Berlin. Am Mittwoch werden Angela Merkel und ihre Minister vereidigt. Doch wie schafft man es eigentlich zu einem Ministerposten. Sachkunde ist willkommen. Noch wichtiger ist allerdings Durchsetzungsstärke. Beim Außenminister geht es nicht um Kompetenz, sondern politisches Gewicht.
Berlin. Als er Außenminister war, nahm ein britischer Amtskollege Hans-Dietrich Genscher einmal beiseite. "Wie geht das bei euch, der Außenminister in einer, der Regierungschef in der anderen Partei?" Der Liberale sah darin kein Problem. Im Gegenteil! Es stärke die eigene Position. Im Streitfall gehe es "immer auch um Koalitionspolitik". Das wird Guido Westerwelle beherzigen, der am Mittwoch als Außenminister vereidigt wird. Tatsächlich ist er - zumal als Vize-Kanzler - die stärkste Figur neben Angela Merkel. Liegen sie im Clinch, steht die Sinnfrage im Raum.
Spitzenplatz in der Sympathieskala
Es ist eine bewährte Tradition, dass der zweitstärkste Partner das Außenamt besetzt. Es geht nicht um Kompetenz, sondern um politisches Gewicht. Und nebenbei gehört er dann zu den meistfotografierten Ministern. Da der Konsens in der Außenpolitik groß ist, nimmt der Amtsinhaber in der Regel einen Spitzenplatz in der Sympathieskala ein. Da kann man nicht Nein sagen.
Die FDP achtete darauf, in jedem wichtigen Politikfeld (Außen, Innen, Wirtschaft) vertreten zu sein. Über die Ministerien haben die Partner gerungen, über die Besetzung entschied jeder für sich. Fünf Minister stellt die FDP, darunter nur eine Frau. Zum Ausgleich bekommt die FDP eine Fraktionschefin. Fast alle erfolgreichen Verbände finden sich im Kabinett wieder: Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, NRW und Niedersachsen. Regionalproporz, was sonst?
Ein Mann der Praxis
Expertise und Erfahrung bringen Rainer Brüderle (Wirtschaft) wie auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mit. Gesundheitsminister Philipp Rösler ist als Arzt ein Mann der Praxis. Mit ihm setzt der FDP-Chef ein Signal: Erster Minister mit Migrationshintergrund. Die Benennung von Dirk Niebel als Entwicklungshilfeminister mutet dagegen skurril an. Westerwelle wollte seinen Generalsekretär belohnen und keinen Neben-Außenpolitiker dulden. Dirk Niebel ist da unverdächtig.
Die Auswahlkriterien der CSU liegen auf der Hand. Bayern ist ein landwirtschaftlich geprägtes Land - also beließ die CSU das Agrarressort bei Ministerin Ilse Aigner. Reine Interessenpolitik dürfte den Ausschlag für das Verkehrsministerium gegeben haben. Peter Ramsauer drängte sich nicht als Fachpolitiker auf, hat aber als Landesgruppenchef das Recht des ersten Zugriffs. Es ist ein Haus, das oft genug von seinen Staatssekretären geprägt wurde, die im Zweifel die Verteilungskonflikte um Geld mit den Ländern ausfechten. Ein klassisches Ressort sollte für die CSU herausspringen, für Karl-Theodor zu Guttenberg, der im Wirtschaftsministerium für die FDP Platz machen musste. In Frage kamen das Innen- und das Verteidigungsministerium, auf das seine Wahl fiel. Da ist er nahe bei sich. Angefangen hat er nämlich als Außenpolitiker.
Schäuble als kühnster Griff
Sechs Häuser blieben der CDU. Zu wenig. Die Kanzlerin wusste Abhilfe. Die Partei stellt daneben mehrere Staatsminister, einen EU-Kommissar und vor allem den Finanzminister. Wolfgang Schäuble ist Merkels kühnster Griff. "Souverän", raunt man sich in der Union zu. Schäuble ist erfahren, hat eine natürliche Autorität und - einen eigenen Kopf. Für ihn ist die Aufgabe eine Reise zu den Ursprüngen. Er war mal Finanzbeamter. Im Bundestag saß er anfangs im Finanzausschuss. Sachkunde bringt Innenminister Thomas de Maiziere auch mit; er hatte den Posten schon in Sachsen inne.
Keinen Fehlgriff konnte sich Merkel bei der Leitung des Kanzleramts leisten. Ihre Wahl fiel auf Ronald Pofalla, einem engen Mitstreiter, sehr vertraut und loyal. Nur de Maiziere und Pofalla kamen in Frage. Pofalla hatte auf das Sozialministerium geschielt. Das fällt Franz Josef Jung zu. Er repräsentiert die hessische CDU und gehörte zur Herzog-Kommission, die sich mit der Zukunft der Sozialsysteme befasst hat. Völlig unbeleckt ist er nicht.
Ein Amt als Bewährungschance
Norbert Röttgen kommt als Umweltminister nicht vom Fach. Auch Merkel und Sigmar Gabriel, der künftige SPD-Chef, erging es so ähnlich. Es ist ein Zukunftsfeld, für den Minister eine Bewährungschance. Wie relativ Sachkunde ist, zeigt das Beispiel von Bernd Neumann, Staatsminister für Kultur. 2005 war die Szene befremdet. Kein Philosoph, kein Künstler, kein Mann aus dem Milieu! Allein, Neumann ist ein Politiker, der hinter jedem Busch gesessen hat. Durchsetzungsvermögen hat der Mann; viel Geld hat er lockergemacht. Vier Jahre später zitiert Merkel aus Briefen, in denen sie aufgefordert wird, Bernd Neumann zu halten.