Mülheim. Das Hotel Handelshof war in Mülheim über Jahrzehnte eine echte Instanz. Welche Geschichten sich innerhalb dieser Mülheimer Mauern abspielten.
Das Haus an der Friedrichstraße 17 bis 19, das wir bis 2022 als Hotel Handelshof gekannt haben, gehört zu den geschichtsträchtigsten Gebäuden der Stadt. Seine seit 1993 denkmalgeschützte Fassade ist ein architektonischer Gruß aus dem Kaiserreich.
Errichtet wurde der spätere Handelshof von 1904 bis 1906. Bauherr war der 1848 gegründete Evangelische Männer- und Jünglingsverein, den wir heute als Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM) kennen. Nach den Plänen des Mülheimer Architekten Franz Hagen, der sich auch mit Villen an der Friedrichstraße verewigt hat, wurde ein neues Evangelisches Vereinshaus gebaut. Sein Vorgänger war 1859/60 an gleicher Stelle errichtet, aber im Laufe der Jahrzehnte zu klein geworden.
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Denn im Evangelischen Vereinshaus an der Friedrichstraße war was los. Hier konnte man beten und Bücher lesen, singen und musizieren, mit seinen Vereinskameraden seine Freizeit gestalten, Gottesdienste und Sonntagsschulen besuchen oder als Reisender übernachten. Kost und Logie gab es ab 1,50 Mark pro Tag.
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Das am 12. September 1906 „unter Teilnahme aller Kreise der Bevölkerung feierlich eingeweihte“ Haus hatte es in sich. Mit seiner Zentralheizung, seinen Bädern und seiner elektrischen Beleuchtung war das Evangelische Vereinshaus auch als christliche Herberge auf der Höhe seiner Zeit. Es wurde, wie es in einer Hotel-Chronik des Handelshofes 1956 heißen sollte „zu einem Sammelpunkt bürgerlicher Kreise“ und zu einem „gut geführten Haus gemütlicher Gastlichkeit, weshalb es viele Vereine der Stadt als ihr Vereinslokal gewählt haben.“ Schon 1908 hatte der Geschichtsverein das Evangelische Vereinshaus in seiner Denkschrift zum 100. Geburtstag der Stadt als ein „großartig gestaltetes Gebäude“ gewürdigt.
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Doch vor 100 Jahren brachte die Hyperinflation auch die Finanzen der frommen Herbergsbetreiber und Hauseltern durcheinander. Deshalb wurde das Evangelische Vereinshaus zwischen 1926 und 1930 zum Hotel Handelshof umgebaut. Der 1930 als Haus der Evangelischen Kirche eröffnete Altenhof an der Kaiserstraße übernahm in Teilen die Funktion des Evangelischen Vereinshauses. Und weil Geld auch damals schon keine Konfessionsgrenzen kannte, verkaufte der evangelische CVJM sein Haus an der Friedrichstraße 1931 an die katholischen Gastronomen Heinrich und Anna Hesse. „Trotz der neuzeitigen Widerwärtigkeiten werde ich das Haus modern einrichten und vollenden“, versprach Heinrich Hesse. Seinen Worten folgten Taten, die sich mit der Wiedereröffnung des Hotels am 1. Juli 1934 sehen lassen konnten.
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Neben Gästezimmern gab es ein großes Restaurant, Clubräume, zwei Veranstaltungssäle, eine Bar und sogar ein Zimmer, in dem man Tennis spielen konnte. Doch Heinrich Hesse konnte sich nicht lange an seinem Hotel erfreuen. Denn er starb 1935. Seine Witwe Anna und ihr Sohn Wilhelm führten das Hotel weiter. 1943 heiratete Anna Hesse Oskar Briel. Er unterstützte das Familienunternehmen nach Kräften, musste aber schon bald zur Wehrmacht einrücken. Nach dem Luftangriff vom 22./23. Juni 1943 war das Hotel, dass auch als Reservelazarett gedient hatte, zu 85 Prozent zerstört. 1945 quartierten sich amerikanische und englische Soldaten im Handelshof ein, die dort auch Schießübungen veranstalteten.
Doch Anna Hesse, ihr Sohn Wilhelm und ihr zweiter Ehemann Oskar Briel bauten den Handelshof zwischen 1945 und 1952 wieder auf. Mit einem Konzert des Männergesangvereins Frohsinn 1852 konnten die Hesses im Dezember 1950 ihren Veranstaltungssaal wieder eröffnen. Jetzt begannen die guten Wirtschaftswunderzeiten des Handelshofes, in denen die Menschen in Mülheim alles nachholen wollten, was sie im Krieg versäumt und entbehrt hatten. „Manchmal mussten wir an die Saaltür ein Schild mit der Aufschrift: „Wegen Überfüllung geschlossen!“ anbringen, erinnerte sich Clementine („Tini“) Hesse 2008 in einem Interview mit der Mülheimer Historikerin Barbara Kaufhold. Tini Hesse kam als angehende Hotelfachfrau Ende der 1950er Jahre in den Handelshof und sollte als Ehefrau von Annas und Heinrichs Sohn Wilhelm Hesse lebenslang im Handelshof bleiben und auch noch als Seniorchefin die gute Seele des Hauses blieben.
Seit 1996 leiteten ihre Kinder Martin Hesse und Anna Maria Ladage-Hesse den inzwischen altehrwürdigen und investitionsintensiven Handelshof, der nicht nur als Hotel- und Restaurantbetrieb, sondern auch als zentral gelegener und bezahlbarer Veranstaltungsort von fast allen Vereinen, Parteien und Verbänden in fast allen Lebenslagen geschätzt und genutzt wurde.
Die Gründe für seinen wirtschaftlichen Niedergang und sein Ende sind eine andere Geschichte, die in dieser Zeitung ausführlich beschrieben worden sind.
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