An Rhein und Ruhr. Pro Tag gehen in NRW 13,4 Hektar landwirtschaftliche Fläche verloren. Die Landesregierung will den Verbrauch auf fünf Hektar pro Tag reduzieren.

Statt Erdbeeren aus Marokko oder Schweinefleisch aus Spanien sollen wir regional und saisonal kaufen, um Transportwege kurz zu halten, damit das Klima zu schonen und die hiesige Landwirte zu unterstützen. Das predigen Ernährungswissenschaftler und Klimaexperten unisono. Doch: Was passiert, wenn die Flächen nicht da sind, auf denen Lebensmittel angebaut werden? Im Jahr 2020 gingen in Nordrhein-Westfalen 13,4 Hektar Landwirtschaftsfläche verloren. Pro Tag, wohlgemerkt. Das entspricht rund 18 Fußballfeldern.

Im Jahr 2019 gab es sogar einen noch größeren Flächenfraß: Damals gingen pro Tag 19 Prozent der Landwirtschaftsflächen verloren. Allein in den vergangenen 25 Jahren ging die landwirtschaftliche Fläche laut NRW-Statistikamt um 170.000 Hektar zurück.

Fläche reicht eigentlich nicht, um ein Bundesland zu ernähren

Das reicht einem aktuellen Bericht der nordrhein-westfälischen Landwirtschaftskammer zufolge eigentlich nicht aus, um die Menschen in unserem Bundesland zu ernähren. Denn für die Ernährung einer Person würden im Durchschnitt 2.250 Quadratmeter landwirtschaftlicher Fläche benötigt, heißt es in dem Bericht „Zukunftsaufgabe Flächenschutz“. Ausgehend von 18 Millionen Einwohnern in NRW bräuchten wir demnach rechnerisch rund 4,1 Millionen Hektar. Da aber nur noch 1,5 Millionen Hektar vorhanden sind, können rechnerisch nur 37 Prozent der nordrhein-westfälischen Bevölkerung ernährt werden.

Wo geht die Fläche hin, die Jahr für Jahr verloren geht?

Der Kampf um die Flächen ist längst im vollen Gange. Wohnraum wird dringend benötigt, neue Straßen und Fahrradwege werden gebaut, es entstehen Supermärkte mit großen, versiegelten Parkflächen, Gewerbegebiete werden erweitert und spülen den Städten Gewerbesteuern in die Kassen. Während der Anteil der Landwirtschaftsflächen sank, nahmen die Flächen für Siedlungs- oder Straßenbau zu; hier gab es einen Zuwachs um rund 130.000 Hektar. Allein im Jahr 2020 lag der Anteil der für den Siedlungs- und Verkehrswegebau genutzten Flächen mit 7.890 km² bei 23,1 Prozent der gesamten Landesfläche.

Und so fordern Experten auch aus dem Grund immer öfter: Baut höher! Das haben Wirtschaftsunternehmen bereits selbst erkannt, wenn es sich vielleicht auch leichter anhört, als es tatsächlich ist. Aldi Süd zum Beispiel hat sich nach eigenen Angaben in den vergangenen Jahren in Bonn und im Rhein-Sieg Kreis an mehreren Projekten beteiligt, bei denen sich der Bau einer neuen Filiale mit der Schaffung von neuem Wohnraum verbinden ließ. Doch: Die Statik einer alleinstehenden Filiale erlaubt es einem Aldi-Sprecher zufolge nicht, zusätzliche Gebäudeteile aufzustocken. Deshalb sei eine Nachverdichtung nur durch einen Neubau möglich.

Im Düsseldorfer Zooviertel plant Aldi, einen seit 1985 bestehenden Standort weiterzuentwickeln. „Zooterrassen“ heißt das Projekt. Hier sollen öffentliche Plätze mit Aufenthaltsqualität, Flächen für Büros, Wohnungen, Gastronomie und Einzelhandel sowie Infrastruktur für zusätzliche Mobilitätsangebote und eine Quartiersgarage für das Viertel entstehen.

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Bautätigkeiten von Straßen oder Siedlungen wirken sich aber nicht nur direkt, sondern auch indirekt auf die landwirtschaftlichen Flächen aus. Denn wird beispielsweise eine Autobahn ausgebaut -- wie derzeit die A43 bei Herne – gibt es ökologische Ausgleichspflanzungen. Im Oktober 2020 sprach Hendrik Wüst (CDU), damals noch Verkehrsminister, von mehr als 7000 Kompensationsmaßnahmen in Nordrhein-Westfalen.

Dazu zählten seiner Aussage nach Streuobstwiesen, Wildblumenflächen, Hecken, Feldgehölze und artenreiches Grünland, die den durch Straßen- und Radwegebau notwendigen Eingriff in die Natur. Jede einzelne Maßnahme könne sogar zwei bis dreimal so groß sein wie die versiegelte Fläche, so Wüst damals.

Doch was ist die Lösung?

Die Landwirtschaftskammer hat sich dazu Gedanken gemacht. So könnten in den Regionalplänen agrarstrukturell bedeutsamen landwirtschaftlichen Flächen als Vorranggebiete ausgewiesen, Industriebrachen recycelt, Wohnbebauung, Gewerbe- und Verkehrsflächen und prinzipiell flächenschonend geplant und gestaltet werden.

In der aktuellen Koalitionsvereinbarung der schwarz-grünen Landesregierung ist vereinbart worden, den Flächenverbrauch zeitnah auf 5 Hektar pro Tag zu reduzieren. Dieser 5-Hektar-Grundsatz soll auch in den Landesentwicklungsplan aufgenommen werden, schildert ein Sprecher des Umweltministeriums auf NRZ-Anfrage. „Unter Berücksichtigung der Klimafolgenanpassung wird auch die Innenentwicklung flächensparend zu gestalten sein“, erklärt er weiter.

Ein Dilemma, vor allem für die Grünen

Nun sind die Grünen an der Regierung, wollen die Verkehrswende in Angriff nehmen und auch für mehr und bessere Radwege sorgen. Doch steckt die Ökopartei damit nicht auch in einem Dilemma? Einerseits soll der Flächenfraß reduziert werden, andererseits werden auch für Radwege oder neue Bahntrassen – wie zum Beispiel die Güterzugstrecke Betuwe am Niederrhein – Flächen benötigt.

„Gerade im Bereich der Luftreinhaltung, aber auch im Bereich des Lärmschutzes und der Vermeidung von Emissionen stellt der Ausbau der Radinfrastruktur jedoch einen wichtigen Baustein zur Erreichung der Ziele dar. Um jedoch dafür Sorge zu tragen, dass mehr Nutzerinnen und Nutzer vom Auto auf das Rad umsteigen, brauchen wir eine qualitativ hochwertige Radverkehrsinfrastruktur“, argumentiert ein Sprecher des nun vom Grünen-Politiker Oliver Krischer geführten nordrhein-westfälischen Umweltministeriums gegenüber der NRZ. „Weiterhin ist zu sagen, dass der Flächenverbrauch, und somit die benötigte Versiegelung, für den Radverkehr um ein Vielfaches geringer ist, als zum Beispiel für den motorisierten Individualverkehr“, so der Ministeriumssprecher weiter.