Kreis Wesel. Beim Thema Windkraft sieht der Kreis Wesel nicht gut aus: Im Vergleich zu den Nachbarn geht hier wenig. Dafür gibt es Gründe.

Wind für die Steckdose, die Idee gefällt vielen. Zumindest bei unserem Umwelt-Check haben gut 46 Prozent der Teilnehmer auf die Frage „Wäre es für Sie ok, wenn in 500 Metern Abstand zu Ihrem Haus /Ihrer Wohnung ein Windrad gebaut wird?“ mit „Ja“ geantwortet. Allerdings: Im Kreis Wesel begleiten Klagen nahezu jedes genehmigte Windrad, wie die Verwaltung mitteilt. Weil aber Ende 2022 die Atomkraftwerke vom Netz gehen sollen und bis 2038 auch die Kohlekraftwerke, weil NRW laut Klimaschutzgesetz 2045 klimaneutral wirtschaften will und die Emissionen bereits früher sinken sollen, geht es nicht ohne Windkraft. Im Vergleich zu seinen Nachbarn sieht der Kreis Wesel bei diesem Thema nicht gut aus.

Lediglich 69 Windenergieanlagen gibt es im Kreisgebiet, mit einer installierten Leistung von rund 128 Megawatt, die laut Verwaltung jährlich 249 Gigawattstunden Strom erzeugen. Mit 14 stehen die meisten davon in Hamminkeln, gefolgt von Schermbeck mit zehn und Alpen mit neun. Schlusslicht ist Dinslaken, hier gibt es gerade mal ein Windrad. Drei weitere Anlagen sind im Kreis bereits genehmigt, sie entstehen in Schermbeck, Voerde und Wesel.

„Der Kreis Wesel befindet sich derzeit noch weit entfernt vom Ziel der Bundesregierung zum geplanten ,Wind-an-Land-Gesetz’ mit einer Bereitstellung von zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft“, teilt die Kreisverwaltung dem Umwelt- und Planungsausschuss mit. Woran liegt das? Arne Bergendahl vom zuständigen Fachdienst führt das auf die Bevölkerungsdichte zurück. Die ist in den südlichen Gemeinden Moers, Neukirchen-Vluyn und Dinslaken höher als im Norden – entsprechend verteilen sich die Windräder.

Lanuv sieht kaum Potenzial für weitere Anlagen

Viel Potenzial für weitere Windkraftanlagen attestiert das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (Lanuv) dem Kreis nicht. Im April hat es landesweit die geeigneten Flächen identifiziert und für den Kreis Wesel nur drei mögliche neue Anlagen benannt. „Wir sind von dieser Prognose überrascht“, sagt Bergendahl zu dem Ergebnis, allein vier Anlagen seien bereits im Genehmigungsprozess. Der Kreis ist zuständige Behörde für alle Windkraftanlagen mit über 50 Metern Höhe. Und allein in Alpen ergeben sich durch die Aufstellung eines Teil-Flächennutzungsplanes sechs neue Standorte. Zudem fallen 32 bestehende Windkraftanlagen bis zum Jahr 2026 aus der Förderung heraus, sie werden somit abgebaut und der Kreis rechnet mit Neubauanträgen und sogenannten Repowering-Anträgen: Die alten Anlagen sollen durch neuere, stärkere ersetzt werden. Nicht alle Standorte eignen sich dafür.

Eine Fläche allein reicht nicht aus, um ein Windrad bauen zu können. Das Bundesimmissionschutzgesetz baut hohe Hürden auf: Auf dem Prüfstand stehen dann Schall und Schattenwurf, Lärmschutz, die Belästigung durch die Flugsicherheitsbefeuerung, Standsicherheit, Brandschutz und die mögliche „optisch bedrängende Wirkung“ einer Anlage.

Naturschutz als höchste Hürde für die Genehmigung

Eines der wichtigsten Kriterien ist der Naturschutz. Die Anlagen dürfen geschützte Tierarten weder töten noch stören, sie dürfen ihren Lebensraum nicht beschädigen. Eine Diskussion, die mit Blick auf die Seeadler auf der Bislicher Insel beispielsweise in Alpen geführt wurde: Manche Anlagen werden nur mit Auflagen genehmigt. So stehen beispielsweise am Asdonkshof in Kamp-Lintfort einige Anlagen still, wenn die jungen Turmfalken flügge werden. Es folgen Wasserrecht, Bodenschutzrecht, Denkmalschutz, Straßen- und Luftverkehrsrecht, eine Prüfung der Auswirkung auf militärische funk- und radartechnische Einrichtungen oder die Flugsicherheit – ein Genehmigungsverfahren dauert Jahre. Am Planungsverfahren beteiligt sind unter anderem die Naturschutzverbände, Strom- und Gasnetzbetreiber, Richtfunk- und Mobilfunkbetreiber, Rundfunkbetreiber, der Deutsche Wetterdienst und der Geologische Dienst. Auf Antrag auch Anwohner und andere.

Das Verfahren soll vereinfacht und beschleunigt werden, zumindest gibt es Gesetzesinitiativen auf Bundesebene, die der Kreis begrüßt. Doch das hat einen Haken: „Eine Beschleunigung des Verfahrens stößt im Kreis Wesel schnell an personelle Grenzen“, gibt Arne Bergendahl zu bedenken. Dann sei mit mehr Anträgen zu rechnen.