Kreis Wesel. Seit Dezember gilt die neue Landesdüngeverordnung. Fast der gesamte Kreis Wesel ist nun „Rote Zone“ in Sachen Nitrat und Gülle. Die Konsequenzen.
Seit Anfang Dezember ist wieder einmal alles anders. Die neue Landesdüngeverordnung ist in Kraft getreten, es geht um die Nitratbelastung im Grundwasser, um die sogenannten „Roten Gebiete“. Die Kriterien sind strenger, die Gebiete auch im Kreis Wesel größer geworden. Laut Landesamt für Natur- und Verbraucherschutz (Lanuv) hat sich die Fläche dieser Zonen landesweit von rund 165.000 Hektar auf gut 500.000 mehr als verdreifacht und das, obwohl die Nitratbelastungen in den vergangenen Jahren leicht rückläufig sind. Für die Bauern, auch im Kreis Wesel, hat das Folgen. Und der Frust wächst.
Wer in einem Roten Gebiet wirtschaftet, muss 20 Prozent weniger düngen. „Jetzt hat das noch keine Auswirkungen, weil das Düngen keinen Sinn mehr macht“, sagt Kreislandwirt Johannes Leuchtenberg. „Aber im kommenden Jahr wird es eine schlechtere Ernte geben.“ Das, so Leuchtenberg, wird den gesamten Kreis Wesel rechts- und linksrheinisch betreffen. Eine Karte des Lanuv bestätigt seine Befürchtungen: Mit wenigen Ausnahmen unter anderem im Bereich Dinslaken, Voerde, Xanten, Bislich, Rheinberg, Neukirchen-Vluyn und Moers ist der Kreis Wesel seit Anfang Dezember großflächig Rotes Gebiet. Welchen Betrieb das genau betrifft, das können die Bauern bei ihrer Kammer herausfinden.
Wer die hohen Belastungen verursacht hat und welchen Weg das Nitrat ins Grundwasser genommen hat, ist nicht immer klar. Zwischen zehn und 30 Jahren dauere es, bis die Belastung dort messbar werde, erläutert Leuchtenberg, auch die Verursacher ließen sich in einem solchen Zeitraum nicht mehr ausmachen. „Wer ordentlich gewirtschaftet hat, wird dennoch bestraft, das ist das Problem.“
Weniger Gülle, geringere Ernte: Nahrungsmittel werden teurer
Weniger Dünger und eine geringere Ernte, das bedeute letztlich auch eine weitere Verteuerung der Nahrungsmittel. „Aber wir können uns nicht wehren, eine Weigerung würde die Bundesrepublik Milliarden kosten“, sagt Leuchtenberg. Er räumt Fehler der Branche aus der Vergangenheit ein, „da wurde nach dem Motto beraten: Viel hilft viel“.
Die Europäische Kommission hatte das deutsche System bemängelt und strengere Vorgaben gemacht, NRW setzt das nun um. Wer in welcher Zone liegt – das versuchen die Landwirte aktuell herauszufinden. Eine Möglichkeit dazu bietet „elwasweb“, betriebsindividuell gibt es darüber hinaus ein Düngeportal der Landwirtschaftskammer, zudem ist eine zentrale Infostelle bei der Landwirtschaftskammer eingerichtet, die die Fragen der Bauern beantworten soll. Unter anderem die: Warum ist meine Fläche plötzlich als Rotes Gebiet eingestuft?
In Nordrhein-Westfalen hat die Gebietsausweisung im Auftrag der Landesregierung das Lanuv umgesetzt. Dabei gelten die Vorgaben der Bundesdüngeverordnung weiter unverändert: „Dazu zählen eine Reduzierung der Düngung auf 80 Prozent des ermittelten Düngebedarfs, die Begrenzung der organischen Düngung auf 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr auf jeder einzelnen Fläche statt im Betriebsdurchschnitt, eine ergänzende Einschränkung der Herbstdüngung oder die Verpflichtung zum Anbau von Zwischenfrüchten“, zählt das Lanuv auf.
Wann wirft der Erste das Handtuch?
„Wir werden Stück für Stück kleiner gemacht“, kommentiert Leuchtenberg die Vorgänge. Die Kreis-Weseler Bauern könnten heute nicht sagen, wo sie in drei oder fünf Jahren stehen, „ich frage mich, wann der Erste das Handtuch wirft“. Es gehe ja nicht nur um den Ertrag allein: Auch die Flächen in den Roten Gebieten verlieren an Wert. Leuchtenberg lässt keinen Zweifel daran, dass die Bauern selbst ein Interesse an sauberem Wasser haben. „Die meisten von uns haben ihre eigene Wasserversorgung für Tier und Mensch auf dem Hof. Nitrat will da niemand haben.“
Die Kreis-Weseler Bauernschaft fordert, ordentlich wirtschaftende Betriebe nicht derart pauschal zu bestrafen. Und auch Silke Gorißen, Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW und als ehemalige Kreis-Klever Landrätin eine Kennerin der Region, fordert mehr Ausnahmegenehmigungen für vorbildliche Betriebe, allerdings sei hier der Bund am Zuge.
Das nordrhein-westfälische Landwirtschaftsministerium habe bei der Herbst-Agrarministerkonferenz gemeinsam mit anderen Ländern den Bund gebeten, umgehend ein Konzept zur verursachergerechten Befreiung landwirtschaftlicher Betriebe von Verpflichtungen in Roten Gebieten zu erarbeiten. „Notwendig dafür ist die Änderung von Düngegesetz, Düngeverordnung, Stoffstrombilanzverordnung und Meldeverpflichtungen für Betriebe“, so das Lanuv. Das lässt ahnen: Es wird eine Geduldsprobe für die frustrierten Landwirte.