Berlin. Trotz aller Kritik aus den Bundesländern wollen FDP und CSU an der versprochenen Steuersenkungen festhalten. "Das ist keine Wunschliste", betont die FDP-Fraktionsvorsitzende Homburger in einem Medien-Interview. Laut Experten steigt damit die Schuldenquote des Staates auf Jahrzehnte stark an.

Im Streit um die geplanten Steuerentlastungen 2010 und 2011 fordert die FDP die CDU zur Einhaltung des Koalitionsvertrages auf. In der «Bild»-Zeitung sagte die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger: «Das ist keine Wunschliste. Es ist ein Vertrag, der solide erarbeitet wurde. Wir werden das genauso umsetzen.» Homburger reagierte damit auf die Kritik aus CDU-geführten Bundesländern an den Steuerplänen der neuen Bundesregierung sowie auf die Aussagen des designierten Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble (CDU), der die für 2011 geplanten Steuerentlastungen zuletzt nicht mehr definitiv zusagen wollte.

Auch FDP-Vize Andreas Pinkwart mahnte die CDU, nicht von den im Koalitionsvertrag vereinbarten Steuersenkungen abzurücken. Der «Bild»-Zeitung sagte Pinkwart: «Die Parteitage von CDU, CSU und FDP haben vor der Wahl Steuersenkungen beschlossen. Dort waren auch die Länder mit Delegierten vertreten, die jetzt so tun, als stünden sie vor einer Überraschung.»

Zweifel an den Steuersenkungsplänen wies auch der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) zurück. «2011 wird es zu Steuersenkungen kommen», sagte Fahrenschon der in Düsseldorf erscheinenden «Rheinischen Post». «Man kann jetzt aber noch nicht das Volumen und eine etwaige Struktur benennen.»

Baden-Württemberg stellt Steuersenkungen der Koalition in Frage

Baden-Württembergs Finanzminister Willi Stächele (CDU) hat die schwarz-gelben Steuersenkungspläne in Frage gestellt: «Die Länder haben ihre eigene Finanzverantwortung, der sie gerecht werden müssen. Der Koalitionsvertrag ist noch keine abschließende Festlegung der Länder», sagte Stächele der «Passauer Neuen Presse». Auch Städtetagspräsidentin Petra Roth (CDU) äußerte sich skeptisch: Die Städte lehnten zwar «allgemeine Steuerentlastungen nicht generell ab», sagte Roth. Aber der Bund müsse «bei dem geplanten Volumen seiner Steuerpläne darlegen, wie wir unsere Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger und für die Wirtschaft weiter finanzieren sollen», forderte die Frankfurter Oberbürgermeisterin.

Viele Städte könnten weitere hohe Steuerverluste nicht verkraften. Die Lage der kommunalen Haushalte werde sich im kommenden Jahr voraussichtlich noch zuspitzen: 2010 sei mit einem Defizit «in beispielloser Höhe von mehr als zehn Milliarden Euro» zu rechnen, sagte Roth. Die kommunalen Sozialausgaben würden in diesem Jahr wahrscheinlich erstmals die Marke von 40 Milliarden Euro erreichen. «Die Städte kämpfen schon jetzt mit dramatischen Rückgängen bei der Gewerbesteuer, mit steigenden Sozialausgaben und gewaltigen Kassenkrediten. Nach den »Goldenen Regeln" im Koalitionsvertrag stünden auch die Steuersenkungen unter einem Finanzierungsvorbehalt.

Unicredit: Geplante Steuersenkungen werden Schuldenquote erhöhen

Die von der schwarz-gelben Bundesregierung geplante Steuerreform dürfte Expertenberechnungen zufolge zwar das Wirtschaftswachstum ankurbeln, aber auch die Schuldenquote des Staates auf Jahrzehnte hin stark ansteigen lassen. Bei der Umsetzung der geplanten Steuererleichterungen von 24 Milliarden Euro stiege das langfristige jährliche Wachstum in Deutschland von 1,5 Prozent auf 1,75 Prozent an, ermittelte die Großbank Unicredit für die in Berlin erscheinende Tageszeitung «Die Welt». Allerdings würde dann auch die Schuldenquote bis zum Jahr 2030 auf 91,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anwachsen. In diesem Jahr erreicht sie 72,3 Prozent.

Die Steuersenkungen werden nun laut Unicredit den Anstieg der Schuldenquote stark beschleunigen: Ohne die angekündigte Steuerreform würden die Staatsschulden im Jahr 2014 knapp 79 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Entlastet der Staat jedoch ab 2011 die Steuerzahler wie angekündigt, ohne anderswo Ausgaben zu kürzen oder Steuern zu erhöhen, stiege die Schuldenquote schneller und läge bereits 2014 bei 83 Prozent des BIP. Nach dieser Berechnung kann sich die Steuersenkung nicht selbst finanzieren - zumindest nicht in den kommenden fünf Legislaturperioden. «Ohne zusätzliche Ausgabensenkungen oder höhere Steuern wird die Schuldenquote weiter ansteigen», sagte Deutschland-Volkswirt Alexander Koch von Unicredit. (ddp)