Essen / Gladbeck. Fritz (64) engagiert sich seit 15 Jahren ehrenamtlich bei der Telefonseelsorge. Dort hört er zu und weiß, dass es „viel Elend“ auf der Welt gibt.
„Sorgen kann man teilen.“ Mit diesem Satz auf ihrer Homepage ermuntert die auch für Gladbeck zuständige Telefonseelsorge Essen Menschen in Not, über ihren Kummer, ihre Trauer, ihre Verzweiflung zu reden – an 365 Tagen im Jahr und rund um die Uhr. Aber: Nicht selten sind beide Leitungen besetzt, weil es nicht genügend Ansprechpartner gibt. Etwa 120 Männer und Frauen arbeiten dort als ehrenamtliche Telefonseelsorger, führen jedes Jahr rund 27.000 Gespräche.
Ehrenamtler bei der Telefonseelsorger werden gut auf ihre Aufgabe vorbereitet
Einer von ihnen ist Fritz. (Weil Anonymität auf beiden Seiten höchste Priorität hat, haben wir seinen Namen geändert.) Der 64-Jährige ist schon 15 Jahre in diesem Ehrenamt aktiv. „Ich konnte beruflich kürzertreten und wollte meine Freizeit sinnvoll nutzen“, erzählt er. „Als ich in der Zeitung las, dass die Telefonseelsorge Mitarbeiter sucht, habe ich mich gemeldet.“
- Beschwerde. Gladbeckerin (67) vermisst den Briefkasten in der Nähe
- Stadtentwicklung. Warum Gladbecks Gastronomen sich über Konkurrenz freuen
- Blaulicht. Fahndung: Männer vor Einbruch aufgezeichnet – wer kennt sie?
- Wir suchen ein Zuhause. Tiere in Not: Katzengeschwister möchten gemeinsam umziehen
- Städtische Finanzen. Neues Altschulden-Gesetz: Hoffnungsschimmer für Gladbeck?
- Treffpunkt. Festplatz: Ärger im Unterstand der Trinkerszene in Gladbeck
- Übersicht. Stadthalle, Wittringer Wald und mehr: Hier wird 2025 gebaut
- Interview. „Der Umgang mit Senioren ist oft diskriminierend“
- Bundestagswahl 2025. Gladbeck: Alles Wichtige zur Bundestagswahl im Überblick
- Bauen. Gladbeck: Aus fürs Mehr-Generationen-Wohnen Hermannschule
- Übersicht. Baustellen 2025: Hier drohen Sperrungen und Einschränkungen
- Zeugensuche. Schuss aus Schreckschusspistole: Mann in Gladbeck verletzt
- Konflikt. Gladbeck: Streit zwischen Mieterin und GWG eskaliert
- Neueröffnung. Neueröffnung: In Gladbecks City gibt es bald Frozen Yogurt
Die Ehrenamtler werden auf ihre Aufgabe gründlich vorbereitet. Ein Jahr kommen sie drei bis vier Stunden pro Woche zur Ausbildung zusammen, besuchen Wochenendseminare. Bevor sie ihr erstes Telefonat führen, hören sie einem Mentor bei dessen Telefongesprächen zu, dann werden die Positionen getauscht. „Auch hier spielt Anonymität eine wichtige Rolle. Die Anrufer werden darüber informiert, dass wir zu zweit im Raum sind und können entscheiden, ob sie das akzeptieren oder ein anderes Mal anrufen wollen“, betont Fritz.
Fritz übernimmt ganz oft freiwillig mehr Dienste
Nach der Ausbildung erwartet die Telefonseelsorge der beiden großen christlichen Kirchen, dass die Ehrenamtler mindestens zwei Jahre dabei bleiben und monatlich ca. 15 Stunden im Einsatz sind, davon acht Stunden in einer Nacht.
Fritz übernimmt freiwillig mehr Dienste: „Ich springe gerne ein, wenn jemand ausfällt.“ Eher nebenbei erwähnt er noch, dass er jedes Jahr zu Weihnachten einen Dienst in den Räumen der Telefonseelsorge übernimmt. „In dieser Zeit spielt häufig Einsamkeit eine große Rolle. Das spürt man, auch wenn die Anrufer das nicht explizit sagen, sondern über andere Themen reden, vielleicht auch nur mal eine Stimme hören wollen“, weiß der 64-Jährige aus seiner langjährigen Erfahrung.
Diese Sorgen und Probleme belasten die Anrufer
Stichwort Themen: „Wer uns anruft, leidet unter Krankheit, Tod, Trennung, Problemen am Arbeitsplatz oder in der Nachbarschaft, finanziellen Sorgen, spricht über alles, was auf der Seele brennt. Und obwohl die Kirchen immer leerer werden, spielen oft auch religiöse Themen eine Rolle.“ Elisabeth Hartmann, Leiterin den hauptamtlichen Teams, konkretisiert: „Wir führen auch Gespräche zur spirituellen Orientierung. Dabei bekommt die Frage nach dem Sinn des Lebens und danach, was Halt gibt, eine Bedeutung.“ Ausdrücklich weist sie darauf hin, dass „wir nicht missionieren“.
„Es gibt Männer, die möchten unsere kostenlose Telefonnummer für andere Dienstleistungen nutzen, nämlich Sexgespräche führen“
Über mache Anrufer ärgert sich Fritz richtig, obwohl davon eher die Ehrenamtlerinnen betroffen sind: „Es gibt Männer, die möchten unsere kostenlose Telefonnummer für andere Dienstleistungen nutzen, nämlich Sexgespräche führen.“ Die fänden natürlich nicht statt, aber die Leitung sei für wichtige Anrufe dennoch für kurze Zeit blockiert.
Wenn Suizidgedanken einen Anrufer quälen
Für Menschen mit Suizidgedanken zum Beispiel. Solche Gespräche sind für Fritz und wahrscheinlich das gesamte Team besonders belastend: „Ich weiß, dass ich einen Suizid im Endeffekt nicht verhindern kann, aber ich versuche, den Menschen davon abzubringen, indem ich ihm als zugewandter Ansprechpartner Vertrauen gebe, ihm zuhöre und ganz nah bei ihm bin, das Leid mit ihm aushalte.“
Telefonseelsorge ist kostenlos erreichbar
Die Telefonseelsorge Essen ist, dank der Unterstützung der Telekom unter 0800 1110111 und 0800 1110222 kostenlos erreichbar. Etwa 1,2 Millionen Menschen in Essen, Gladbeck, Bottrop, Gelsenkirchen, Heiligenhaus und Velbert leben im Zuständigkeitsbereich dieser Niederlassung.
Weitere Menschen, die sich in diesem Bereich ehrenamtlich engagieren möchten, werden dringend gesucht. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich, Alter und Beruf spielen keine Rolle. Interessierte sollten Einfühlungsvermögen und Zugewandtheit mitbringen und die Fähigkeit, Gehörtes für sich die behalten.
Wer Interesse hat, kann sich zwar sofort melden, muss sich allerdings aktuell ein wenig gedulden. Das nächste einjährige Vorbereitungsseminar beginnt im Herbst 2025, im Frühjahr findet eine Informationsveranstaltung statt.
Ansprechpartner ist Elisabeth Hartmann, Tel. 0201-747480. Die Leiterin des hauptamtlichen Teams (Dipl. Religionspädagogin, Seelsorgerin) widmet sich mit zwei Fachkräfte der Auswahl, Ausbildung, Fortbildung und seelsorglichen Begleitung der Ehrenamtlichen. Das Team wird durch Honorarkräfte verstärkt, die im Rahmen von Supervision und Fortbildungsangeboten tätig sind.
Detaillierte Informationen: www.telefonseelsorge-essen.de
Gerade solche Gespräche vergesse man nicht, wenn das Telefonat beendet ist. „Vieles trägt man mit nach Hause“, sagt Fritz. Manchmal brauchen er und die anderen Ehrenamtler selber Hilfe. Sie können sich in solch belastenden Situationen bei einer der hauptamtlichen Kräften der Telefonseelsorge aussprechen, alle zwei bis drei Wochen Supervisionsrunden besuchen und an Fortbildungen teilnehmen.
Demut und Dankbarkeit
Sein Ehrenamt bedeutet dem 64-Jährigen viel, auch wenn er einräumt, dass es nicht immer einfach sei zu hören, „wie viel Elend es gibt“. Für sein eigenes Leben bedeute das andererseits: „Es macht mich nachdenklich, ich spüre eine gewisse Demut und Dankbarkeit. Ich habe eine Familie und einen Beruf, mir geht es gut. Da relativieren sich eigene Sorgen.“
[Gladbeck-Newsletter: hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook | Hier gibt‘s die aktuellen Gladbeck-Nachrichten einmal am Tag bei WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehrartikel | Alle Artikel aus Gladbeck]