem kleinen Beamten sagen, der bei der Annahme eines Geschenks seinen Job verliert?“
Auf die Frage, warum die SPD keinen Rücktritt von Wulff fordert, sagte Gabriel: „Es ist nicht die Aufgabe der SPD, den Bundespräsidenten zum Rücktritt aufzufordern. Wir haben ihn nämlich nicht gewählt. Bei uns ist klar, dass wir einen besseren Bundespräsidenten wollten: Joachim Gauck.“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, forderte Wulff sogar zur Selbstanzeige auf. „Das bietet Christian Wulff die Chance, die Debatte zu beenden und seine Glaubwürdigkeit wiederherzustellen“, sagte Oppermann der „Rheinischen Post“.
Wulff müsse das für solche Fälle vorgesehene sogenannte Selbstreinigungsverfahren beim niedersächsischen Staatsgerichtshof wählen. „Wenn Wulff sicher ist, dass kein Verstoß gegen das niedersächsische Ministergesetz vorliegt, spricht doch erst recht nichts dagegen, in einem solchen Selbstreinigungsverfahren dies auch feststellen zu lassen“, sagte Oppermann.
Koalition denkt angeblich schon über Nachfolge nach
Unterdessen sollen sich die Parteichefs der schwarz-gelben Koalition, Angela Merkel (CDU), Philipp Rösler (FDP) und Horst Seehofer (CSU), einem Medienbericht zufolge bereits auf ein Verfahren zur Nominierung eines neuen Kandidaten für das Bundespräsidentenamt geeinigt haben. Das will die „Rheinische Post“ aus Regierungskreisen erfahren haben. Sollte Bundespräsident Christian Wulff überführt werden, die Unwahrheit gesagt zu haben, wollen Merkel, Seehofer und Rösler die Unterstützung für Wulff beenden und nach einem Rücktritt in einer gemeinsamen Pressekonferenz einen Kandidaten vorschlagen, der auch vom rot-grünen Lager akzeptiert werden könnte. Man werde einen Vorschlag machen, den „Rot-Grün nicht ablehnen kann“, hieß es dem Bericht zufolge in den Regierungskreisen.
Union und FDP dementieren dies jedoch. Das sei „kompletter Unfug“, hieß es am Samstag aus der Führungsetage der Liberalen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag, Peter Altmaier (CDU) sagte im Deutschlandfunk zu dem Bericht: „Das ist eine blanke Spekulation und die weise ich zurück.“ Er bezeichnete zudem die scharfe Kritik von SPD-Chef Sigmar Gabriel an Wulff als „absolut illegitim“. Er sei „schon ziemlich entsetzt und traurig“ darüber, wie Gabriel versuche, aus der Affäre parteipolitisches Kapital zu schlagen.
Geldgeber verschleiert
Am Samstag wurden auch weitere Details der Kreditaffäre bekannt. Demnach hat Wulff hat bei seinem Hauskauf nach Zeitungsinformationen seine Geldgeber offenbar stärker verschleiert als bislang bekannt war und dabei Experten zufolge ungewöhnliche Mittel angewandt. Wie die „Frankfurter Rundschau“ berichtet, machte Wulff keinen notariellen Vertrag, nannte im Grundbucheintrag seine Kreditgeber nicht und legte bislang keinen Beleg für Tilgungen auf das Darlehen vor, sagte der Fraktionschef der niedersächsischen Grünen, Stefan Wenzel, der Zeitung. „Hier tun sich Abgründe auf, die ich nicht für denkbar gehalten habe“.
Damit bekomme auch die Zahlungsweise neue Brisanz: Wulff ließ sich das Darlehen der Unternehmersgattin Edith Geerkens über 500. 000 Euro mittels eines anonymen Bundesbank-Schecks auszahlen. Wulffs anonymer Scheck trug nach Recherchen der Zeitung die Nummer 83338. Er sei am 18. November 2008 von der Sparkasse Osnabrück ausgestellt worden. „Ich habe noch nie gehört, dass jemand auf diese Weise ein Haus finanziert“, sagte Wenzel. „Das schreit nach einer Überprüfung.“
Die Annahme anonymer Schecks sei „absolut unüblich bei einem Hauskauf“, sagte auch Baufinanzierungsexperte Max Herbst, Chef der bekannten FMH-Finanzberatung in Frankfurt am Main, der Zeitung. Derartige bestätigte Bundesbankschecks bekomme kein normaler Kunde, sie seien für absolute Ausnahmegeschäfte mit ganz großen Beträgen vorgesehen wie etwa bei Auktionen und Zwangsversteigerungen. Das Besondere an dieser Zahlungsweise sei die Verschleierung der Geldquelle, denn bei diesen Schecks erfahre „auch bei der Einlösung keiner, wer der Geldgeber ist“. Es gehe „um das Verbergen der Finanzierungsabläufe“. (dapd/afp)