Kreis Wesel. Landeswirtschaftsministerin Silke Gorißen sprach beim Agrarforum Kreis Wesel. Eine Suche nach Lösungen für die Existenznöte der Bauern.
Energieerzeugung auf dem eigenen Hof – hat das als Einnahmequelle für die Bauern Zukunft? Und wenn, was soll es sein: Photovoltaik, Windenergie, Biogas, Biomethan? Schwerpunkt des Agrarforums 2023, zu dem Volksbank Rhein-Lippe, Rheinischer Landwirtschafts-Verband und Kreisbauernschaft am Freitag nach Wesel einluden. Hauptthema, aber bei weitem nicht das einzige: Silke Gorißen, Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW, sprach als Gastrednerin die Probleme an, die der Landwirtschaft unter den Nägeln brennen.
Einfache Lösungen brachte auch die Ministerin nicht mit in den Saal der Gaststätte Schepers. „Die Zahl der Betriebe geht zurück, das sehen wir mit Sorge.“ In der politischen Gemengelage zwischen Berlin und Brüssel dürfe das Land meist lediglich Stellungnahmen abgeben, die Zuständigkeit für die Landwirtschaft liege bei der EU. „Wenn wir entscheiden könnten, würde manches anders laufen.“ Mit Green Deal, Biodiversität, dem Spagat zwischen Tierwohl und Wettbewerbsfähigkeit, den hohen Betriebskosten für Düngemittel und Energie, der Düngemittelverordnung und den Restriktionen beim Pflanzenschutz nannte sie einige der aktuellen Themen in der Landwirtschaft.
Ernährungssicherheit wird durch das Höfesterben gefährdet
Die müsse erhalten und nachhaltig aufgestellt werden. „Wenn die Ernährungssicherheit gefährdet ist, betrifft es jeden einzelnen und jeden Haushalt“, so Gorißen. Corona, der Ukrainekrieg und die unterbrochenen Lieferketten hätten gezeigt, wie wichtig ein regionaler Erzeugermarkt ist. „Die Regale und Fleischtheken füllen sich nicht von allein“, so die ehemalige Kreis-Klever Landrätin. Statt ständiger Verbote aus Brüssel nach dem Motto „wie Ihr das umsetzt, ist uns egal“ müsse eine Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft her. Die Bauern, vor allem die junge Generation, wollten für Biodiversität und Nachhaltigkeit arbeiten. Praxistaugliche Konzepte seien gefragt. Auch beim Thema „Rote Gebiete“, also Bereiche mit erhöhten Nitratwerten und dementsprechenden Düngeauflagen, kritisierte sie die EU-Kommission. Ihr Ziel sei es, ein neues Verfahren zu entwickeln, das betriebsindividuell bewertet. Auch die Vorschläge der EU-Kommission, in sensiblen Gebieten den Pflanzenschutz zu verbieten, hält die Christdemokratin für untauglich, bislang gebe es nicht mal eine Definition von „sensibel“.
Verlässlichkeit und Planungssicherheit gefordert
Generell fehlten der Landwirtschaft verlässliche Aussagen, Planungssicherheit. Die Borchert-Kommission habe gute Vorschläge für die Tierhaltung erarbeitet, Berlin setze sie nicht um. Ziel müsse es sein, das Tierwohl zu verbessern, aber mit Planungssicherheit – Beispiel Schweinehalter: Es könne nicht sein, dass alle zwei Jahre neue und andere Anforderungen an die Ställe aufgestellt würden. Zumal das Baurecht fehle, um die Vorschriften umzusetzen, wie ein Teilnehmer betonte.
In der Photovoltaik sieht die Ministerin das Dilemma Flächenfraß. Die Anlagen gehörten auf Gebäude und versiegelte Flächen, hier müsse besonders der städtische Bereich aufholen. Und Johannes Leuchtenberg, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Wesel, lehnt, wie der Rheinische Landwirtschaftsverband generell, Photovoltaik auf landwirtschaftlichen Flächen ab: Die sollen der Nahrungsmittelproduktion vorbehalten bleiben. Zudem warnt Leuchtenberg, dass es viele Haken und Ösen auch bei der Photovoltaik gebe, „einfach unterschreiben ist ein großes Risiko, lassen Sie sich beraten!“ empfahl er.
Photovoltaik haben viele Bauern bereits auf ihren Hallendächern, und die erneuerbaren Energien bieten unterschiedlich hohe Verdienstmöglichkeiten, sind aber auch mit betriebswirtschaftlichen Risiken verbunden. Viele beschäftigen sich mit dem Thema, wie auch Kreislandwirtin Anna Kleinheßling. „Ich bin sozusagen der niederrheinische Klassiker mit Photovoltaik auf dem Dach und alles andere ist noch in der Ideenwerkstatt“, sagte sie.
Die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile verschiedener erneuerbarer Energien und das Einkommenspotenzial setzte Stefan Brinkmann den rund 130 Teilnehmern des Forums auseinander. Er ist Vorstand des Ingenieur Netzwerks Energie, iNEG, einer vor 15 Jahren von den Volks- und Raiffeisenbanken gegründeten Genossenschaft, die das fachliche Know How auf die Höfe bringt. Sonnenenergie auf dem Dach für den Eigenverbrauch, dafür sei keine Genehmigung nötig. Was darüber hinaus geht, Sonnenkollektoren auf Freiflächen, die Biogas- und die Biomethanproduktion und die Windenergie, bringe diverse bürokratische Hindernisse aber auch Chancen, die Brinkmann dem Publikum aufzeigte.
Methan in Kooperation mit anderen Landwirten erzeugen
Landwirt Thomas Sondermann brachte seine praktische Erfahrung ein: Seit 2009 hat er eine Biogasanlage auf seinem Hof in Hamminkeln, immer wieder mal erweitert. Derzeit überlege er, in Biomethan einzusteigen – weil für die Produktion mehrere hundert Tiere nötig sind, denkt er über eine Kooperation mit anderen Landwirten nach. „Wir sind in einer Findungsphase.“
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