Gelsenkirchen. Gelsenkirchens Stellenplan für 2025 birgt einige Überraschungen. Aber „mehr Milei und Musk wagen“ will die Stadtverwaltung nun nicht.
Während CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann Bundesbehörden deutlich verkleinern will und FDP-Chef Christian Lindner fordert, „mehr Musk und Milei“ zu wagen, hat Gelsenkirchen ein Jahr mit einer historischen Stellenentwicklung hinter sich. Der Stellen- und Bürokratieabbau in den deutschen Verwaltungen scheint ein heißes Thema für die Bundestagswahl am 23. Februar zu werden. In der Emscherstadt wurden hingegen 2024 noch so viele Planstellen geschaffen wie noch nie in den vergangenen zehn Jahren. 213 neue Stellen standen in diesem Jahr auf dem Plan. Und das, obwohl das Jahr 2023 mit seinen 131 neuen Stellen in Sachen Wachstum bereits aus der Reihe gefallen ist.
Stellenzuwachs bei KOD, Feuerwehr, Ausländeramt und Gesundheitsdienst
Für 2025 allerdings bahnt sich ein Trendwechsel an: 12,5 Stellen sollen nächstes Jahr wegfallen, 60,4 sollen neu geschaffen werden. Damit ist eine Netto-Steigerung von nur knapp 48 Stellen im nächsten Jahr angepeilt. Laut Stadtkämmerer und Personaldezernent Luidger Wolterhoff lässt sich der Zuwachs unter vier Überschriften zusammenfassen.
Da ist zum einen der fortschreitende Ausbau des Kommunalen Ordnungsdienstes, da ist der öffentliche Gesundheitsdienst, der sich mit Themen wie Schuleingangsuntersuchungen befassen muss, da ist die Ausländerbehörde, die etwa auch bei den Aktenbergen im Zusammenhang mit den vereinfachten Einbürgerungen eingebunden ist. Und da ist die Feuerwehr, über die sich Luidger Wolterhoff, der auch Feuerwehr-Dezernent ist, am detailreichsten auslassen kann.
„Die Dauer der Einsatzzeiten und die Einsatzzahlen haben zugenommen. Ein Stellenzuwachs ist unvermeidbar; auch durch Digitalisierung und Optimierung lässt sich wenig machen“, sagt Wolterhoff. Zum einen sei da die Alterung der Gesellschaft, durch die mehr Menschen auf einen Rettungsdienst angewiesen sind; zum anderen der gesellschaftliche Trend, eher den Rettungsdienst zu rufen, statt sich selbst zum ärztlichen Notdienst zu bewegen. Oft hat auch diese Redaktion schon über die Zunahme von Bagatell-Anrufen und der „Vollkasko-Mentalität“ in der Bevölkerung berichtet.
Behördliche Stellen würden also nicht nur deshalb in Deutschland stetig anwachsen, „weil wir im Sinne der Gerechtigkeit die Vorstellung haben, alles sehr kleinteilig zu regeln.“ Es gehe auch um „neue soziale Fragen.“ Etwa sei in der Gesellschaft mehr und mehr „die Erwartung verbreitet, dass sich eine öffentliche Stelle um Probleme kümmert“, hat Wolterhoff beobachtet. Als ein „plakatives Beispiel“ nennt er Aufgaben wie Nachbarschaftsstifter, die zwar ehrenamtlich gegen Vereinsamung in Stadtteilen arbeiten, aber ja auch von Verwaltungsmitarbeitern koordiniert werden müssen. „Früher wurde der Zusammenhalt in einer Nachbarschaft anders gelebt.“ Da habe man solche Ämter nicht gebraucht.
Trotz solcher gesellschaftlichen Entwicklungen sagt Wolterhoff jedoch auch deutlich: „Wir müssen diese Zuwächse im Stellenplan begrenzen, wenn es nicht wirklich externe Einflüsse gibt.“ Mit externen Einflüssen meint der Dezernent auch neue Aufgaben, die der Stadt von Bund und Land zugeteilt werden. Beispielsweise hatten sich die Personalbedarfe nach der Ausweitung des Wohngeldanspruchs Anfang 2023 schlagartig erhöht. Oder da ist die bereits angesprochene Vereinfachung der Einbürgerungen durch das neue Staatsangehörigkeitsrecht, die bei Einbürgerungsbehörde und Ausländerbehörde Mehrbedarfe schafft.
„Wenn Bund und Land neue Angebote schaffen, verfügen wir ja noch lange nicht über das Geld und das Personal“, sagt Wolterhoff. Deswegen sei der gesamte Verwaltungsvorstand um Oberbürgermeisterin Karin Welge stetig dabei, kontinuierlich einzufordern, dass eine neu erteilte Aufgabe für die Kommune auch mit mehr bereitgestellten Ressourcen zusammenhängen müsse.
Dennoch gibt es auch genügend Faktoren für eine Personalentwicklung mit Maß und Mitte, die in der Hand der Städte liegen. Angesprochen auf den stetig wachsenden Verwaltungsapparat, nannte Luidger Wolterhoff im WAZ-Gespräch vor zwei Jahren selbst vier Punkte: Erstens müsse die Stadt verwaltungsintern mehr Stellen umschichten. Zweitens und drittens müssten Prozesse vereinfacht und digitalisiert werden. Viertens müsse man künftig „kritischer prüfen“, ob man irgendwo auch mal auf eine Stelle verzichten kann.
Personaldezernent: Das muss der erste Schritt bei einem Engpass sein
Besonders die Umschichtung, also die Verlagerung einer offenen oder weniger gebrauchten Stelle in einen ganz anderen Bereich der Verwaltung, nennt Wolterhoff einen Mechanismus, „der sehr zunehmen wird.“ Wenn es einen Engpass in der Verwaltung gebe, dann „muss ich erst mal schauen, ob ich eine Stelle nutzen kann, die gerade nicht genutzt wird“, nennt er die zukünftige Gangart. Notwendig werde das auch, weil es angesichts des Fachkräftemangels nicht einfacher werde, jede Stelle zu besetzen.
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Besondere Probleme, Vakanzen zu beseitigen, gibt es laut Wolterhoff weiterhin bei Ingenieuren, IT-Fachkräften und im pädagogischen Bereich – von Erziehern bis Sozialpädagogen. Der aktuelle Stellenplan zeigt: Allein im Sozial- und Erziehungsdienst sind nur 239 der 280 eingeplanten Stellen besetzt. Was die gesamte allgemeine Verwaltung angeht, so sind 1707 von den 1917 Stellen belegt. Dass trotzdem neue Stellen geschaffen werden, sieht Wolterhoff nicht als Widerspruch: „Wir werden den Prüfantrag für eine neue Stelle nicht davon abhängig machen, wie hoch die Chance ist, diese zu besetzen.“ Heißt: Ist ein Bedarf da, lässt sich dieser nicht wegdiskutieren.
Und Stellen großzügig streichen, erst recht wenn der Fachkräftemangel sich weiter zuspitzt und immer mehr Babyboomer in Rente gehen? Mehr wie der argentinische Kettensägen-Präsident Javier Milei oder Elon Musk und seine geplante Effizienz-Kommission denken? „Diesen Vergleich mit Milei und Musk“, sagt Wolterhoff, „den möchte ich für niemanden in der Stadtverwaltung gelten lassen.“