Kreis Wesel. Es war ein schwieriges Jahr für Landwirtschaft im Kreis Wesel. Zum Erntedank benannten die Bauern die Faktoren, die ihre Existenz gefährden.

Erntedank im Schatten des Ukrainekrieges – neben dem Klimawandel das beherrschende Thema auf dem Traditionsfest der Kreisbauernschaft beim Landmaschinenhersteller Lemken in Alpen. Explodierende Preise für Dünger, Futtermittel, Diesel und Strom sind Kriegsfolgen. Und: Das Thema Ernährungssicherheit rückt in die öffentliche Aufmerksamkeit.

Johannes Leuchtenberg, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Wesel, forderte politische Veränderungen im Energiesektor und im Ernährungssektor. In der Öko-Modellregion der Kreise Wesel und Kleve sieht er eine Chance, die bäuerlichen Familienbetriebe der Region zu stärken. „Nur durch kurze Transportwege und direkte Abnehmer unserer Waren können wir Perspektiven für unsere landwirtschaftlichen Familienbetriebe schaffen und dem Nachhaltigkeitsgedanken Rechnung tragen“, so Leuchtenberg. Bei der Energiewende seien die Bauern voraus mit Biogasanlagen an neuen Ställen und Photovoltaik auf den Hallen. In Gewerbegebieten dagegen sei wenig passiert.

Photovoltaik auf landwirtschaftlichen Flächen stößt auf Skepsis

Kritisch sieht Leuchtenberg die NRW-Ausbaustrategie von Freiflächen-Photovoltaik auf das Vierfache. „Um die gleiche Strommenge wie eine moderne Fünf-Megawatt Windkraftanlage zu erzeugen, müssten fünf Hektar wertvoller Acker oder Grünland bebaut werden“, rechnete er vor. Im Mittel der vergangenen Jahre liege der Verlust landwirtschaftlicher Fläche ohnehin bei fast 20 Hektar pro Tag. Die Ausbaustrategie würde geschätzt 7000 Hektar Land fressen.

Man wolle sich nicht gegen diese Stromerzeugung stellen. Der Rheinische Landwirtschaftsverband fordert aber, Potenziale auf Dächern, Parkplätzen und sonstigen nicht landwirtschaftlichen Flächen auszuschöpfen, und zudem die Wertschöpfung in der Region zu halten, statt sie auswärtigen Investoren zu überlassen – etwa in Form von Energiegenossenschaften. Der Flächenfraß durch Gewerbe, Wohnen, Kiesabbau, zudem das Auftreten privater Investoren auf dem Markt, treibe Kaufpreise und Pacht in die Höhe und bedrohe die Betriebe, mahnte der Vorsitzende der Ortsbauernschaft Menzelen Wilhelm Vingerhoet-Hoberg.

Vom Verbot der Pflanzenschutzmittel in Naturschutzgebieten seien im Kreis Wesel 16.000 Hektar betroffen – die Biodiversität fördere das aber nicht. Auf den Flächen werde nun Mais angebaut, der sich gegen Wildkräuter durchsetzen kann. Auch Johannes Leuchtenberg wehrte sich gegen Verbote von Pflanzenschutzmitteln, die fachlich nicht durchdacht seien. Die Bauern hätten andere Lösungen. „Auf den Feldern ist mit hybrider Landwirtschaft ein neuer Weg zu beobachten, der noch ressourcenschonender Umweltaspekte mit einbezieht.“ Pflanzenschutz aber müsse in Maßen sein. Hybride Landwirtschaft meint die Kombination konventioneller und ökologischer Anbauarten.

Nachwachsende Rohstoffe als Aufgabe der Zukunft

Ein großes Zukunftsthema in der Landwirtschaft ist die Bioökonomie, die Produktion nachwachsender Rohstoffe, um unabhängiger von fossilen Stoffen zu werden. Gras für die Papierherstellung etwa und Getreide für die Klebstoffindustrie. Allerdings sei die Tierhaltung ein integraler Bestandteil einer nachhaltigen landwirtschaftlichen Produktion.

„Ich habe es satt, die ständige Diskussion um das Thema Rinder als Klimakiller zu führen“, so der Vorsitzende der Kreisbauernschaft. „Ja, wir wollen unterschiedliche Ansprüche aus Klimaschutz und Biodiversität verbinden, aber bitte mit der Produktion von Lebensmitteln, Futter für die Tiere und nachwachsenden Rohstoffen.“ Nicht alle Ackerfrüchte taugten zum Nahrungsmittel. „Problematische Qualitäten dürfen nicht in der Tonne landen. Wer all dies weiß, muss akzeptieren, dass Getreide als Tierfutter verwendet und Raps zu Biodiesel verarbeitet wird.“

Die Weidetierhaltung gehört für den Vorsitzenden der Kreisbauernschaft zur nachhaltigen Landwirtschaft dazu.
Die Weidetierhaltung gehört für den Vorsitzenden der Kreisbauernschaft zur nachhaltigen Landwirtschaft dazu. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Christa Krebbing, Vorsitzende des Rheinischen Landfrauenverbandes im Kreis Wesel, stellte ein verändertes Verbraucherverhalten fest. „Hauptsache günstig“, nachdem zunächst in der Coronazeit die Hofläden boomten. Billige Lebensmittel aus dem Ausland seien gefragt, mit der Folge, dass hiesige Bauern teils Spargel und Erdbeeren unterpflügen mussten.

Weil viele Verbraucher sich keine Bioprodukte mehr leisten können oder wollen, müssten die Erzeuger diese als konventionelle Ware verkaufen. Krebbing wiederholte die jahrelange Forderung der Landfrauen, Ernährungs- und Alltagskompetenzen in den Schulen zu lehren um Ressourcen zu schonen, Lebensmittel fachgerecht zu lagern und zu verarbeiten. Zu viel werde noch weggeworfen.

Und die Ernte? Die Erträge sind zufriedenstellend, urteilt Wilhelm Vingerhoet-Hoberg, es gab keine Totalausfälle. Allerdings führe die Kostenexplosion dazu, dass am Ende bestenfalls ein marginaler Gewinn stehe.

Lesen Sie zum Thema Landwirtschaft auch: