Mülheim. Am 3. April 1948 erschien die Westdeutsche Allgemeine Zeitung erstmals. Wieso die Mülheimer Zeitung eine wichtige Rolle für die WAZ spielte.
Am Samstag, den 3. April 1948, erscheint in Mülheim erstmals die Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Das Kriegsende liegt drei Jahre zurück. Der Schwarzmarkt blüht. Die D-Mark, das Grundgesetz und das Wirtschaftswunder lassen auf sich warten. Immer noch ist die Stadt als Teil der britischen Besatzungszone von Ruinen und Trümmern gezeichnet. Der Wiederaufbau schreitet langsam voran.
Die britische Militärregierung hat die mit einer Startauflage von 250.000 Exemplaren von Erich Brost und Jakob Funke herausgegebene WAZ als „Unabhängige Zeitung für das“ 1946 neugegründete „Land Nordrhein-Westfalen“ lizenziert.
Bescheidener Anfang der WAZ Mülheim
Der Anfang ist bescheiden. Die erste WAZ, die Mülheimerinnen und Mülheimer vor 75 Jahren in Händen halten, hat vier Seiten, davon eine Lokalseite. Sie erscheint dienstags, donnerstags und samstags und kostet am Kiosk wenige Pfennige. Im Monatsabo ist sie für zwei Reichsmark zu haben. Zur Einordnung: Ein Industriefacharbeiter arbeitet damals 48 Stunden pro Woche und verdient 1,59 Reichsmark pro Stunde.
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Erster Lokalredakteur Mülheims der WAZ ist Dr. Theo Schröter. Er hat seinen ersten Arbeitsplatz in einem Raum des Rathauses. Ab April 1949 wird er vom Jungredakteur Heribert Vollmer und vom Redaktionsmitarbeiter Fritz Brinkmann unterstützt. Die Lokalredaktion mietet an der Wallstraße zwei Räume in der Rechtsanwaltskanzlei Niehoff an. Im Oktober 1949 zieht sie ins Pressehaus an der Eppinghofer Straße um. Die Fusion mit der seit 1872 erscheinenden Mülheimer Zeitung macht es möglich.
Mülheimer Lokalteil berichtet über den Wiederaufbau der Stadtbibliothek
Vom Zusammengehen profitieren beide Blätter, denn die in der NS-Zeit gleichgeschaltete Mülheimer Zeitung ist in den Augen der britischen Militärregierung diskreditiert. Sie will auch die Mülheimerinnen und Mülheimer zur Demokratie erziehen. Andererseits kann die neue WAZ den traditionsreichen und werbewirksamen Untertitel: „Mülheimer Zeitung“ gut gebrauchen.
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Die erste Mülheimer Lokalausgabe berichtet über den Wiederaufbau der Stadtbibliothek, die 90.000 Bücher über den Krieg retten konnte und zum damaligen Zeitpunkt ihr provisorisches Quartier in der Rahmenschule an der Kettwiger Straße hat. Dort kann sie aber nur als Präsenz- und nicht als Leihbibliothek arbeiten. Das solle sich, so heißt es im Bericht, in einigen Monaten aber ändern, wenn die Stadtbibliothek in wiederhergestellte Räume der 1943 von Bomben stark beschädigten Stadthalle umziehen werde. Festgehalten wird auch, dass die Stadtbibliothek „inzwischen entnazifiziert worden ist“, dass es aber auch „eine große Nachfrage nach der verbotenen Literatur gebe“ und viele, zunächst aussortierten Bücher behalten werden konnten, indem man die Seiten mit NS-Inhalten herausgeschnitten habe.
Harter Nachkriegsalltag prägte Mülheim nach wie vor
Berichtet wird auch darüber, dass der Mülheimer Delegationsleiter des Schwedischen Roten Kreuzes, Per Bolinder, vorübergehend nach Schweden abgereist sei, aber Ende April wieder in Mülheim zurückerwartet werde. Bolinder und das Schwedische Rote Kreuz sind damals in aller Munde, da sie die Mülheimer Schulspeisungen organisieren.
Wer im harten Nachkriegsalltag entspannen will, dem zeigt der staatlich geprüfte und am Kuhlendahl 147 ansässige Masseur Siegfried Karrenberg in der ersten Mülheimer WAZ seine wohltuenden Massagen, Kosmetikbehandlungen und Bäder an. Und ein „Mädel (28 Jahre) mit guten Umgangsformen und einer Ausbildung als Lebensmittelverkäuferin sucht, per Kleinanzeige im WAZ-Lokalteil vom 3. April 1948, „einen möglichst selbstständigen Wirkungskreis!“ Um ihre Chancen auf eine Anstellung zu erhöhen, weist die Inserentin auch darauf hin, dass sie: „in sämtlichen Haushaltbereichen, einschließlich Kochen gut erfahren“ sei.