Bochum. Am Anfang war die Idee: ein multifunktionales Gebäude in der Innenstadt. Ihre Umsetzung, das Haus des Wissens, kostet Bochum 153 Millionen Euro.
Vor sieben Jahren hat Bochum über die Neuentwicklung seiner westlichen Innenstadt diskutiert. Das geschätzte Investitionsvolumen: eine halbe Milliarde Euro. Eines der zentralen Projekte – zeitlich wie räumlich: die Umgestaltung des Telekomblocks in ein Handels- und Servicezentrum. Das jedenfalls war die ursprüngliche Idee.
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Der Haken dabei: Der Telekomblock gehörte gar nicht der Stadt, sondern dem Bochumer Kaufmann Andor Baltz. Er hatte ihn 2013 erworben, um ein Einkaufszentrum zu verhindern und bei Entwicklung der City ein Wörtchen mitzureden. „Wir haben die Immobilie seinerzeit gekauft, weil wir wussten, dass die Stadt nicht kaufen wird. Uns war es wichtig, dass das Gebäude jemand kauft, der eine nachhaltige Entwicklung der Bochumer Innenstadt im Blick hat“, so Baltz. Nach WAZ-Informationen für 6,5 Millionen Euro hat er die Ende der 1920er Jahre erbaute Immobilie 2018 an die Stadt verkauft und damit für 1,2 Millionen Euro mehr als er an die Telekom bezahlt hat.
Bochum hofft auf jährlich 1,5 Millionen Besucher in der Markthalle
Die Ideen dafür, wie das Gebäude künftig genutzt werden sollte, hatten mittlerweile Form angenommen: Bücherei und Volkshochschule sollte aus dem maroden Bildungs- und Verwaltungszentrum (BVZ) umziehen, der Hochschulverbund „Univercity“ Raum finden. Und: Nachgedacht und später auch beschlossen wurde darüber, im Innenhof eine Markthalle zu bauen. Wo Parkplätze für etwa 150 Pkw angelegt waren, sollten 2000 der insgesamt etwa 3000 Quadratmeter für ein Gebäude mit Marktständen und Gastronomie untergebracht werden – mit Angeboten an sechs Tagen in der Woche von morgens bis abends.
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Der allgemeine Tenor: eine gute Idee. Die indes noch nicht ganz ausgereift ist. Denn: Ausgeschrieben ist der Markthallenbetrieb bis heute nicht. „Trotzdem werden schon jetzt Gespräche mit Markthallenbetreibern, Fachleuten aus der Branche und Beratern geführt“, so die Stadt. 1,5 Millionen Markthallen-Kunden pro Jahr erhoffen sie sich bei der Stadt.
Kosten sind von 64 auf mittlerweile 153 Millionen Euro gestiegen
Wie das Haus des Wissens einmal aussehen wird, darüber sollte ein Wettbewerb entscheiden. 350.000 Euro, allein 175.000 Euro für den Sieger, wurden dafür ausgelobt. Eine 24-köpfige Jury kürte Ende 2019 aus 15 spektakulären Entwürfen schließlich den Vorschlag des Aachener Büros „Cross Architecture“ zum Sieger, Platz drei belegte das Bochumer Büro Dreibund.
Die Kosten für das Prestigeprojekt waren mittlerweile von ursprünglich 64 auf etwa 90 Millionen Euro gestiegen, kurz darauf sollten sie bereits die nächste Schallmauer brechen. Es sei „nicht ganz abwegig“, dass das Projekt am Ende die 100-Millionen-Euro-Grenze reiße, so Stadtbaurat Markus Bradtke im Mai 2021.
Aufwendige Arbeiten: Schadstoffe ausbauen, Decken und Wände raus
Fest stand einige Woche später auch, dass aus dem Arbeitstitel „Haus des Wissens“ der offizielle Name werden sollte. Das jedenfalls hatte eine weitere Jury entschieden, die die zahlreichen Vorschläge geprüft hatte. Zugleich sprach sich der Rat mit breiter Mehrheit für den Vorentwurf des Aachener Architekturbüros aus und beauftragte die Stadtverwaltung mit der Umsetzung des Projekts.
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Und die ist aufwendig. Allein die Schadstoffsanierung in dem viergeschossigen, vollunterkellerten Gebäude umfasste unter anderem die Demontage diverser Asbestbauteile und Bauteile, die künstliche Mineralfasern enthalten, von etwa 1200 Quadratmetern asbesthaltiger Putz- und Spachtelmassen, 2200 Quadratmetern PCB-haltiger Abstriche sowie 1550 Quadratmetern Schwarzanstrichen in Innenräumen, die Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) enthalten. Außerdem ist der Abbruch von 6000 Quadratmetern Mauerwerk, 9000 Quadratmetern Estrich und 4800 Quadratmetern Putzfläche vorgesehen. Das war 2022/23.
Im Innenhof des Gebäudes, in dem die Markthalle ihren Platz findet, musste ein Luftschutzbunker ausgegraben werden. 2700 Kubikmeter umbauter Raum umfasste die eingeschossige Bunkeranlage mit 40 bis 60 Zentimeter dicken Betonwänden auf einer Länge von etwa 20 mal 40 Metern. Dazu kamen jeweils 80 Zentimeter dicke Boden- und Deckenplatten. Ausgegraben werden mussten auch jeweils 25.000 Liter fassende, doppelwandige Dieseltanks und zwei je 50.000 Liter fassende Heizöltanks. Mittlerweile ist der Grundstein für die Markthalle gelegt: 48 Bohrungen bis zu 99 Meter tief in die Erde sind mit Beton gefüllt. „Darauf kommt die 1,20 Meter dicke Bodenplatte für die Markthalle“, sagt Projektleiter Christoph Sobotta.
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Unterdessen ist das einst massive Gebäude kaum mehr ist als eine nackte Fassade, die nur deshalb nicht zusammenfällt, weil sie von insgesamt 220 Tonnen schweren Stahlstützen stabilisiert wird, nachdem Decken und Wände nahezu komplett entfernt wurden.
Raum für neue Ideen. Und die sind teuer. Auf mittlerweile 153 Millionen Euro sind die Kosten gestiegen. Ein Umstand, der zwischenzeitlich die Opposition im Stadtrat auf den Plan gerufen und die Koalition von Rot/Grün unter Druck gesetzt hat. Seitdem lautet der Tenor: Teurer darf es nicht werden.