Düsseldorf. Trotz Skandalen und Gegendemos war die AfD zweitstärkste Kraft bei der Europawahl. Warum Düsseldorfer Aktivisten dennoch nicht in Panik geraten.

Im Tal der Tränen sei er angesichts der Ergebnisse der Europawahl nicht, stellt Oliver Ongaro, Sprecher des anti-rassistischen Bündnisses „Düsseldorf stellt sich quer“ (DSSQ), klar. Zwar habe die AfD bei der Wahl am Sonntag (9. Juni) mit knapp 15,9 Prozent „immer noch viel zu viele Stimmen“ bekommen, aber: „Man darf nicht vergessen, dass die AfD im Januar laut Umfragen noch bei 24, 25 Prozent lag. Seitdem verlieren sie aber auch an Stimmen in den Prognosen“, so der Düsseldorfer Sozialarbeiter weiter.

Oliver Ongaro führt diese Entwicklung auch auf die Demonstrationen und Aktionen zurück, die seit Bekanntwerden des Potsdam-Treffensbundesweit und in Düsseldorf stattgefunden haben. „Dass die Umfragewerte der AfD seit Jahresbeginn zurückgehen, hat auch damit zu tun, dass es überall in Deutschland Proteste gegen die AfD gibt, seitdem das Treffen bekannt gemacht wurde“, meint Ongaro.

Das Journalistenkollektiv „Correctiv“ enthüllte im Januar, dass sich im November hochrangige AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarke Unternehmer in einem Potsdamer Hotel getroffen haben, um über die Vertreibung mehrerer Millionen Menschen aus Deutschland zu diskutieren. Seitdem gingen in Deutschland vielerorts Menschen gegen die AfD, rechte Hetze und Hass auf die Straße.

DSSQ-Sprecher Ongaro: Düsseldorfer Stadtgesellschaft zeigt viel Engagement gegen Rechts

In Düsseldorf wurde nach den Correctiv-Enthüllungen am 27. Januar sogar ein Rekord aufgestellt: Zu einer Anti-AfD-Demo kamen rund 100.000 Teilnehmende in die NRW-Landeshauptstadt. Ein historisches Ergebnis. Dazu aufgerufen hatte damals DSSQ. Auch weitere Protestkundgebungen im Zoopark in Düsseltal, am Salzmannbau in Bilk oder zuletzt im Düsseldorfer Hofgarten oder an den Bilker Arcaden organisierte das Bündnis.

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Am 27. Januar kamen zu einer Anti-AfD-Demo in Düsseldorf über 100.000 Menschen.
Am 27. Januar kamen zu einer Anti-AfD-Demo in Düsseldorf über 100.000 Menschen. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Die Düsseldorfer Stadtgesellschaft habe dabei viel Engagement gezeigt, findet Oliver Ongaro. „Zuletzt sind in Düsseldorf viele gegen die AfD auf die Straße gegangen. Und viele Organisationen und Prominente wie die Broilers, die Stadt, Fortuna Düsseldorf und die Kirchengemeinden haben ebenfalls zur Teilnahme aufgerufen. Dies zeigt, dass sich Düsseldorf gegen Rechtsextremismus zur Wehr setzt.“

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Dass sich die AfD nach der Europawahl als die große Gewinnerin inszeniert, ändere aus Sicht des DSSQ-Sprechers auch nichts daran, dass die Proteste erste Wirkungen gezeigt haben. In Düsseldorf kam die AfD auf ein Wahlergebnis von 8,4 Prozent und konnte damit zwar 1,5 Prozent mehr Stimmen einsammeln als bei der Europawahl 2019, landete in der Landeshauptstadt jedoch hinter CDU (24,9 Prozent), Grüne (19,4), SPD (14,3) und FDP (11,2) auf dem fünften Platz in der Wählergunst.

„Die AfD hat bei der Europawahl insgeheim auf einen Durchmarsch gehofft, der ist aber ausgeblieben. Die Demos waren also keine Strohfeuer. Deswegen sollten wir die Kirche mal im Dorf lassen und solche Proteste nicht kaputt reden.“

Düsseldorfer Bündnis will gegen die AfD „weiter mobil machen“ – auch bei Parteitag in Essen

Natürlich sei die Lage immer noch schwierig und gefährlich, betont Ongaro. Deswegen sind die Proteste gegen die AfD auch noch nicht am Ende, kündigt der DSSQ-Sprecher an. „Wir werden weiter mobil machen, um die AfD auf ihren Veranstaltungen zu stören.“

Zwar ist der Bundesparteitag der AfD, der am letzten Juli-Wochenende (28. bis 30. Juli) in Essen geplant ist, derzeit auf Eis gelegt, dennoch werden Demonstrierende in die Ruhrmetropole fahren. „Wir werden am 29. Juli um 5 Uhr morgens nach Essen fahren, um den Parteitag der AfD zu stören“, erklärt Oliver Ongaro.

DSSQ-Sprecher Oliver Ongaro kündigt weitere Proteste gegen die AfD an.
DSSQ-Sprecher Oliver Ongaro kündigt weitere Proteste gegen die AfD an. © WAZ FotoPool | KITSCHENBERG, Kai

Dass viele Bürgerinnen und Bürger von dem Ergebnis der AfD bei der Europawahl geschockt sind, „ist gut so“, sagt Ongaro. Denn nur so werde sich weiter Protest gegen die Partei regen. Den soll es künftig auch in Düsseldorf geben: „Wir machen weiter mit unseren Aktionen, auch wenn wir wissen, dass wir natürlich nicht alle mit unserem Protest abholen werden.“

Düsseldorfer Vereinsvorsitzende: „Europa ein gewaltiges Stück nach rechts gerückt“

Hildegard Düsing-Krems, Vorsitzende des Vereins „Flüchtlinge willkommen in Düsseldorf“ hat in Hinblick auf das AfD-Ergebnis bei der Europawahl „Schlimmeres erwartet“, wie sie im Gespräch mit der NRZ zugibt. Auch sie erinnert sich noch an den Höhenflug der rechtsextremen Partei von Anfang des Jahres.

Dennoch ist Europa am Sonntag „ein gewaltiges Stück nach rechts gerückt“, weiß Düsing-Krems, die sich auch bei DSSQ engagiert. Dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach den deutlichen Verlusten seiner Allianz bei den Europawahlen das Parlament auflösen will und damit Neuwahlen kurz bevorstehen, sei aus Sicht von Düsing-Krems das Tüpfelchen auf dem I.

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Doch auch sie sehe, dass sich seit Januar einiges verändert hat. Sowohl bundesweit, als auch in Düsseldorf: „Überall in den großen deutschen Städten gehen die Menschen auf die Straße. Hier in Düsseldorf hat die Stadtgesellschaft viel gemacht. Vor allem bei der großen Demo Ende Januar. Und sobald die AfD einen Stand aufgebaut, oder eine Veranstaltung gemacht hat, gab es viel Gegenprotest.“

Europawahl in Düsseldorf: Forderung nach Wahlanalyse

Eine Analyse der Wahlergebnisse müsse es dennoch geben, fordert die Vereinsvorsitzende. „Wir müssen uns die Wahlbezirke überall und die Wählerströme ganz genau anschauen. Zum Teil haben Menschen die AfD gewählt, die sich abgehängt fühlen. Deswegen muss die Politik reagieren und endlich auf die Sorgen der Bürger eingehen. Hier in Düsseldorf ist bezahlbarer Wohnraum beispielsweise seit Jahren ein großes Thema für viele Menschen.“

Doch auch die Düsseldorfer Bürgerinnen und Bürger könnten noch mehr tun, meint Hildegard Düsing-Krems: „Wir müssen mit Arbeitskollegen oder Nachbarn diskutieren und sprechen und Haltung zeigen, wenn sie rechte Tendenzen offenbaren.“ Anders als in anderen Regionen sieht Düsing-Krems Düsseldorf im Kampf gegen Rechts „aber auf dem richtigen Weg“.