Gelsenkirchen. In Gelsenkirchen soll es ab Mitte 2025 keine Elternbeiträge mehr geben. Jetzt zeigt sich, welche Gruppe davon am häufigsten profitiert.

Neue Zahlen zeigen, wer von der geplanten Aussetzung der Kita-Gebühren in Gelsenkirchen nach aktuellem Stand am meisten profitieren würde: Es sind am häufigsten Eltern mit einem gemeinsamen Brutto-Einkommen zwischen 60.000 und 70.000 Euro im Jahr. 318 beitragspflichtige Kinder gibt es gegenwärtig in dieser Einkommensgruppe, ihre Eltern zahlen zwischen 95 Euro (günstigste Betreuungsform) und 334 Euro (teuerste Betreuungsform, über 45-stündige Betreuung eines älteren Kindes). Insgesamt überweist diese Elterngruppe jährlich eine halbe Million Euro an die Stadt Gelsenkirchen.

Die Politik hat in Gelsenkirchen entschieden, dass die Stadt die Aussetzung der Kita-Gebühren bis zum nächsten Kita-Jahr, also bis August 2025, „konzeptionell, rechtlich und haushaltstechnisch“ vorbereiten soll. In der vergangenen Ratssitzung hatte es erneut lange Diskussionen gegeben, obwohl über das Vorhaben bereits in Fachausschüssen lange debattiert und abgestimmt wurde. Trotz breiter Zustimmung für den Antrag von SPD und CDU gilt der Plan als umstritten. Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen wie: Kann sich die arme Stadt diese millionenschwere Entlastung der Familien überhaupt leisten? Und ist es sozial gerecht, wenn auch Familien mit einem Einkommen über 125.000 Euro um mehrere Hundert Euro im Monat entlastet werden?

In diesen Einkommensgruppen gibt es die meisten beitragspflichtigen Kinder

Kritik geäußert haben vor allem die Grünen, die der geplanten Aussetzung dennoch zugestimmt haben. Sie hatten vor allem mehr Informationen zu dem ungewöhnlich schnell durch die politischen Gremien gebrachten Vorhaben eingefordert, einen wichtigen Teil davon hatten sie erst etwa eineinhalb Stunden vor der großen Debatte in der Ratssitzung erhalten: die Mindereinnahmen für die einzelnen Einkommensgruppen auf Basis der derzeitigen Beitragspflichten (siehe Tabelle). Dabei handelt es sich um eine Momentaufnahme, wie sich die Verteilung in den Einkommensgruppen 2025/2026 verändern wird, weiß die Stadt noch nicht.

In Gelsenkirchen zahlt nur etwa ein Viertel der Eltern, die ihr Kind in die Kita schicken, überhaupt Elternbeiträge. Zum einen sind die letzten beiden Kita-Jahre ohnehin NRW-weit beitragsfrei, zum anderen müssen Eltern mit besonders geringem Einkommen, von denen es gerade in Gelsenkirchen viele gibt, ebenfalls nichts zahlen. Außerdem fallen die Gebühren für alle Geschwisterkinder weg, wenn das ältere Kind beitragspflichtig betreut wird.

Jede Kommune kann selbst festlegen, wie sie die Elternbeiträge staffelt und wie hoch sie diese ansetzt. Üblich ist eine progressive Staffelung nach Einkommen, Betreuungszeit und Alter der Kinder. Ganz auf die Beiträge verzichten bislang allerdings nur ganz wenige Kommunen in NRW. Im Ruhrgebiet ist es bislang nur Velbert.

1,34 Millionen Euro kostet die Entlastung der Top-Verdiener in Gelsenkirchen

In Velbert kostete die Befreiung etwa zwei Millionen Euro, in Gelsenkirchen liegt der Einnahmeverlust nach aktuellem Stand etwa bei 4,7 Millionen Euro, wie die Tabelle zeigt. Wenig überraschend: Die Verluste der Stadt steigen mit Einkommenshöhe. Die Kostenbefreiung für die 317 beitragspflichtigen Familien mit einem Top-Haushaltseinkommen (über 100.000 Euro) kostet die Stadt alleine 1,34 Millionen Euro.

Damit ist die Befreiung der Top-Verdiener kostspieliger als das Gebühren-Aus in den ersten acht Einkommensgruppen (20.000 bis 60.000 Euro). Für die rund 1120 beitragspflichtigen Kinder, für die der Beitrag in diesen Gruppen wegfällt, müsste die Stadt „nur“ etwa 1,23 Millionen Euro aufbringen.

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Zur Wahrheit gehört aber auch: In die höchste Einkommensgruppe kommt man schneller als gedacht. Denn es wird das Brutto-Einkommen beider Elternteile zugrunde gelegt. Das heißt: Wenn zwei Elternteile Vollzeit arbeiten gehen und jeweils 65.000 Euro Jahresgehalt erzielen (etwa 5400 Euro Brutto im Monat), dann zahlen sie den maximalen Elternbeitrag. Gutverdiener zahlen also dasselbe wie die Einkommensmillionäre, die es nun mal auch in der Stadt gibt.

Die höheren Einkommensgruppen sind es wiederum auch, die von der Streichung absolut am meisten profitieren: Eine Familie mit einem Einkommen von über 125.000 Euro zahlt monatlich zwischen 271 Euro (günstigste Betreuungsform, bis 25 Stunden, Kind über 2 Jahren) und 770 Euro (teuerste Betreuungsform, über 45 Stunden, Kind unter zwei Jahren). Eine Familie mit weniger als 20.000 Euro Einkommen zahlt zwischen 22 Euro und 109 Euro. Da kann es natürlich schon einen Unterschied machen, ob man sein Kind 25 oder 45 Stunden betreuen lässt.

Wie sich die Gebührenfreiheit auf den Betreuungsbedarf beim städtischen Träger Gekita auswirkt, kann die Stadt aber nicht prognostizieren, wie man bereits mehrmals aus der Verwaltung gehört hat.

Mehr zum Thema: Was der „Hüter des Haushalts“, Stadtkämmerer Luidger Wolterhoff, zu den Kita-Gebühren sagt, lesen Sie hier: „Gelsenkirchen geht großen Schritt, das Land muss folgen“