Gelsenkirchen. Gelsenkirchens Wohngeldstelle kommt nicht gut weg – bei WAZ-Lesern, im Netz. Schwer erreichbar und träge? Das zeigt sich im Städtevergleich.

„Es wird eine echte Herausforderung sein, die Anträge zeitnah zu bearbeiten“ – mit diesen Worten dämpfte Gelsenkirchens Sozialdezernentin Andrea Henze schon Ende 2022 die Erwartungen auf schnelle Auszahlungen, kurz bevor die Wohngeldreform in Kraft treten sollte. Der sprunghaft gewachsene Berechtigtenkreis für die Sozialleistung sei ein Kraftakt für die Verwaltung, betonte Henze damals. Als es dann mit der Antragsflut losging, zeigte man allerdings eine gewisse Zufriedenheit, im Städtevergleich doch relativ schnell in der Bearbeitung zu sein. Und heute, anderthalb Jahre nach Start der Reform? Zufriedene Stimmen nimmt man dort wenig wahr, wo es entscheidend ist – bei den Bürgern, bei den Antragstellern.

Keine Reaktion, kaum Durchkommen: Gelsenkirchenerin ärgert sich über Wohngeldstelle

Da ist zum Beispiel WAZ-Leserin Diana Demuth – alleinerziehende Mutter und Reinigungskraft aus Buer. „Sachbearbeiter gehen nicht ans Telefon, reagieren nicht auf E-Mails und wenn man nach vier Monaten dann doch mal endlich jemanden ans Telefon bekommt, dann werden Bescheide nur kurzfristig bewilligt wie in meinem Fall“, ärgert sich die 46-Jährige. Irgendwann habe sie dann doch mal jemanden an den Hörer bekommen, habe dann den sarkastischen Satz fallen lassen, „dass es vielleicht besser wäre, meinen Job zu kündigen, um endlich schneller finanzielle Hilfe zu kommen.“

Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt. Oder abonnieren Sie uns kostenlos auf Whatsapp und besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.

Immerhin bekam sie kurz danach den Bescheid, der auch der WAZ vorliegt. Darin wird ihr allerdings nur für einen verkürzten Zeitraum Wohngeld bewilligt, für insgesamt vier Monate – mit der Begründung, dass sich „ihre Voraussetzungen für die Wohngeldberechnungen voraussichtlich in Kürze ändern werden.“ Für die verwirrte Diana Demuth, die nicht nur vorübergehend aufs Wohngeld angewiesen ist, ließ das nur eine Erklärung zu: „Hatte man meinen Hinweis mit dem Job etwa ernst genommen?“ Das vermeintliche Missverständnis aufzuklären: kein leichtes Unterfangen. Für die Bueranerin bedeute das wieder, ständig in der Warteschleife zu hängen, keine Reaktionen auf ihre Mails zu erhalten. „Bis heute habe ich keine Antwort“, schreibt sie uns am 16. Juli – obwohl sie ihrer Sachbearbeiterin eine Frist bis zum 15. Juli gegeben hatte.

Wohngeldstelle Gelsenkirchen kommt bei Google-Bewertungen schlecht weg

Mit ihrem Frust ist Diana Demuth nicht alleine. Wer sich die Google-Bewertungen der Wohngeldstelle in Gelsenkirchen durchliest, bekommt das Bild einer Behörde gezeichnet, in der vieles nicht gut funktioniert. „Der eine Stern ist schon zu viel. Sieben Monate warte ich auf einen Bescheid. Per E-Mail wird nicht geantwortet, telefonisch ebenfalls. 500 Anrufe am Tag, entweder besetzt oder geht keiner ran“, lautet da eine der eindrücklichsten Rezensionen. Auch andere beschweren sich über die lange Bearbeitungszeit, das schlechte Durchkommen, die Fehler, die angeblich teils gemacht werden.

Gelsenkirchens Sozialdezernentin Henze: „In Anbetracht der Tragweite der Reform und im Vergleich mit anderen Kommunen konnte die Reform erfolgreich umgesetzt werden.“
Gelsenkirchens Sozialdezernentin Henze: „In Anbetracht der Tragweite der Reform und im Vergleich mit anderen Kommunen konnte die Reform erfolgreich umgesetzt werden.“ © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Was sagt Sozialdezernentin Andrea Henze dazu? Eine Welle von Beschwerden kann sie jedenfalls über ihre Kanäle nicht beobachten. „Es gehen monatlich vereinzelte Anschreiben auf der Leitungsebene ein, in welchen die Bearbeitungsdauer bemängelt wird“, sagt sie. „Auch die Arbeitsebene erreichen regelmäßig Anfragen zum Bearbeitungsstand.“ Die Anliegen könnten allerdings in der Regel schnell – „zumeist im unbürokratischen Direktkontakt“ – gelöst werden.

Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer lag Henze zufolge in der ersten Jahreshälfte 2024 bei 3,7 Monaten. Ziel sei es, diesen Wert nun noch weiter zu verbessern. Um das zu erreichen, versuche man etwa Nachbesetzungen bei Personalabhängen zügig einzuleiten. 23 Stellen sind laut Henze in der Wohngeldstelle besetzt, zwei offen gewordene Stellen seien aktuell in der Ausschreibung.

Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt. Oder abonnieren Sie uns kostenlos auf Whatsapp und besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.

Und die schlechte telefonische Erreichbarkeit? Tatsächlich habe man den Telefon-Service auf drei Tage pro Woche (montags, dienstags und donnerstags) begrenzt. Entsprechend würden sich die Anrufe an diesen drei Tagen ballen. Nachbessern zu wollen, das scheint man hier allerdings nicht – offenbar um die Bearbeitung der Anträge nicht wieder zu verlangsamen. Die Reduzierung der telefonischen Service-Zeiten sei nämlich „zugunsten einer intensiven Antragsbearbeitung“ erfolgt, so Henze.

So sieht die durchschnittliche Bearbeitungszeit in Gelsenkirchen im Vergleich aus

Kritisiert wird die Wohngeldstelle auch dafür, die Möglichkeit der monatlichen Vorschusszahlung vor der finalen Antragsbearbeitung angeblich zu selten zu nutzen. Hierzu sagt Henze: Gesetzlich möglich sei das nur, wenn die Feststellung des tatsächlichen Anspruchs längere Zeit dauere und dieser mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne – was mit bestimmten Unterlagen glaubhaft dargelegt werden müsse. „Somit kommen vorläufige Bewilligungen selten zum Tragen“, sagt Henze. „Sie stellen keine Möglichkeit dar, um Prozesse zu beschleunigen – im Gegenteil.“ Vollständige Antragsunterlagen könnten mit weniger Aufwand endgültig bewilligt werden, da eine nachträgliche Prüfung und endgültige Festsetzung entfalle.

Insgesamt, so zieht Henze ihr Fazit, sei die Umsetzung des neuen Wohngelds in Gelsenkirchen „in Anbetracht der Tragweite der Reform und im Vergleich mit anderen Kommunen“ durchaus als ein Erfolg zu werten. Ein Vergleich mit einigen benachbarten Kommunen zeigt tatsächlich, dass die Stadt Gelsenkirchen nicht besonders negativ auffällt.

In Bochum beträgt die Bearbeitung von Erstanträgen im Durchschnitt sechs Monate, ein Folgeantrag ein bis drei Monate, wie es auf Nachfrage der WAZ heißt. Sechs Monate nennt man auch in Dortmund als Durchschnittswert. In Herne liegt die Bearbeitungszeit nach Angaben der Pressestelle bei rund fünf Monaten. In Herten dauert es sechs bis acht Wochen, in Oberhausen nennt man eine Spanne von vier bis sechs Wochen. Aus Gladbeck heißt es: „Sollte wider Erwarten ein Antrag mit sämtlichen Unterlagen eingereicht werden, ist eine Bearbeitung in der Regel bis zum nächsten Rechenlauf möglich“, also in zirka vier Wochen. Oft seien aber Nachfragen nötig, sodass die durchschnittliche Bearbeitungszeit auf drei bis fünf Monate geschätzt werde.

Auch wenn es den Antragstellern wie in Gelsenkirchen damit oft nicht schnell genug zu gehen scheint: Das Ruhrgebiet scheint insgesamt noch relativ flott zu sein. Im weit entfernten München zum Beispiel muss man Presseberichten zufolge sogar über 20 Monate auf die finale Bearbeitung warten.