Gelsenkirchen. Wo hapert es bei Gelsenkirchens Schulanfängern heute stärker als bei jenen, die 2012 in die Schule kamen? Was selbst Experten überrascht.

Jedes Kind ist anders und hat andere Voraussetzungen, Vergleiche von Fähigkeiten sind daher oft problematisch. Bei den Schuleingangsuntersuchungen aber gibt es standardisierte Verfahren, die den Vergleich erleichtern sollen. Und ein Blick auf die Entwicklung seit 2012 zeigt: Es hat sich eine ganze Menge verändert bei den Voraussetzungen, die Gelsenkirchens Kinder mit ins erste Schuljahr bringen.

Zum Beispiel beim Zählen. Während 2012 lediglich bei 8,5 Prozent der untersuchten Kinder Defizite beim Zählen festgestellt wurden, waren es im Jahr 2023 23,8 Prozent der Kinder, also nahezu jedes vierte Kind. Berücksichtigt sind dabei keine Kinder ohne Deutschkenntnisse, sondern nur Kinder mit Deutsch als Erstsprache oder die flüssig Deutsch sprechen können, wenn auch mit mehr oder weniger Fehlern.

Jedes vierte Kind hat Probleme, den Plural von Worten zu bilden

Diese Voraussetzungen galten auch bei der Auswertung eines weiteren, unverändert großen Problems: dem Gebrauch von Präpositionen, einer bösen Stolperfalle selbst für deutsche Muttersprachler. Zum Beispiel: Ich bin IN DER Schule, aber ich gehe IN DIE Schule: Warum das so korrekt ist, erschließt sich auch nicht jedem deutschen Kind. 27,1 Prozent der Schulanfänger 2023 hatten damit Probleme, etwas mehr als 2012.

Stark verändert hat sich seither aber die Fähigkeit, den Plural von Worten zu bilden. Der Anteil jener, die damit starke Probleme haben, ist von 17,3 Prozent in 2012 auf 29,3 Prozent geschnellt. Deutlich mehr als jedes vierte Kind hat also beim Schuleintritt Probleme, die korrekte Mehrzahlform von Worten zu bilden. Aber: Das Wiederholen von „Quatschwörtern“, also Worten, die keinen Sinn ergeben, aber ein Gradmesser für Sprachfähigkeit sein können, gelingt fast ebenso vielen Kindern wie im Vergleichsjahr 2012. Das legt den Verdacht nahe, dass die Tests nicht das Potenzial der Kinder abbilden.

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Die landesweit genutzten Tests sind entwickelt worden in Jahren, in denen die Gesellschaft eine andere war. Entsprechend seien diese nur bedingt geeignet, Fähigkeiten von Kindern heute wirklich zu beurteilen, wie Gesundheitsreferatsleiterin Dr. Christiane Hinney gegenüber der WAZ schon in einem Interview 2023 einschränkte. Und bei allen festgestellten Defiziten gelte: In den meisten Fällen gibt es sehr klare Zusammenhänge mit dem Bildungsstand und den sozialen Bedingungen, in denen die Familie lebt, sowie mit der Dauer des Kita-Besuchs. Je länger ein Kind in der Kita war, desto geringer sind in aller Regel die Defizite. Ein angemesseneres Testverfahren vor der Einschulung in Kooperation mit der Universität Bremen ist übrigens zwar in Arbeit, dessen Einsatz aber noch nicht absehbar.

Doppelt soviele Kinder wie 2012 starten mit Untergewicht ins erste Schuljahr

Überraschend, selbst für die Gesundheitsverwaltung, ist die Entwicklung beim Anteil der untergewichtigen Schulanfänger. In der Vergangenheit fiel eher der Anteil von Kindern mit einem erhöhten Bodymass-Index auf, der allerdings seit 2012 kaum verändert ist und zuletzt bei 13 Prozent der untersuchten Kinder lag. Der stark gestiegene, in Gelsenkirchen seit 2012 mit heute 11,8 Prozent fast verdoppelte Anteil von Kindern, bei denen in der Schuleingangsuntersuchung Untergewicht festgestellt wird, fällt auch in anderen Städten in der Region auf. Die Ursachen sollen nun gemeinsam untersucht werden. Gelsenkirchens Gesundheitsreferatsleiterin Christiane Hinney setzt ohnehin auf eine regional vernetzte Ursachenforschung, um Defiziten an der richtigen Stelle entgegenwirken zu können.

Neben der Hoffnung auf mehr Kitaplätze und -nutzung setzt Gelsenkirchen auch mit dem Projekt „MIMI - GEsundheit für alle“ auf die Ausbildung von Gesundheitsmediatoren. Sowohl Menschen mit als auch ohne Migrationshintergrund werden ausgebildet, um als Vermittler von bestehenden, gesundheitsfördernden Angeboten in der Stadt aktiv zu werden. Zunehmend fehlen nach Beobachtung des Referats auch Menschen ohne Migrationsgeschichte in der Stadt Kenntnisse über gesunde Lebensführung und medizinische Unterstützungsangebote.

Mehr Informationen zu Schuleingangsuntersuchungen finden Eltern unter www.gelsenkirchen.de -Einschulungsuntersuchungen