Gladbeck. Wo heute die VHS Gladbeck Veranstaltungen anbietet, wohnte einst der Oberbürgermeister. Die Jovy-Villa ist Zeuge der Gladbecker Stadtgeschichte.
Ein Haus voller Geschichte und Geschichten – auf die Jovy-Villa in Gladbeck trifft diese Bezeichnung gleich doppelt zu. Zum einen ist das eindrucksvolle Gemäuer fast 100 Jahre alt, zum anderen hat hier die Volkshochschule (VHS) Gladbeck und damit eines der kulturellen Zentren der Stadt ihr Zuhause. Und wenn es nach VHS-Leiter Dirk Langer geht, darf das auch gerne so bleiben.
Gebaut wurde die Villa 1927 als Wohnsitz des damaligen Oberbürgermeisters Dr. Michael Jovy, der das Haus zusammen mit seiner Familie zwei Jahre später bezog. Zu dieser Zeit sei das erst 1919 gegründete Gladbeck eine aufstrebende Stadt mit einer ebenso hohen Bevölkerungsprognose wie Gelsenkirchen gewesen, erzählt Langer. Ähnlich repräsentativ wie sein Amtskollege in der Nachbarstadt habe Jovy daher wohnen wollen.
Alter Baustil lässt sich an der Gladbecker Villa noch gut erkennen
So kam Gladbeck zu seiner dreistöckigen Bürgermeistervilla, ganz im Stil der Neuen Sachlichkeit. Noch immer sind in der inneren wie äußeren Architektur die klaren, geometrischen Formen jener Stilrichtung erkennbar. Beispielsweise im alten Wohnzimmer der Familie Jovy, das die VHS heute als großen Seminarraum nutzt. Die Decke besteht aus markanten Quadraten, mehrere originalgetreue und kugelrunde Lampen beleuchten den Raum mit seinem imposanten Rondell.
Von hier aus konnte man früher in den vornehmen Garten der Villa blicken, der heute nicht mehr erhalten ist. Auf dem Gelände steht unter anderem das Gebäude des Riesener-Gymnasiums. Doch in Richtung Stadthalle ist ein Teil der alten Grundstücksmauer erhalten geblieben. „Mit dem originalen Gitter“, so Langer.
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Michael Jovy starb nur kurze Zeit nach dem Einzug in die Villa
Das Wäldchen, das zwischen Villa und Stadthalle liegt, gehörte laut Langer nicht zum Gartengelände. Und doch ist es Zeuge von Michael Jovys Wirken. Aus stadtplanerischen Zwecken wurden die Bäume bewusst als Grün- und Erholungsfläche stehengelassen. Jovy sei für dieses Thema sensibel gewesen, erzählt Langer. So entstand auch der Jovyplatz, der wie die vornehmen Beamtenvillen drumherum aus den 1920er-Jahren stammt und damit ähnlich alt ist wie die Jovy-Villa.
Viel Zeit in seiner Villa konnte Jovy nicht verbringen, er starb bereits 1931. Sein Leichnam sei im damaligen Wohnzimmer aufgebahrt worden, erzählt Langer. Im Anschluss bewohnte der NS-Oberbürgermeister Dr. Bernhard Hackenberg bis zu seiner Flucht aus Gladbeck im Jahr 1945 das Haus.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieg nutzten die Briten das Gebäude
Die Zeit des Krieges überstand die Villa unversehrt, anders als Teile der Stadt fiel das Gebäude den Bombennächten im Frühjahr 1945 nicht zum Opfer. Vielleicht auch deshalb bezog die britische Militärverwaltung nach der Besetzung Gladbecks das intakte und vor allem prunkvolle Gebäude. Im Anschluss nutzte das Gesundheitsamt bis 1980 das Gemäuer. 1983 zog schließlich die VHS ein, nachdem der Altbau aufwendig saniert und restauriert wurde.
Die lange Geschichte der Villa Jovy
Dass der heutige Sitz der VHS einmal ein Wohnhaus war, ist an einigen Stellen noch immer sichtbar. Im Eingangsbereich empfängt ein großer Kamin die VHS-Besucherinnen und Besucher. Die Türen und vielen Holzverkleidungen an den Wänden sind optische Highlights und zudem original erhalten, ebenso wie das Geländer des eindrucksvollen Treppenhauses im Haupteingang.
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Langer: „Der Charakter soll erhalten bleiben“
Ein zweiter Eingang befindet sich auf der linken Seite der Villa und war früher für die Bediensteten bestimmt. Auf dem Dachboden, den heute das städtische Kulturamt nutzt, hatten die Angestellten für den Haushalt ihre Zimmer. Auch hier ist immer noch das Flair alter Tage zu spüren – und das wird so bleiben. Gedankenspiele, das Gebäude umzubauen, gibt es aktuell keine. „Der Charakter soll erhalten bleiben“, sagt Langer.
Insgesamt drei Seminarräume der VHS sind heute in der Villa untergebracht. Neben dem großen Seminarraum gibt es noch einen kleinen, zudem ist ein Zimmer mit Computern ausgestattet. Hier finden Tastaturschreibkurse und Fortbildungen im Umgang mit Microsoft-Excel statt, so der 59-jährige Langer. Die „großen Computerkurs-Zeiten der 1980er- und 90er-Jahren“ seien jedoch schon längst vorbei.
„Die Gladbeckerinnen und Gladbecker haben ein großes Interesse an der eigenen Stadtgeschichte“
2023 besuchten zwei Urenkelinnen von Jovy die VHS
Stattdessen gibt es neue Schwerpunkte. „Die Gladbeckerinnen und Gladbecker haben ein großes Interesse an der eigenen Stadtgeschichte“, berichtet Langer. Veranstaltungen zu diesen Themen, häufig auch in Kooperation mit dem Heimatverein, seien gut besucht. Der VHS-Leiter ist zufrieden mit der Entwicklung der Weiterbildungseinrichtung und hebt den Stellenwert der kulturellen Arbeit hervor: „Kultur ist ein Standortfaktor in Gladbeck und Bildung ein Kleber für die Stadtgesellschaft.“ Und auch der VHS-Standort trägt laut Langer seinen Teil bei, denn die Jovy-Villa sei ein Baustein der Gladbecker Heimatgeschichte.
Doch nicht nur für Gladbeck hat die Villa eine große Bedeutung. Auch unter den Nachfahren der Familie Jovy blieb das Gemäuer nicht vergessen. Im vergangenen Jahr besuchten spontan zwei Urenkelinnen Michael Jovys die Villa, die sie zuvor nur von alten Familienfotos kannten. Langer führte die Besucherinnen durch das Gebäude. Sie haben es gut gefunden, dass das Haus offen für die Bürgerinnen und Bürger aus Gladbeck sei, erinnert er sich. Das sei eben die Aufgabe der VHS: „Leute zusammen und in den direkten Austausch bringen.“
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