Berlin. Nach ihrer erneuten Wahl zur Bundeskanzlerin am Mittwoch hat die Realität Angela Merkel schnell eingeholt. Nein, die Umsetzung der Steuersenkungspläne der Koaltion könne sie nicht garantieren, sagte die Kanzlerin. Auch die Zukunft des Gesundheitsfonds ließ sie offen.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Mittwoch die Art des Sozialausgleichs bei der künftigen Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen offengelassen. Ein Sozialausgleich könne über Steuern, aber auch innerhalb des Gesundheitssystems erfolgen, sagte Merkel am Abend in der ARD-Sendung «Farbe bekennen». Klar sei jedoch, dass Menschen mit unterschiedlichen Einkommen niemals den gleichen Betrag für ihre Krankenversicherung leisten müssten.
Zugleich betone Merkel, es sei noch nicht klar, wie lange es den umstrittenen Gesundheitsfonds noch geben wird, aus dem die Krankenkassen derzeit den weit überwiegenden Teil ihres Geldes beziehen. Im Koalitionsvertrag mit der FDP sei nicht verabredet, wie lange das jetzige Finanzierungssystem im Gesundheitssystem existieren werde, sondern nur, dass es auf alle Fälle bis 2010 erhalten bleibe und dann geprüft werde.
Kritik daran, dass der Koalitionsvertrag in dieser Frage auf eine Kommission verweise, wies Merkel zurück. Auch in der vergangenen Legislaturperiode sei die Gesundheitsreform nicht in den Koalitionsvertrag geschrieben worden. Es müsse auch in den kommenden vier Jahren noch etwas zu vereinbaren geben.
Merkel stellt Steuersenkungen in Frage
Zuvor hatte Merkel nach Finanzminister Wolfgang Schäuble die Höhe der von schwarz-gelb versprochenen Steuersenkungen infrage gestellt. Gleichzeitig verteidigte sie aber am Mittwoch in Berlin die mit der FDP getroffenen Vereinbarungen. Derweil pochten FDP und CSU auf die Einhaltung des Koalitionsvertrags und reagierten damit auf Kritik aus den CDU-geführten Bundesländern. Eine Umfrage belegt, dass die Steuersenkungspläne bei den Bürgern nicht gut ankommen: Fast 70 Prozent sind dagegen.
Merkel bezweifelte, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarte Höhe der Steuerentlastung tatsächlich umgesetzt werden kann. «Auf Punkt und Komma kann ich es ihnen nicht garantieren, weil noch Andere mitwirken, die nicht Teil der Koalitionsvereinbarung sind», sagte die CDU-Chefin der ARD unter Hinweis auf die Länder.
Gleichzeitig erklärte sie, die für Anfang 2010 und Anfang 2011 vorgesehenen Entlastungen seien die richtige Antwort, um Wachstumsimpulse zu setzen, die Binnennachfrage zu stärken.
FDP und CSU wollen Steuersenkungen umsetzen
FDP und CSU ließen dagegen keinen Zweifel daran, dass die Pläne des Koalitionsvertrags umgesetzt werden. FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger sagte in der «Bild»-Zeitung, der Koalitionsvertrag sei keine Wunschliste, sondern ein Vertrag, der solide erarbeitet worden sei. «Wir werden das genauso umsetzen.» Zweifel daran hatte auch der designierte Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) genährt, der sich nicht endgültig darauf festlegen wollte, dass die Steuerentlastungen von 24 Milliarden Euro, die im Koalitionsvertrag ab 2011 angekündigt sind, auch tatsächlich kommen.
Der bayerische CSU-Finanzminister Georg Fahrenschon bekräftigte, 2011 werde es zu Steuersenkungen kommen». «Man kann jetzt aber noch nicht das Volumen und eine etwaige Struktur benennen», sagte er der «Rheinischen Post».
Nur 22 Prozent finden niedrigere Steuern verantwortlich
Dagegen stellten nicht nur Oppositions- und CDU-Landespolitiker die Pläne erneut infrage. Laut der wöchentlichen Umfrage von «Stern» und RTL finden nur 22 Prozent der Bürger niedrigere Steuern auf Kosten des Staatshaushalts verantwortlich. Gegen die Pläne seien 69 Prozent, insbesondere die Anhänger der Oppositionsparteien. Umstritten sind die Steuerpläne der Umfrage zufolge aber auch in den eigenen Reihen: Von den CDU/CSU-Anhängern befürworten nur 26 Prozent Pläne. Für das Steuerthema wurden 1.000 repräsentativ ausgesuchte Bundesbürger vom 19. bis 23. Oktober von Forsa befragt.
CDU-Landespolitiker erneuerten ihre Kritik. Der baden-württembergische Finanzminister Willi Stächele (CDU) sagte der «Passauer Neuen Presse»: «Die Länder haben ihre eigene Finanzverantwortung, der sie gerecht werden müssen. Der Koalitionsvertrag ist noch keine abschließende Festlegung der Länder.»
Auch Städtetagspräsidentin Petra Roth (CDU) äußerte sich skeptisch: Die Städte lehnten zwar «allgemeine Steuerentlastungen nicht generell ab». Der Bund müsse aber «bei dem geplanten Volumen seiner Steuerpläne darlegen, wie wir unsere Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger und für die Wirtschaft weiter finanzieren sollen.»
Schäuble verteidigt Finanzpolitik
Schäuble sagte dem Magazin «Stern», es gehe bei den geplanten Steuerentlastungen auch um die psychologische Wirkung. «Wir müssen jetzt erst einmal weiter ein hinreichendes Maß an Vertrauen und Zuversicht herstellen». Die Steuerentlastung von 20 Milliarden Euro zum 1. Januar 2010 sei jedoch «nah an der Obergrenze».
Neun Stimmen fehlen. Nicht viel, aber genug, um Angela Merkel ein unbeschwertes Lächeln zu vermiesen. Als das Ergebnis ihrer Wiederwahl am Mittwoch im Bundestag verlesen wird, schaut die Bundeskanzlerin gefasst, lächelt gerade so viel wie eben nötig und lässt sich artig beklatschen. Dann tritt sie ans Mikro, um die Wahl anzunehmen, doch selbst das mag nicht recht gelingen - der Schaumstoffaufsatz vom Mikro fällt ab. Merkel fehlen bei ihrer Wahl neun Stimmen aus den eigenen Reihen. Für den Beginn der schwarz-gelben Koalition ist das ein kleiner Makel.
Neun schwarz-gelbe Stimmen fehlten
Am Morgen war Angela Merkel mit 323 Stimmen zur Bundeskanzlerin gewählt worden - neun Stimmen weniger als die Regierungskoalition hat. Dass nicht alle Abgeordneten von Schwarz-gelb für die Kanzlerin stimmten, werteten die Oppositionspartei als Makel. Unionsvertreter bezeichneten es als normal. (ap/ddp)