Kreis Wesel. Dem Herpesvirus BHV1 sind in zwei Jahren 1600 Tiere im Kreis Wesel zum Opfer gefallen. Was die Seuche verursacht und wie Bauern sie bekämpfen.
Vogelgrippe und Afrikanische Schweinepest sind vielen ein Begriff. BHV1 nicht – dabei sind der Rinderseuche in den vergangenen zwei Jahren im Kreis Wesel 1600 Tiere zum Opfer gefallen. Für Menschen ist „Bovines Herpes Virus 1“ nicht gefährlich, betroffene Tiere werden in der Regel geschlachtet und auch verwertet. Für Landwirte, in deren Ställen die Krankheit grassiert, kann das ganze Bestände kosten. Jüngster Fall der Region ist in Heek im Kreis Borken, wo im Januar Rinderherpes in Bullenmastbetrieben mit 1544 Tieren aufgetreten ist. Wegen der aktuellen Seuchenlage, nicht nur unter den Rindern, wird es vorerst keine „Tour de Flur“ mehr geben, bei denen Landwirte in früheren Jahren interessierten Besuchern ihre Betriebe als Stationen einer Radtour öffneten. Das Risiko wäre zu hoch, sagt Johannes Leuchtenberg, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Wesel.
Strenge Hygieneauflagen sollen die Ausbreitung verhindern
„Im Kreis Wesel und im Kreis Borken darf niemand Fremdes mehr in den Stall“, erläutert Leuchtenberg. Aktuell gelten verschärfte Hygienemaßnahmen in den Kuhställen, die die Bezirksregierung Düsseldorf angeordnet habe. Wie das Herpesvirus auf die Höfe gerät? So ganz genau lasse sich das im Einzelfall meist nicht nachvollziehen, sagt Kreisveterinär Dr. Antonius Dicke. Das Virus überträgt sich durch Tröpfcheninfektion, also von Tier zu Tier. Aber auch durch Menschen und ihre Kleidung, durch Gerätschaften oder im Tiertransporter. Wie beim Kampf gegen die Vogelgrippe auch heißt es, verstärkt auf die Hygiene zu achten.
Es handelt sich um ein Herpesvirus, „und Herpes, das wissen wir, wird man nie wieder los“, erläutert Dicke. Erkrankte Tiere leiden unter einer Nasen- und Luftröhrenentzündung, sie bekommen Fieber, Durchfall, zeigen grippeähnliche Symptome, magern ab. Neben der Tröpfcheninfektion gibt es auch eine Variante, die beim Deckakt übertragen wird und die Geschlechtsorgane betrifft. Weil bei der Zucht in der Regel künstlich besamt wird, tritt diese Variante weniger häufig auf.
Aus unterschiedlichen Anlässen kann die Krankheit immer wieder ausbrechen, nach dem Kalben beispielsweise oder wenn Stress durch einen Stallwechsel entstanden ist. Meist sterben die Tiere nicht daran, doch sie leiden. Und sobald das Virus in Blut oder Milch festgestellt wird – die Kühe werden jährlich getestet – müssen sie geschlachtet werden um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Das sieht das EU-Recht so vor. Johannes Leuchtenberg, selbst Rinderhalter, hält das für richtig: „Die Tiere leiden sehr, das kann man nicht mit ansehen. Es ist besser einen Schnitt zu machen, sie zu schlachten, damit sich die Krankheit nicht weiter verbreitet.“
Nur negativ getestete Tiere dürfen die Grenzen passieren
Das ist auch Ziel der EU: Lebende Rinder die das Virus in sich tragen, dürfen nicht exportiert oder importiert werden, sie dürfen weder vermarktet noch in der Zucht eingesetzt werden. „Aber es gibt den kleinen Grenzverkehr mit den Niederlanden, beispielsweise. Da kann schonmal etwas übersehen werden“, sagt Leuchtenberg. Geht alles geregelt zu, müssen Rinder negativ getestet sein und eine Quarantäne durchlaufen, bevor sie importiert werden. Seit 2017 ist Deutschland als BHV1-frei anerkannt, daran ändern einzelne Fälle nichts. Zumindest nicht, solange ein festgelegtes Verfahren eingehalten wird.
Seit 25 Jahren bereits kämpft die Landwirtschaft gegen dieses Virus. „Es ist eine anzeigepflichtige Tierseuche“, erläutert Dr. Antonius Dicke. Eine, für die der Kreis Wesel besonders anfällig ist, es gibt einen engen Austausch der Landwirtschaft mit dem Benelux-Bereich und dem westlichen Münsterland. Zwar gibt es eine Impfung gegen das Herpesvirus. Die aber lässt die EU in BHV1-freien Regionen nicht zu. Laut Leuchtenberg hat sie zudem heftige Nebenwirkungen.
Langer Weg zur Normalität
Rund ein Vierteljahr dauert es für einen Betrieb, dessen Rinder geschlachtet sind, bis der Stall ordentlich desinfiziert ist, neue Rinder auf den Hof gekommen sind, diese sich eingewöhnt haben und alles wieder einen geregelten Gang geht, erklärt Johannes Leuchtenberg. Zeit, in der kein Geld herein kommt, die meisten Kollegen seien dagegen versichert.
Doch es geht nicht ums Einkommen allein. „Für die betroffenen Betriebe ist die Infektion eine Katastrophe“, sagt Kreisdirektor Ralf Berensmeier, im Vorstand der Kreisverwaltung auch für das Veterinäramt zuständig. „Mitunter sind die Rinder Ergebnis der Zuchtarbeit von Generationen einer Landwirtsfamilie. Das lässt sich nicht so einfach ersetzen.“
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